"Sie nutzen die Unsicherheit als willkommene Gelegenheit, dem Markt die notwendige und darüber hinaus gesunde Abkühlung zukommen zu lassen", sagte Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets. Der Dax verlor 0,5 Prozent auf 13.447 Punkte, nachdem er am Mittwoch ein Rekordhoch von 13.640,06 Zählern erreicht hatte. Der EuroStoxx50 bröckelte auf 3757 Stellen ab.

Im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus riegelte die chinesische Regierung die Millionenmetropole Wuhan ab, die als Ausgangspunkt der durch den Erreger ausgelösten Lungenkrankheit gilt. Auch die östlich gelegenen Großstadt Huanggang wurde ähnlich abgeschottet. In der Hauptstadt Peking wurden große Feiern zum Neujahrsfest am Wochenende abgesagt. "Händler erinnert die aktuelle Entwicklung stark an die Sars-Pandemie, die insbesondere in China das Wachstum gedrückt hat", sagte Thomas Metzger, Chef der Vermögensverwaltung beim Bankhaus Bauer. Der Börse Shanghai brockte dies den größten Tagesverlust seit einem Dreivierteljahr ein. Dem Sars-Erreger waren 2002/2003 weltweit etwa 800 Menschen zum Opfer gefallen.

In Europa gerieten vor allem Tourismuswerte unter die Räder, da viele Chinesen ihre über die anstehenden Neujahrsfeiertage geplanten Reisen zu Verwandten oder in den Urlaub abblasen könnten. So verloren die Aktien von Intercontinental Hotels in London 2,5 Prozent. Der Betreiber der Ketten "Holiday Inn" und "Hualuxe", die auf chinesische Kundenwünsche abgestimmt ist, bietet kostenlose Stornierungen an. Die Papiere der stark im Asien-Geschäft engagierten British Airways-Mutter IAG büßten 2,9 Prozent ein.

Die Titel von Luxusgüter-Anbietern flogen ebenfalls aus den Depots, weil sie stark von der Kauflaune chinesischer Kunden abhängen. Kering, LVMH und Richemont notierten bis zu 2,7 Prozent im Minus.

BUNDESANLEIHEN UND YEN GEFRAGT - ÖL UND KUPFER IM MINUS


Entscheidend sei nun, ob die Weltgesundheitsorganisation einen weltweiten Notstand ausrufe, sagte Analyst Ricardo Evangelista vom Brokerhaus ActivTrades. Komme es dazu, würden weitere Investoren Zuflucht in "sicheren Häfen" suchen. Die Nachfrage nach Bundesanleihen drückte die Rendite der zehnjährigen Titel auf ein Zwei-Wochen-Tief von minus 0,286 Prozent. Die ebenfalls als sicher geltende japanische Währung legte ebenso zu. Im Gegenzug verbilligte sich der Dollar um bis zu 0,3 Prozent auf 109,48 Yen.

Auch am Rohstoffmarkt spiegelte sich die Nervosität der Anleger wider: Die Ölsorte Brent aus der Nordsee verbilligte sich um 1,6 Prozent auf 62,17 Dollar je Barrel (159 Liter). Sollte sich das Coronavirus zu einer Sars-ähnlichen Pandemie ausweiten, sei ein Ölpreis-Rückgang um weitere fünf Dollar zu erwarten, rechneten die Experten der Bank JPMorgan vor. Der Preis für das Industriemetall Kupfer, dessen wichtigster Abnehmer China ist, fiel um 0,4 Prozent auf 6081,50 Dollar je Tonne.

EZB TASTET LEITZINS NICHT AN - STRATEGIECHECK IM BLICK


Daneben richteten Börsianer ihre Aufmerksamkeit auch auf die Beratungen der Europäischen Zentralbank. Wie erwartet tasteten die Währungshüter den Leitzins nicht an. Investoren warteten gespannt auf Details zum geplanten Strategiecheck der EZB, sagte Peter Schaffrik, Anlagestratege der Investmentbank RBC Capital Markets.

Analyst David Madden vom Online-Broker CMC Markets warnte allerdings vor überzogenen Erwartungen. "EZB-Chefin Christine Lagarde hat eine schwere Aufgabe vor sich, da es danach aussieht, dass die Zentralbank nur noch wenige Pfeile im Köcher hat, um den Problemen der Region entgegenzutreten."

rtr