Die EZB habe mit der Wiederaufnahme der Anleihekäufe und großzügigen Billig-Krediten für die Geschäftsbanken das klare Signal gesendet, alles zur Ankurbelung der Wirtschaft tun zu wollen, sagte Analyst Ricardo Evangelista vom Brokerhaus ActivTrades. Das schüre Konjunkturoptimismus.

Dieser wurde zusätzlich von der Aussage des US-Präsidenten Donald Trump genährt, er könne sich ein vorläufiges Handelsabkommen mit China vorstellen. "Allerdings sollten Anleger skeptisch bleiben, bis die Tinte wirklich getrocknet ist", warnte Portfolio-Manager Thomas Altmann vom Vermögensberater QC Partners. "Zu oft wurde Hoffnung im Handelsstreit in den vergangenen Monaten bitter enttäuscht."

Am Rohstoffmarkt setzten Anleger auf frischen Wind für die Weltwirtschaft. Das wichtige Industriemetall Kupfer verteuerte sich um 1,1 Prozent auf 5899 Dollar je Tonne. Auch konjunkturabhängige Aktienwerte waren gefragt. So legten der Chemiekonzern Covestro oder der Stahlkocher ArcelorMittal jeweils etwa drei Prozent zu.

EURO UND PFUND IM AUFWIND


Am Devisenmarkt verteuerte sich der Euro trotz der EZB-Zinssenkung und der frischen Geldspritzen um 0,4 Prozent auf 1,1103 Dollar. Zugleich flogen europäische Bonds aus den Depots. Zum einen liege das Anleihe-Ankaufvolumen mit 20 Milliarden Euro monatlich am unteren Ende der Erwartungen, sagte Commerzbank-Analyst Ulrich Leuchtmann. Zum anderen werteten Anleger den Aufruf des EZB-Chefs Mario Draghi, die europäischen Regierungen sollten die Konjunktur auch mit staatlichen Programmen anzukurbeln, als Hinweis, dass die Notenbank kaum noch Pfeile im Köcher habe.

Nach Einschätzung des Analysten Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets hat die EZB ihr Pulver aber noch nicht verschossen. "Draghis Nachfolgerin Christine Lagarde könnte nicht nur das Volumen der Anleihekäufe weiter erhöhen, sondern auch noch auf andere Anlageklassen ausweiten."

Das Pfund Sterling legte sogar ein Prozent auf 1,2450 Dollar zu. Anleger, die auf einen weiteren Verfall der Währung gesetzt hätten, realisierten, dass Premierminister Boris Johnson einen chaotischen EU-Ausstieg Großbritanniens nicht erzwingen könne, sagte Analyst Viraj Patel vom Anlageberater Arkera. Hoffnung schöpften Investoren außerdem aus dem Versprechen des britischen Parlamentssprechers John Bercow, mit 'kreativen Mitteln' zu verhindern, dass Johnson das Gesetz ignoriert, mit dem ein 'No Deal'-Brexit verhindert werden soll, sagte Analyst Connor Campbell vom Brokerhaus Spreadex.

Vor diesem Hintergrund stiegen Anleger bei Unternehmen ein, die von einem Chaos-Brexit besonders hart getroffen würden. Die Aktien der größten britischen Bank Lloyds gewannen 3,5 Prozent und die Eigenheimbauer Persimmon und Berkeley legten bis zu 2,7 Prozent zu.

STAFFELZINS UND BILLIG-KREDITE GEBEN BANKEN AUFTRIEB

Zu den Gewinnern gehörten außerdem europäische Finanzwerte. Der Index für die Banken der Euro-Zone rückte 2,4 Prozent vor. Mit Kursgewinnen von 2,8 beziehungsweise 4,6 Prozent gehörten Deutsche Bank und Commerzbank hier zur Spitzengruppe. "Die EZB lindert die Auswirkungen des negativen Einlagezinses ab, indem sie einen signifikanten Anteil der Bankeinlagen von den Negativzinsen ausnimmt und den Geldhäusern ein großzügiges langfristiges Liquiditäts-Angebot macht", sagte Florian Hense, Volkswirt der Berenberg Bank. Der Branchenverband BdB taxiert die Einsparungen durch den Staffelzins für die heimischen Institute auf 500 Millionen Euro.

rtr