Die rückläufige Zahl der Coronavirus-Infektionen sei keineswegs ein Zeichen für Entspannung, warnte Analyst Christian Henke vom Brokerhaus IG. Schließlich seien die ansteckenderen Varianten des Erregers auch hierzulande angekommmen. "Denn mit jeder weiteren Mutation wächst die Furcht vor schärferen Restriktionen, welche die ohnehin lädierte Wirtschaft empfindlich treffen könnte", sagte Analyst Timo Emden von Emden Research.

Die USA wollen Einreiseverbote verhängen, um die Ausbreitung der Mutationen zu bekämpfen. Großbritannien denkt über schärfere Grenzkontrollen nach. Dies schickte Reise- und Touristikwerte auf Talfahrt. Der europäische Branchenindex fiel um gut zwei Prozent. Schlusslicht war hier die British-Airways-Mutter IAG mit einem Kursminus von acht Prozent.

In dieses Bild passte der überraschend starke Rückgang des Ifo-Index, der die Stimmung in den deutschen Chef-Etagen widerspiegelt. "Die vom Lockdown geprägte wirtschaftliche Realität schlägt zurück, die Stimmung im Einzelhandel ist kollabiert", sagte Jörg Krämer, Chef-Volkswirt der Commerzbank.

Als weiteren Stimmungsdämpfer nannten Börsianer den Entwicklungsstopp zweier Coronavirus-Impfstoffe von Merck & Co. Die Aktien des Pharmakonzerns fielen im vorbörslichen US-Geschäft um mehr als ein Prozent.

GOLD UND STAATSANLEIHEN GEFRAGT


Vor diesem Hintergrund griffen einige Investoren zur "Antikrisen-Währung" Gold. Sie verteuerte sich um 0,6 Prozent auf 1863 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). Zusätzlichen Rückenwind erhalte das Edelmetall von der Aussicht auf weitere staatliche und geldpolitische Hilfen zur Abfederung der Pandemie-Folgen, sagte der unabhängige Analyst Ross Norman. Dies schüre Inflationssorgen und mache dadurch Gold als Schutz dagegen attraktiv.

Mit Staatsanleihen deckten sich Investoren ebenfalls ein. Dies drückte die Rendite der zehnjährigen Bundestitel auf minus 0,540 Prozent. Gefragt waren auch ihre italienischen Pendants, die bei plus 0,676 Prozent rentierten. Medienberichten zufolge plant Ministerpräsident Giuseppe Conte einen Rücktritt, um eine neue Koalition zu schmieden und Neuwahlen zu verhindern. "Offenbar räumen Investoren einem solchen Schachzug gute Erfolgschancen ein", sagte Anlagestratege Antoine Bouvet von der ING Bank. Einem Insider zufolge kommt ein Rücktritt für Conte allerdings nicht infrage. Was die Alternative sein könnte, ließ er aber offen.

TECHNOLOGIEWERTE IM AUFWIND - SILTRONIC UNTER DRUCK


Bei den Aktienwerten standen erneut die Pandemie-Profiteure hoch im Kurs. Die Aktien des Essenlieferanten Delivery Hero und des Kochbox-Versenders Hellofresh stiegen um bis zu 7,5 Prozent. Letztere markierten mit 73,60 Euro sogar ein Rekordhoch. In Amsterdam gewannen die Papiere des Technologie-Investors Prosus zeitweise 8,2 Prozent und waren mit 107,25 Euro ebenfalls so teuer wie nie.

Gegen den Branchentrend fielen die Titel des Chipindustrie-Zulieferers Siltronic um gut drei Prozent auf 140,75 Euro. Konkurrent GlobalWafers verlängerte zwar die Frist für die Annahme der auf 145 Euro je Siltronic-Aktie angehobenen Übernahmeofferte. Bei einem Scheitern will sich das taiwanische Unternehmen aber nach Alternativen umsehen. "Spekulationen auf eine weitere Aufstockung des Angebots halten wir für hochriskant", kommentierte NordLB-Analyst Rhorsten Strauß. "Daher bekräftigen wir unsere Empfehlung, das Angebot anzunehmen."

rtr