Für Ernüchterung sorgte der britische Premierminister Boris Johnson, der eine Verlängerung der Brexit-Übergangsfrist gesetzlich ausschließen will. Damit werde der finale EU-Austritt Großbritanniens einmal mehr zum Spiel gegen die Zeit, sagte Thomas Altmann, Portfoliomanager bei der Vermögensverwaltung QC Partners. "Wenn die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen scheitern oder einfach nicht rechtzeitig fertig werden, haben wir einen harten Brexit durch die Hintertür."

Das Pfund geriet unter Druck, die britische Währung verlor 1,3 Prozent auf 1,3154 Dollar und machte damit die Kursanstiege seit dem klaren Wahlsieg für Johnsons Konservative wieder zunichte. Der Markt habe zuletzt das Brexit-Risiko zurückgedrängt und sich auf einen geordneten EU-Austritts des Königreichs gefreut, sagte Commerzbank-Analystin Thu Lan Nguyen. Nun sei Ernüchterung eingekehrt. "Dass das noch nicht das Ende der Geschichte ist, war aber zuvor schon klar." Johnson habe bereits in seinem Wahlprogramm erklärt, den EU-Austritt bis zum Jahresende 2020 abzuschließen.

Viele Anleger brachten nun ihr Geld in Sicherheit, Staatsanleihen waren gefragt. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihen sank im Gegenzug um zwei Basispunkte auf minus 0,299 Prozent. Bei einigen Investoren kehrte nach der jüngsten Euphorie über die Einigung zwischen den USA und China im Handelsstreit etwas Ernüchterung ein. Das Teilabkommen, das den Verzicht auf US-Zölle und den Kauf von US-Produkten durch China vorsieht, sei "absolut abgeschlossen", bekräftigte der Wirtschaftsberater von US-Präsident Donald Trump, Larry Kudlow. Allerdings wurde es noch nicht unterschrieben, ein Termin dafür werde noch gesucht, sagte der US-Handelsbeauftragte Robert Lighthizer. "Manchmal steckt der Teufel im Detail", sagte DZ-Bank-Experte Andy Cossor. "Sie haben sich im Grundsatz geeinigt, aber die Verhandlungen über letzten paar Einzelheiten könnten schwieriger werden als erwartet." In den USA signalisierten die Futures einen Handelsstart auf dem Vortagesniveau.

BOEING-PRODUKTIONSSTOPP LASTET AUF ZULIEFERERN


Der Produktionsstopp für den Boeing-Flieger 737 MAX drückte auf die Aktien der Zulieferer. Die Anteilsscheine der größten europäischen Boeing-Partner Safran und Senior, brachen in der Spitze um 4,7 beziehungsweise 10,4 Prozent ein. Die Boeing-Titel lagen im vorbörslichen Handel 1,5 Prozent im Minus und steuerten auf ihren schwächsten Handelsstart seit Januar zu. Die Papiere des Rivalen Airbus legten dagegen zeitweilig zu. Analysten der Credit Suisse erklärten, es sei schwer, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Entscheidung von Boeing einzuschätzen, ohne mehr über die Dauer des Produktionsstopps und die Lieferbedingungen zu wissen. Die 737 MAX ist seit März aus dem Verkehr gezogen, nachdem bei zwei Abstürzen in Indonesien und Äthiopien 346 Menschen innerhalb von fünf Monaten ums Leben kamen.

Mit einem Minus von 6,9 Prozent gehörten Ceconomy-Titel zu den schwächsten Werten im SDax. Die angeschlagene Mutter der Elektronikketten Media Markt und Saturn verzichtet zur Stärkung des Eigenkapitals erneut auf eine Ausschüttung.

Der britische Konsumgüter- und Nahrungsmittelhersteller Unilever verdirbt seinen Aktionären mit seiner gesenkten Umsatzprognose den Appetit. Die Aktien gaben um bis zu 6,1 Prozent nach und fielen auf den niedrigsten Stand seit Mitte April. Der Produzent von Ben & Jerry's-Eiscreme und Dove-Duschgel rechnet damit, dass der Umsatz im laufenden Jahr etwas weniger stark zugelegt hat als bislang angenommen, und verwies auf Schwächen in Südasien und Nordamerika.

rtr