Am Montagvormittag lagen die Anteilsscheine des Essenslieferdienstes Delivery Hero mehr als drei Prozent im Minus bei 38,8 Euro. Die Kursverluste summieren sich damit in nur drei Handelstagen auf etwa 42 Prozent.

HSBC-Analyst Andrew Porteous hat die Aktie von Delivery Hero von "Buy" auf "Hold" abgestuft und das Kursziel von 145 Euro auf 46 Euro gesenkt. Damit kappte nun ein weiterer Experte seine Kaufempfehlung auf das Papier. Das vom Management angestrebte globale Wachstum sei unnötig und lasse Sorgen über die Liquidität des Unternehmens aufkommen, schrieb er in seiner aktuellen Studie. Er sei baff, dass Delivery Hero mit einer Transaktion wie der Mehrheitsübernahme an Glovo, die nur wenig zum Bruttowarenwert (GMV) beitrage, das Unternehmen gefährlich nahe an den Rand der Zahlungsfähigkeit bringe. Sollte das Unternehmen seine Ziele erreichen, erscheine die Aktie günstig - allerdings sei die Glaubwürdigkeit des Unternehmens ernsthaft beschädigt.

Der massive Kursverfall beim Essenslieferdienst Delivery Hero um über 40 Prozent an den vergangenen Handelstagen könnte in den kommenden Tagen und Wochen noch weitreichende Folgen haben. So droht dem Konzern aufgrund des pulverisierten Börsenwerts der Rauswurf aus dem DAX. Seit Herbst hat die Aktie rund zwei Drittel ihres Wertes verloren, die Marktkapitalisierung lag zuletzt noch bei rund zehn Milliarden Euro, der für die Index-Notiz zurechenbare Streubesitz bei rund sieben Milliarden Euro. Mit einer Marktkapitalisierung von fast 27 Milliarden Euro könnte der vom Daimler-Konzern abgespaltene Nutzfahrzeughersteller Daimler Truck bei der nächsten Indexüberprüfung der Deutschen Börse Anfang März dagegen in den DAX aufsteigen.

Wie Indexexperte Luca Thorißen von der Stifel Europe Bank in Frankfurt erläuterte, sei es denkbar, dass Delivery Hero statt wie bislang angedacht Beiersdorf den DAX verlassen müsse. Dies sei davon abhängig, ob Delivery Hero in den nächsten Tagen und Wochen auf dem Kursniveau von etwa 40 Euro bleibt, oder ob eine Gegenbewegung auf etwa 50 Euro gelingt. Der Konsumgüterkonzern Beiersdorf hat derzeit eine Marktkapitalisierung von 19 Milliarden Euro.

Delivery Hero war erst Mitte 2020 in den DAX aufgestiegen und hatte dort den in einen Bilanzskandal verwickelten Zahlungsdienstleister Wirecard ersetzt. Das Delivery-Hero-Drama hat inzwischen auch die Finanzaufsicht Bafin auf den Plan gerufen. Die Finanzmarktaufseher sehen sich die Handelsaktivitäten "routinemäßig" an, wie es heißt. Diese Prüfung umfasse auch "mögliche Verstöße gegen Transparenzpflichten", sagte ein Sprecher gegenüber der "Wirtschaftswoche".

Der Kurssturz nahm seinen Lauf, nachdem der Essenslieferdienst am Donnerstag Zahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr veröffentlicht hat. Demnach rechnet der Konzern mit langsamerem Umsatzwachstum und höheren Verlusten als erwartet. Die Aktie war daraufhin um 31 Prozent auf 46 Euro abgestürzt und hatte am Donnerstag ihre Talfahrt um weitere zwölf Prozent auf 40 Euro fortgesetzt.

Unterdessen haben auch zahlreiche Analysten ihre Kursziele gesenkt - trotz weiter guter Rahmenbedingungen für die Branche, was den Delivery-Hero-Vorstand in Erklärungsnot bringe, wie es beispielsweise bei Goldman Sachs hieß. Die meisten Analysten hatten in den vergangenen Wochen die Aktie zum Kauf empfohlen. Die Kursziele lagen dabei zwischen 100 und 180 Euro. Goldman Sachs, Barclays, JP Morgan und Bernstein Research reduzierten nach den Zahlen ihre Kursziele, behielten aber ihre Kaufempfehlungen bei. Goldman Sachs sprach von unverändert guten Rahmenbedingungen für die Branche. Bei Barclays hieß es, man sei weiterhin überzeugt vom Geschäftsmodell. Es handle sich bei Delivery Hero jedoch um eine "weitere Internet-Aktie mit einem vorübergehenden Problem". Die DZ-Bank blieb bei ihrer zuvor schon eingenommenen "Halte"-Empfehlung, reduzierte das Kursziel aber von 94 auf 50 Euro. Nach dem Ausverkauf spiegele der Aktienkurs die Risiken angemessen wider, erklärte der DZ-Bank-Analyst Manuel Mühl.

ehr/iw/dpa-AFX