Jeder Börsencrash ist anders. Die Corona-Krise ragt durch rasante Geschwindigkeit heraus: Innerhalb von 16 Tagen stürzten die Kurse um mehr als 20 Prozent in die Tiefe. Selbst in den epochalen Krisenjahren 1929 und 1987 fielen die Notierungen der US-Börsen beileibe nicht so schnell wie jetzt im März.

Die Ausschläge bleiben extrem, das gilt auch für die Erholungen: Der DAX legte am Dienstag um elf Prozent zu und feierte damit seinen größten Tagesgewinn seit Oktober 2008. Der Dow Jones verzeichnete mit einem ähnlichen Plus sogar seinen besten Tag seit 1933.

Während einige Börsianer auf ein Ende der Krise spekulieren, überschlagen sich Ökonomen mit finsteren Einschätzungen der aktuellen Lage: Das Ifo-Institut kalkuliert, dass der deutschen Wirtschaft bei drei Monaten Stillstand ein Schaden von bis zu 729 Milliarden Euro entstünde. Die Produktionsausfälle würden schon bei einem Shutdown von mehr als einem Monat schnell Dimensionen erreichen, die deutlich jenseits der Wachstumseinbrüche liegen, die aus früheren Rezessionen der Bundesrepublik bekannt sind.

Auch der Schaden für die Unternehmen ist gewaltig: "Wir glauben, dass ein Rückgang von 40 Prozent in diesem Jahr das Mindeste sein dürfte, was man bei den Gewinnen unterstellen muss", kalkuliert die Privatbank M.M. Warburg für die DAX-Konzerne.

Hoffnung wecken hingegen vor allem die massiven Rettungsprogramme der Staaten. Allein die USA wollen Unternehmen und Privathaushalte mit einem zwei Billionen Dollar schweren Paket unterstützen. Diese Summe ist zweieinhalb Mal so groß wie das Hilfspaket der Obama-Regierung inmitten der Finanzkrise. Die deutsche Bundesregierung will 750 Milliarden in den Wirtschaftskreislauf pumpen, um die Schäden der Epidemie zu mildern. Die Notenbanken haben ihre Geldpolitik bereits extrem gelockert und fluten die Finanzwelt mit billigem Geld.

Die Hilfsprogramme sollen den Boden für eine schnelle Stabilisierung der Wirtschaft bereiten: "Nach der tiefen Rezession infolge des Coronavirus- Schocks im ersten Halbjahr könnten Nachholeffekte, die geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen und der niedrige Ölpreis in der zweiten Jahreshälfte eine spürbare Erholung auslösen", beschreibt die Berenberg Bank das optimistische Szenario.

Extreme Lösungen


Gute Nachrichten im Kampf gegen das Virus kommen fast ausschließlich aus China. Dort ist die Zahl der Neuinfektionen offenbar nahe null. Das Leben normalisiert sich, die Industrieproduktion wird wieder hochgefahren (s. S. 20). Davon dürfte auch Deutschland als wichtiger Handelspartner profitieren. Viele andere Staaten befinden sich dagegen weiter im Notstand. In den USA zieht die Katastrophe wohl erst herauf. So sieht man selbst auf dem Times Square im Herzen von New York, in normalen Zeiten einer der hektischsten Plätze der Welt, nur mehr vereinzelt Menschen.

Unternehmen greifen zu drastischen Maßnahmen, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Beim deutschen Energieversorger Eon seien systemkritisch notwendige Mitarbeiter bereit, unter "kasernierungsartigen Lösungen" zu leben und zu arbeiten, berichtet Konzernchef Johannes Teyssen. Nach der Gesundheit der Mitarbeiter hat die Sicherung der Liquidität höchste Priorität. Mit dem Flugzeugbauer Airbus und dem Flughafenbetreiber Fraport haben zwei weitere Unternehmen aus der besonders hart getroffenen Luftfahrtindustrie ihre Dividende gestrichen. Auch andere Branchen stehen unter Druck: Bei den Ausschüttungen europäischer Unternehmen drohe der größte Rückgang seit der globalen Finanzkrise, warnt die Investmentbank Morgan Stanley.

Die deutschen Topkonzerne gehen zumindest mit erheblichen Reserven in die Krise: Die Firmen des DAX hatten nach Berechnung der Unternehmensberatung EY zum Jahreswechsel liquide Mittel in Höhe von mehr als 99 Milliarden Euro in den Bilanzen. "Die DAX-Unternehmen verfügen mehrheitlich über hohe, wenngleich natürlich nicht unbegrenzte Barreserven", urteilt EY.

Liquide Mittel sind nur eine von vielen Größen, die für die Widerstandskraft eines Unternehmens in schwierigen Zeiten wichtig sind. €uro am Sonntag hat in der Datenbank des Finanzdienstes Bloomberg nach Firmen mit starken Bilanzen gesucht - mit hohen Cashreserven, einer niedrigen Verschuldung und einer starken Marktposition innerhalb ihrer Branche.

Nachfolgend stellt die Redaktion von Euro am Sonntag sieben internationale Aktien vor, die die Pandemie-Krise gut überstehen und langfristig überdurchschnittliche Perspektiven bieten sollten. Dazu stellen wir vier krisenerprobte Investmentfonds vor, denen Anleger auch jetzt vertrauen können.

Activision Blizzard:


Die Coronavirus-Pandemie hat Amerikas Profi-Ligen im Basketball (NBA) und Eishockey (NHL) gestoppt. In Fahrt kommen in dieser Zeit eingeschränkter Sozialkontakte indes Computerspiele via Web und Stream und Amerikas E-Sport-Ligen. Die Turniere, in denen professionelle Gamer in Teams um hohe Preisgelder spielen, sind ähnlich professionell organisiert wie NHL und NFL.

Amerikas größter Videospiele-Entwickler Activision Blizzard ist mit seiner E-Sport-Liga Overwatch gut im Geschäft. Weltweit bekannt sind die Kalifornier aus Santa Monica mit Spielen wie "Call of Duty" und "World of Warcraft". Soeben hat der Konzern mit "Warzone" eine Version von "Call of Duty" veröffentlicht, die bis zu 150 Gamer via Web gleichzeitig spielen können. Sobald sich "Warzone" etabliert hat, trauen Analysten dem Spiel 500 Millionen Dollar Erlöse zu. Weil Gamer während des Spiels Ausrüstung und Fähigkeiten für ihre virtuellen Figuren online erwerben, sollte das ein regelmäßiger Geldstrom für Activision werden. In der Kasse liegen zudem 5,4 Milliarden Euro Cash. Das ist fast so viel wie der Umsatz 2019 und mehr als die Schulden.

Apple:


Apple ist reich, sehr reich. Der Entwickler des iPhone aus Cupertino ist so vermögend wie kein anderes Unternehmen. Am Ende des vergangenen Geschäftsjahrs verfügte der Technologiekonzern über 206 Milliarden Dollar Cash, in Euro knapp 192 Milliarden. Das ist mehr als die 173 Milliarden Euro Jahresumsatz des Autobauers Daimler. Apple zählt mit Amazon, Googles Mutterkonzern Alphabet, Facebook, Microsoft und Cisco zur Top-Liga der Technologiekonzerne, die Abschwünge gut überstehen. Die Riesen könnten bis zu 24 Monate auskommen, ohne am Kapitalmarkt Geld aufnehmen zu müssen. Das würde ihre Premiumbonität nicht gefährden, so Analysten von Bloomberg Intelligence.

Wegen der Auswirkungen von Corona erwägt Apple eine Verschiebung des Debüts seines ersten 5G-Handys im Herbst um einige Monate, berichtet Japans Wirtschaftszeitung "Nikkei". Das wäre zu verkraften. Apple arbeitet hochprofitabel. Um höhere Margen einzufahren, will der Konzern bald eigene Chips für den 5G-Mobilfunk und einen geringen Stromverbrauch einsetzen. Apple übernahm dazu Standorte und Ingenieure von Intel und Dialog Semiconductor.

Beiersdorf:


Aktionäre von Beiersdorf haben sich daran gewöhnt: Seit zwölf Jahren stagniert die Dividende des Konsumgüterherstellers. Für das vergangene Jahr soll nur jeder fünfte Euro Gewinn ausgeschüttet werden. Gleichzeitig horten die Hamburger Geld: Die Nettoliquidität betrug zum Jahreswechsel 4,25 Milliarden Euro. Die Eigenkapitalquote liegt bei 61 Prozent.

Der chronische Geiz der Hanseaten sorgt in Boomphasen der Börse für Verdruss - in Krisenzeiten dagegen ist Beiersdorf als defensive Festung gefragt. Im Kerngeschäft Kosmetik bedienen viele Produkte des Konzerns den täglichen Bedarf. Die zyklische Klebstoffsparte macht weniger als ein Fünftel des Umsatzes aus und kann darum keinen allzu großen Schaden anrichten.

Fuchs Petrolub:


Dem weltweit größten konzernunabhängigen Anbieter von Hochleistungsschmierstoffen macht die Nachfrageschwäche in der Autoindustrie zu schaffen. Mögliche Auswirkungen der Corona-Pandemie kommen noch dazu. Dennoch will Chef Stefan Fuchs bei der Dividende die Serie mit 18 Erhöhungen in Folge fortsetzen. Trotz Gewinnrückgangs 2019 sollen 97 Cent pro Vorzugsaktie ausgeschüttet werden, zwei Cent mehr als im Vorjahr.

Größere Abschwünge wie die Finanzkrise meisterte das Familienunternehmen gut. 2019 investierte es die Rekordsumme von 154 Millionen Euro in den Ausbau des Geschäfts. Dennoch stiegen die Cashreserven von 195 auf 219 Millionen Euro. Die Bilanz ist nahezu schuldenfrei. Die Eigenkapitalquote liegt bei 77 Prozent. Damit sind 152 Millionen Euro langfristige Verbindlichkeiten keine nennenswerte Belastung. Ihre führende Position im Markt halten die Mannheimer durch ihr Know-how.

Microsoft:


Seit dem Ausbruch der Pandemie arbeiten weltweit viele Mitarbeiter via Computer und Telefon von zu Hause aus. Das bescherte Microsoft binnen einer Woche 37 Prozent mehr Nutzer für seine Bürokommunikations-Software Teams. Die App mit Chats und Videokonferenzen nutzen inzwischen mehr als 44 Millionen Anwender, gab Chef Satya Nadella bekannt. Sechs neue Unternehmenskunden mit jeweils mehr als 100.000 Nutzern seien in der Woche hinzugekommen.

Mit voraussichtlich hohen zweistelligen Zuwächsen wird Teams bei Microsofts Quartalsbilanz am 22. April ein wichtiges Thema sein. Office 365, die Cloud-Version von Microsofts Bürosoftwarepaket, solle ebenfalls deutlich zulegen. Von einer möglichen Kürzung der IT-Budgets ist der Konzern aus Redmont im US-Bundesstaat Washington als weltweit zweitgrößter Cloud-Anbieter weniger betroffen, schätzen die Experten von Bloomberg Intelligence. Sie erwarten, dass Microsoft seine Marktanteile ausbauen wird. Mit knapp 125 Milliarden Euro in Cash und kurzfristig verfügbaren Wertpapieren spielt der Konzern bei der Bonität und Absicherung in der gleichen Liga wie Apple.

Roche:


Ab April wird der Schweizer Pharmariese in einer klinischen Phase-III-Studie die Wirkung seines Arthritis-Medikaments Actemra in der Behandlung von schweren Lungenerkrankungen in Folge einer Corona-Infektion testen. Ein Erfolg bei den Behandlungen würde das Geschäft des Basler Konzerns deutlich voranbringen. Währenddessen läuft bis 2023 der Patentschutz vieler Arzneien von Roche aus. Analysten schätzen die Umsatzeinbußen daraus auf mehr als 9,5 Milliarden Euro in vier Jahren. Sie trauen Roche aber zu, die große Delle auszugleichen. 2023 soll der Umsatz um ein Fünftel höher liegen als 2019. Mit mehr als 78 Milliarden Euro Reserven ist der Konzern im Besitz der Gründer- dynastie Hoffmann für Turbulenzen gewappnet. Die regelmäßigen Erhöhungen der Dividende, für die Anleger Roche schätzen, dürften Bestand haben.

SAP:


Der Softwareentwickler ist voraussichtlich nicht immun gegen Corona. Das Geschäft des weltweit größten Anbieters von Firmenprogrammen wird von Kürzungen und Verschiebungen in den IT-Budgets der Unternehmen betroffen sein, erwarten Experten von Bloomberg Intelligence. Ein Grund dafür sei der mit 44 Prozent hohe Umsatzanteil europäischer Firmenkunden.

Anleger sollten das aber gelassen nehmen und größere Kursschwächen zum Kauf nutzen. Der wertvollste Konzern im DAX verfügt über ein breites Portfolio Cloud-fähiger Programme zur Steuerung der Prozesse in Firmen aus vielen Branchen. Die Verschuldung bezogen auf den operativen Gewinn ist gering. Auch Cashreserven von mehr als fünf Milliarden Euro sind ein Sicherheitsfaktor. Bei der Profitabilität seiner Cloud-Sparte traut sich SAP zu, das mittelfristig avisierte operative Margenziel von 75 Prozent zu übertreffen.

Investor-Info

Rekord
Schnellster Absturz


Wenn der Aktienmarkt nach einem Rekordhoch um 20 Prozent fällt, sprechen Börsianer von einem Bärenmarkt. Im März durchbrach der breite amerikanische Aktienindex S & P 500 diese Schwelle innerhalb von 16 Tagen. Das Tempo des Corona-Crashs ist damit noch rasanter als das der Krisen 1929 und 1987.

Reserven
Gutes Polster


Die DAX-Konzerne hatten zum Jahreswechsel 99,4 Milliarden Euro an Zahlungsmitteln und Zahlungsmitteläquivalenten in ihren Bilanzen. 46,7 Milliarden davon liegen bei den vier Autokonzernen des Index. Die größte Summe hat Volkswagen in Reserve.

Regionen
Asien als Anker


Viele asiatische Länder, darunter China, haben die Corona-Krise weitgehend überstanden. Das hilft auch deutschen Unternehmen: Die DAX-Konzerne erzielten 2019 knapp ein Fünftel ihres Umsatzes in Asien. Der mit Abstand wichtigste Markt ist aber Europa.