Die Nachricht kam überraschend für Deutschlands zweitgrößten Automobilzulieferer. Nach elf Jahren an der Konzernspitze verlässt Elmar Degenhart Continental zum 30. November. Aus gesundheitlichen Gründen, schreibt der 61-jährige Manager. Degenhart, 2009 im Zuge der missglückten Übernahme Continentals durch den Konkurrenten Schaeffler auf den Posten des Vorstandsvorsitzenden befördert, gelang es rasch, den hoch verschuldeten Konzern zu stabilisieren und in die Erfolgsspur zurückzuführen. Es folgten unaufgeregte, erfolgreiche Jahre.

2018 war es wiederum Degenhart, der Continental mit dem Programm "Transformation 2019-2029" einen tiefgreifenden Strukturwandel verordnete, um sich den veränderten Anforderungen der Industrie durch Digitalisierung und E-Mobilität anzupassen. Damit kam unter anderem auch die Abspaltung der Antriebssparte Vitesco auf die Agenda. Der Abbau von weltweit 30.000 Stellen wurde beschlossen. 13.000 davon sollen in Deutschland wegfallen. Kritik gab es von mehreren Seiten. Den einen ging der Umbau nicht schnell genug, Arbeitnehmervertreter und Teile der Politik brachte Degenhart gegen sich auf, als bekannt wurde, dass ein Reifenwerk in Aachen geschlossen werden sollte. Dabei verdient die Reifensparte Geld.

Nun muss sein Nachfolger den ohnehin über die aktive Zeit Degenharts hinaus angelegten Umbau bis ins Jahr 2029 fortführen. Dem Vernehmen nach wird eine interne Besetzung favorisiert. Als Favorit gilt der 49-jährige Nicolai Setzer. Der Wirtschaftsingenieur kam 1997 zu Continental und arbeitete in verschiedenen Funktionen, überwiegend im Reifengeschäft. Im Vorstand, dem er seit 2009 angehört, ist er Sprecher des Automotive Boards. Mit der Berufung des neuen Vorstandsvorsitzenden wird auf der nächsten regulären Aufsichtsratssitzung am 12. November gerechnet.

Die vorläufigen Eckdaten zum dritten Quartal von Ende Oktober belegen jedenfalls die schwierige Situation, in welcher der Konzern steckt. Der Umsatz ging in einer erwarteten Größenordnung von gut sieben Prozent zurück. Überraschend gut war dagegen die operative Marge (Ebit-Marge) von 8,1 Prozent für den gesamten Konzern. Belastet wurde das Quartalsergebnis von Restrukturierungsaufwendungen und Wertminderungen auf Sachanlagen in Höhe von 687 Millionen Euro. Auch im vierten Quartal werden wieder Umbaukosten anfallen, und es droht nach 2019 abermals ein Jahresverlust.

Belastungsdreiklang

Continental ist kein Einzelfall. Die gesamte Automobilbranche und mit ihr die Zulieferindustrie steht von drei Seiten unter Druck. Zum einen erfordert die Digitalisierung im Automobilbau hohe, kostenintensive Forschungsanstrengungen. Andererseits verringert der Wandel zur E-Mobilität die Margen und erfordert viel Geduld. Auf die Frage, wie viel, verweisen die Automotive-Experten von Union Investment auf das Beispiel Toyota. Der japanische Autobauer erwartet, erst mit der zweiten Generation der E-Autos Ende 2021 die Gewinnschwelle zu erreichen. Ab 2025/26 erhoffen sich die Japaner dann eine positive operative Marge von den Stromern. Ähnlich dürfte es sich bei den deutschen Automobilbauern verhalten.

Damit nicht genug, erschwert die Pandemie die Produktion und lässt den Absatz einbrechen. Die Hersteller und Zulieferer sind gezwungen, sich zumindest in Teilen neu zu erfinden, neue Produkte zu entwickeln, alte allmählich aufzugeben, um die Chancen, die sich aus den Veränderungen ergeben, nutzen zu können.

Unabhängiger werden

Nach einem leicht besser als erwarteten ersten Quartal des Geschäftsjahrs 2020/21 (Juni bis August) scheint sich das Geschäft bei Hella auch im laufenden Quartal recht positiv zu entwickeln. In einem Interview sprach Konzernchef Rolf Breidenbach von einem erfreulichen Absatz im September und Oktober. Und auch der Ausblick auf November sei solide.

Der westfälische Spezialist für Lichtsysteme und Fahrzeugelektronik hat eine klare Vorstellung von seiner zukünftigen Entwicklung. Der Konzern will seine Abhängigkeit von den Produktionszahlen leichter Automobile durch entsprechende Zukäufe verringern und das Geschäft mit Sensoren stärken. Während die Quote für Forschungsausgaben nahezu stabil gehalten wird, verringert Hella die Zahl seiner Mitarbeiter. Allein im vergangenen Geschäftsjahr wurde die Stammbelegschaft um rund 6,5 Prozent auf gut 36.000 gesenkt.

Traditionell näher am Verbrenner

Der Zulieferer Schaeffler ist mit seiner Produktpalette historisch weitaus stärker mit dem Verbrennungsmotor verbunden als etwa Continental oder Hella. Allerdings hat man bei den Franken schon Ende 2016 relativ frühzeitig die Notwendigkeit erkannt, sich auf neuen Geschäftsfeldern positionieren zu müssen und begonnen, die Bereiche neue Antriebskonzepte, autonomes Fahren und Industrie 4.0 aufzubauen. Der Unternehmensbereich "E-Mobilität" und das Geschäftsfeld "Industrie 4.0" wurden gegründet.

Schaeffler geht davon aus, dass bis zum Jahr 2030 rund 60 Prozent der produzierten Automobile reine Elektrofahrzeuge sein werden. Im vergangenen Jahr kam das Segment E-Mobilität auf einen Umsatzanteil von 7,5 Prozent (676 Millionen Euro) des Bereichs Automotive, der 2019 neun Milliarden Euro Umsatz bei einem Konzernumsatz von etwa 14,4 Milliarden Euro erwirtschaftete. Besser noch sieht es beim Auftragseingang aus, der im Geschäftsjahr 2019 für den Bereich E-Mobilität bei etwa vier Milliarden Euro gelegen hat. Ein Zeichen, dass die angestrebte Positionierung vorankommt.

Es sieht gar nicht so düster aus für die deutsche Automobilbranche, wie es manchem erscheinen mag. Trotz aktuell vielfältiger Belastungen ergeben sich für die innovationsstarken Unternehmen auch Chancen, wenn die Nachfrage nach individueller Mobilität weltweit hoch bleibt. Mit zunehmenden Stückzahlen aufgrund staatlicher Kaufanreize und gestiegenen Umweltbewusstseins lassen sich Entwicklungskosten besser refinanzieren und die Produktionskosten senken.
 


INVESTOR-INFO

Hella

Gut positioniert

Der Spezialist für Lichtsysteme und Sensortechnik ist mit seinen Produkten gut unterwegs, leidet aber wie die Gesamtbranche unter der aktuellen Absatzschwäche. Schaut man jedoch auf die steigenden Ausstattungsquoten bei Fahrerassistenzsystemen, die höhere Nachfrage nach LED-Scheinwerfern und den Ausbau der E-Mobilität insgesamt, dürfte Hella in den kommenden Quartalen mit Belebung der Nachfrage und dem Anlaufen neuer Modelle profitieren.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 47,00 Euro
Stoppkurs: 33,00 Euro

Continental

Umbau im Gang

Es muss kein Nachteil sein, dass ein jüngerer CEO sich um den auf lange Sicht angelegten Transformationsprozess kümmert. Die noch immer ausstehende Trennung von der Antriebssparte ist ein wichtiger Schritt, sich von der alten Technik zu lösen und verstärkt Zukunftsfelder zu besetzen. Die starke Automotive-Sparte gepaart mit dem profitablen Reifengeschäft dürfte mit Wiederbelebung des Automobilmarkts Anlegern Freude machen.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 105,00 Euro
Stoppkurs: 74,00 Euro

Schaeffler

Langer richtiger Weg

Das Unternehmen aus Herzogenaurach hat einen weiten Weg relativ frühzeitig begonnen. Die Produktpalette war sehr eng mit dem Verbrennungsmotor verbunden. Doch die ersten Erfolge des Umbaus, vor allem auf dem Zukunftsfeld E-Mobilität, können sich sehen lassen. Allerdings ist der Wechsel eine Gratwanderung, denn mit den ausgereiften Produkten lässt sich noch eine Weile gutes Geld verdienen, ohne hohe Forschungskosten und -risiken. Anleger warten ab.

Empfehlung: Beobachten
Kursziel: 6,00 Euro
Stoppkurs: 4,75 Euro