Der Nominierungsausschuss des Kontrollgremiums hatte zuvor einstimmig beschlossen, den prominenten Wirtschaftsanwalt zum Rückzug aufzufordern, wie eine mit dem Vorgang vertraute Person am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters sagte. Thomas Aufsichtsratskollegen hätten das Vorgehen dann am Donnerstag in einer Telefonkonferenz einhellig gebilligt. Kurz darauf kündigte Thoma seinen Rücktritt an.

Die Anspannung vor der Hauptversammlung am 19. Mai sei groß, sagte ein Deutsche-Bank-Insider. Investoren wollen die Fehde im Aufsichtsrat auf dem Aktionärstreffen thematisieren. Es müsse geklärt werden, ob Thoma mit seinen Prüfungen übers Ziel hinausgeschossen sei oder ob der Wille der Bank bei der Aufarbeitung von Affären nachlasse, sagte Klaus Nieding von der Aktionärsvereinigung DSW. "Wir werden nicht zulassen, dass das Rad bei der Aufklärung von Skandalen zurückgedreht wird." Auch die Aufsichtsbehörden wollen sich den Wechsel sehr genau ansehen, betonte ein Bankenaufseher. Bisher sei jedoch kein Bedarf erkennbar, einzugreifen.

Mehrere Aufsichtsratsmitglieder werfen Thoma Übereifer bei der Aufklärung von Skandalen vor. "Oft entstand der Eindruck, dass Herr Thoma nicht an einer Lösung interessiert ist, sondern lieber noch mal die Untersuchung der Untersuchung angestrengt hat", sagte ein Insider. "Es gab ein Klima des Misstrauens." Deutsche-Bank-Betriebsratschef Alfred Herling und Ex-SAP -Chef Henning Kagermann, die beide im Kontrollgremium des Instituts sitzen, hatten das Vorgehen Thomas vergangenen Sonntag offen kritisiert - ein außergewöhnlicher Vorgang in der deutschen Unternehmenslandschaft.

"Man sieht das Maß der Verzweiflung, wenn sich ausgerechnet ein besonnener Mann wie Henning Kagermann äußert", sagte Nieding. "Es ist ein Unding, dass sich der Aufsichtsrat über das Maß der Aufsicht nicht mehr einig ist." Der Rücktritt Thomas sei angesichts der internen Konflikte aber richtig. Die Deutsche Bank versprach, bei der Aufklärung von Affären nicht nachzulassen. Thoma habe Prozesse aufgesetzt, die für die Bank von großer Bedeutung seien und die weiter genutzt würden, erklärte Chefkontrolleur Paul Achleitner. "Der Aufsichtsrat ist fest entschlossen, mögliche Verfehlungen auch künftig konsequent aufzuarbeiten und daraus die Lehren für die Zukunft zu ziehen."

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KANN ACHLEITNER DIE HAUPTVERSAMMLUNG LEITEN?



Thoma wird sein Amt als Aufsichtrat satzungsgemäß nach einer einmonatigen Frist zum 28. Mai 2016 niederlegen - bei der Hauptversammlung kann er somit noch mit von der Partie sein. Als Vorsitzender des Integritätsausschusses tritt der Jurist, von dem am Freitag keine Stellungnahme zu erhalten war, mit sofortiger Wirkung zurück. Seine Nachfolgerin auf diesem Posten wird vorübergehend die US-Juristin Louise Parent. Das Gremium ist unter anderem für die Aufarbeitung von Skandalen zuständig.

Diese werden auch auf der Hauptversammlung der Bank ein großes Thema sein. Auf Antrag einer Aktionärin soll darüber abgestimmt werden, ob Schadensersatzansprüche gegen Achleitner, andere Aufsichtsräte und Vorstände wegen des Zinsmanipulations-Skandals (Libor) im Rahmen einer Sonderprüfung untersucht werden. Die Bank hatte in der Libor-Affäre 2015 eine höhere Geldbuße zahlen müssen, weil die britischen Behörden dem Institut mangelhafte Kooperation vorwarfen.

Bei den Frankfurtern laufen Insidern zufolge schon länger interne Prüfungen, die die Rolle des ehemaligen Vorstands sowie des Aufsichtsrats in der Libor-Affäre untersuchen. Sollte die Untersuchung zum Verhalten des Aufsichtsrats bis zur Hauptversammlung nicht abgeschlossen sein, müsste Achleitner fürchten, dass ihm die Aktionäre bei der Debatte über dieses Thema wegen Befangenheit die Versammlungsleitung entziehen. Das Geldhaus wollte sich dazu nicht äußern.

Bei der Deutschen Bank stellen sich viele erneut auf eine turbulente Hauptversammlung ein. Im vergangenen Jahr gab es heftige Kritik am Management der Bank - wenig später kündigten die Vorstandschefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen ihren Rücktritt an. Dieses mal warten viele mit Spannung darauf, wie die Aktionäre bei der Entlastung des Aufsichtsrats votieren.

Reuters