Neu ist etwas anderes: Deutsche Bank- Vorstandschef Cryan - vor anderthalb Jahren mit vielen Vorschusslorbeeren gestartet - ist ins Visier einiger unzufriedener Großaktionäre geraten. Sie wollen schneller Sanierungserfolge sehen und hoffen, dass der Brite die Strategie noch einmal überarbeitet, möglichst radikal. Schon im Frühjahr könnte es Finanzkreisen zufolge so weit sein. Cryan habe das Problem erkannt, berichten Insider.

Nach der Einigung mit den US-Behörden im Streit um Altlasten am US-Hypothekenmarkt - gerade noch rechtzeitig vor Weihnachten - hat Cryan endlich auch den Kopf dafür frei, glauben Analysten und Ratingagenturen. Die drei Milliarden Euro, die die Deutsche Bank dafür mindestens hinblättern muss, sind fast zweitrangig. Es sei auch höchste Zeit, dass Cryan sich um die Zukunft der Bank und nicht um die Vergangenheit kümmere, sagt einer der Top-10-Investoren der Bank im Gespräch mit Reuters. "Cryan hat zwar schon viel angestoßen. Aber er ist die Antwort schuldig geblieben, wie eine Erfolg versprechende Strategie aussieht. Dieses Herumlavieren reicht nicht mehr. Die Deutsche Bank muss ihr Profil schärfen." Ein anderer Top-10-Investor warnt unverhohlen, 2017 werde ein Entscheidungsjahr - auch für Cryan. Irgendwann sei die bloße Hoffnung auf bessere Zeiten erschöpft.

Allein in diesem Jahr hat die Deutsche-Bank-Aktie nochmals 22 Prozent verloren, während die Papiere der US-Konkurrenz regelrecht nach oben schossen und der Dax sieben Prozent zulegte. Europas Großbanken sind nicht in Bestform, aber selbst der europäische Bankenindex büßte seit Jahresbeginn nur sechs Prozent ein.

NÜCHTERNE BESTANDSAUFNAHME



Investoren wünschen sich zunächst eine ehrlich-nüchterne Bestandsaufnahme und ein Ende der Durchhalteparolen. "Im Investmentbanking hat die Deutsche Bank an Bedeutung verloren, das Privatkundengeschäft ist nicht profitabel genug", schimpft Helmut Hipper von der Fondsgesellschaft Union Investment, die in den letzten Jahren Aktien verkauft hat und nur noch zu den Top-20-Aktionären zählt. Die Rivalen Credit Suisse und Unicredit haben kürzlich vorgemacht, wie der neue Realismus aussehen kann: Die Schweizer kassierten ihre mittelfristigen Gewinnziele. Die Italiener verschärfen den Sparkurs und planen eine 13 Milliarden Euro schwere Kapitalerhöhung - die größte in der Geschichte des Landes.

Das sagt zwar noch nichts über das Geschäftsmodell der Zukunft. Aber die Institute kommen der Forderung der Aufseher nach, sich den neuen Marktbedingungen anzupassen: die Kosten müssen runter, die Kapitalpuffer hoch. Die Deutsche Bank beharrt bislang darauf, dass ihre Kapitalausstattung den Mindestanforderungen genügt. Ein Schrumpfkurs soll es richten: Die "Strategie 2020", die Cryan im Wesentlichen von seinem glücklosen Vorgänger Anshu Jain übernommen hat, sieht den Rückzug aus einigen unprofitablen Märkten und besonders kapitalintensiven Handelsgeschäften vor. Cryan setzte vor einem Jahr den Abbau von 9.000 Jobs im Konzern oben drauf - und hoffte, das würde reichen. Doch selbst die deutlich kleinere Commerzbank baut im Verhältnis zu ihrer Größe mehr Mitarbeiter ab.

"Inzwischen ist in den Deutsche-Bank-Türmen die Erkenntnis gereift, dass etwas Größeres kommen muss", berichtet einer, der Einblick in die Diskussionen auf der höchsten Führungsebene hat. Demnach steht Cryan zwar zur Universalbank. Er erwäge aber durchaus radikale Schritte wie die Vollintegration der unverkäuflichen Postbank. Das würde den Konzern um Einiges verkleinern. Im Kapitalmarktgeschäft müsste die Bank noch mehr abschneiden, um Luft aus der riesigen Bilanz zu lassen und Risiko herauszunehmen. Nun, da der Hypothekenvergleich da ist und Cryan weiß, was er sich überhaupt leisten kann, kann er auch handeln. Analysten hoffen, dass er den Aktionären seinen Plan spätestens im April präsentiert.

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NEUJAHRSWÜNSCHE



Auch deshalb ist es so wichtig, dass die Deutsche Bank den Hypothekenvergleich bald endgültig in trockene Tücher bringt. Dabei geht es um Tricksereien auf dem amerikanischen Immobilienmarkt in der Zeit vor der Finanzkrise, etwa um den Verkauf hochriskanter Anleihen. 14 Milliarden Dollar wollte das US-Justizministerium dafür zunächst haben. Das lähmte die Bank über Monate. Noch ist nichts unterschrieben, doch ist klar, dass der teure Deal noch vor dem Regierungswechsel in den USA am 20. Januar unter Dach und Fach kommt. Cryan hatte andernfalls eine Verzögerung bis weit ins neue Jahr hinein befürchtet.

Zumindest offiziell ist der Zuschnitt des Geschäfts in den USA nicht Bestandteil der Vereinbarung. Die Deutsche Bank plant dort ohnehin Einschnitte, etwa auf dem einst so lukrativen Verbriefungsmarkt, wolle den US-Rivalen im Investmentbanking aber nicht ganz das Feld überlassen. "Da wird noch gepokert", heißt es aus dem Aufsichtsrat. So mancher Großinvestor hat sehr konkrete Vorstellungen - und hofft, bei Cryan Gehör zu finden. "Wenn ich mir etwas wünschen dürfte: Eine refokussierte Investmentbank, mit Wurzeln in Europa und einem sehr schlanken US-Geschäft", sagt einer der Top-10-Aktionäre. "Das Privatkundengeschäft bitte ohne Postbank. Sämtliche Integrationsversuche sind in der Vergangenheit gescheitert. Warum sollte es dieses Mal klappen?"

rtr