Beide Seiten gaben sich damals einen Korb und wollten stattdessen ihre eigenen Hausaufgaben erledigen, bevor sie vielleicht irgendwann einmal gemeinsame Sache machen. Nun jedoch drängt Bundesfinanzminister Olaf Scholz die zwei letzten verliebenen deutschen Großbanken dazu, sich erneut tief in die Augen zu schauen. Aber auch dieses Mal ist völlig offen, ob daraus etwas wird.

"JA-WORT"


Es ist kein Traumpaar, das da zusammenkäme. Darüber sind sich die Banker am Finanzplatz Frankfurt einig. Eine Verbindung gliche eher eine "Zweck-Ehe" zweier Mauerblümchen. Diese würde wahrscheinlich per Aktientausch geschlossen. Banken-Experte Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim hält das für die "wahrscheinlichere Variante", sollte es zum Eheversprechen kommen. Über das exakte Tauschverhältnis entscheidet dann das Vermögen, das beide Partner zum Traualtar mitbringen.

An der Börse ist die Deutsche Bank in etwa doppelt so viel wert, wie die Commerzbank. Doch bei der Nummer 2 sitzt seit der Finanzkrise der Staat mit im Boot. Gut 15 Prozent gehören Olaf Scholz - der nach dem "Ja-Wort" vermutlich noch fünf Prozent an dem neuen Institut halten würde - wenn er dem frischvermählten Paar die Treue hält und sich nicht verabschiedet, sobald seine Arbeit als Trauzeuge getan ist.

Angesichts der stillen Lasten, die beide Eheleute bei der Hochzeit offenbaren müssten, wäre es sinnvoll, dass Scholz die Party nicht zu früh verlässt. Denn eine implizite Staatsgarantie hielte die übrigen Aktionäre bei der Stange. Schließlich könnten sich bei beiden Banken Kapitallöcher zeigen: In der Commerzbank schlummern etwa höchst wackelige Staatsanleihen in Milliardenhöhe, bei der Deutschen Bank ist der riesige Berg von komplexen Derivaten das Problem.

Für die dann notwendige Kapitalerhöhung müsste die Hochzeitsgesellschaft - allen voran die Ehrengäste, also die Großaktionäre - auch bereit sein, den Klingelbeutel kreisen zu lassen. Scholz könnte ihnen das versüßen, indem er für eine Bad Bank garantiert, in die die Risiken ausgelagert werden. "Das wäre eine Option, die man dann genau prüfen müsste", heißt es hinter vorgehaltener Hand von einem Investor.

Ganz ohne Opfer wäre die Großbankenehe aber ohnehin nicht zu haben. Zehntausende Jobs dürften dem Frankfurter "Ja-Wort" zum Opfer fallen, die Gewerkschaften laufen schon jetzt Sturm. Allerdings entstünde ein - wenigstens im nationalen Vergleich - respektables Institut mit einer Bilanzsumme von zwei Billionen Euro, rund 2500 Filialen und einem Anteil am hart umkämpften heimischen Bankenmarkt von 20 Prozent. Blickt man jedoch ins Ausland, wird aus dem Koloss schnell ein Zwerg.

"TODESKUSS"


Denkbar ist auch eine Übernahme der Kleinen durch die Große. Das wäre dann das Ende der Commerzbank - eine Art "Todeskuss". Doch die Kleine ist nicht billig zu haben. Die Commerzbank ist derzeit an der Börse 8,7 Milliarden Euro wert. Wollte Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing den Erz-Konkurrenten nun schlucken, müsste er dessen Aktionären vermutlich einen Aufschlag von etwa 20 Prozent zahlen, rechnet Bankenexperte Burghof vor. "Die Deutsche Bank müsste dann mehr als neun Milliarden Euro auf den Tisch legen." Mal eben aus der Portokasse zahlen? Undenkbar. "Das würde eine milliardenschwere Kapitalerhöhung erfordern - allein um den Übernahmepreis zu zahlen."

Ob die Aktionäre der Deutschen Bank nach den zahlreichen Kapitalerhöhungen der vergangenen Jahre nochmal bereit wären, tief in die Tasche zu greifen, ist ungewiss. Zumal bereits in den vergangenen Tagen zahlreiche wichtige Anteilseigner ihre Skepsis geäußert haben, ob ein Zusammenschluss der Institute überhaupt einen Sinn ergibt - egal ob in Form einer Übernahme oder im Rahmen einer Fusion. Dass Finanzminister Scholz seinen Anteil an der Commerzbank - mit einem Verlust zum Einkaufspreis - versilbert und dann teuer bei dem neuen Institut einsteigt, wäre politisch wohl kaum vermittelbar, schätzen Analysten.

"MEINS, DEINS, UNSERS"


Weil es bei beiden Banken schon länger nicht rund läuft, wäre auch ein Modell denkbar, bei dem sich beide Institute auf ihre jeweiligen Stärken konzentrieren: die Deutsche Bank auf große Kunden und das Kapitalmarktgeschäft, die Commerzbank auf die Privatkundschaft und den kleineren Mittelstand. Auf diese Weise entstünden zwei nationale Chamipons, die allerdings dann Teilbereiche an die jeweils andere Seite abgeben müssten - ein sehr kompliziertes Unterfangen.

Und ein solches Hin und Her würde viele Kunden vermutlich noch mehr verunsichern, als sie es wegen der seit vielen Monaten schwelenden Fusionsspekulationen ohnehin sind. Die Konkurrenz - Sparkassen und Genossenschaftsbanken, aber auch große Privatbanken wie die Münchener HVB oder die in Düsseldorf ansässige Deutschland-Tochter der britischen Großbank HSBC - steht jedenfalls in den Startlöchern. Auch ING-Deutschlandchef Nick Jue ist vor einer Fusion der beiden Konkurrenten nicht bange, ganz im Gegenteil: "Wenn das wirklich passiert, sind wir die zweitgrößte Bank in Deutschland. Normalerweise profitieren wir von Unruhe der Kunden."

"UNTER EINEM DACH"


Denkbar, wenn auch komplex und vermutlich recht teuer, wäre ein gemeinsames Haus - eine Holding. Geschäftsbereiche blieben getrennt und müssten nicht rechtlich miteinander verschmolzen werden. Vor allem für die Deutsche Bank ein wichtiges Argument, schließlich ist sie mit der Integration der Postbank in den Konzern gerade ausreichend ausgelastet. Karl von Rohr, Sewings Stellvertreter, hält eine solche Lösung allerdings für "enorm" teuer. Zudem gebe es eine ganze Menge "gesetzliche, steuerliche und regulatorische Hürden". Das liegt unter anderem daran, dass in einem solchen Konstrukt alles bilanziell völlig neu bewertet werden müsste - Kapitallöcher würden also sichtbar und müssten gegebenenfalls gestopft werden, genau wie bei einer echten Fusion per Aktientausch.

Doch ein solches Modell wäre vermutlich die krisensicherste Lösung, denn im Falle einer Schieflage könnten die einzelne Geschäftsbereiche einfacher abgewickelt oder verkauft werden. Vor einer ernsten Malaise der Deutschen Bank hat die Politik seit der Finanzkrise 2007/08 und seit dem Herbst 2016, als das Institut wegen einer Milliarden-Strafdrohung aus den USA taumelte, besonders große Angst. Weshalb Scholz auf eine Lösung drängt.

Allerdings: unter dem Dach einer Holding hätte die Deutsche Bank mehr Zeit, sich genau zu überlegen, wie ihre kränkelnde Investmentbank zurecht gestutzt werden kann und ob sie wirklich langfristig an der Fondstochter DWS festhalten will.

"WILDE EHE"
Womöglich schwierig umsetzbar, aber keineswegs undenkbar wäre auch eine Variante, die der Banken-Professor Jan Pieter Krahnen von der Universität Frankfurt ins Spiel bringt. Quasi wie in einer wilden Ehe könnten die beiden Banken nämlich alle jene Einheiten gemeinsam betreiben, die man nicht sieht, und sich gleichzeitig sichtbar Konkurrenz machen, wenn es darum geht, um die Kunden zu buhlen. "Es ist nachdenkenswert, die Backoffice- und Datenbereiche zusammenzulegen - und ansonsten weiter getrennt aufzutreten", meint Krahnen. "Dadurch hätte man Kostensynergien und würde verhindern, dass ein Nationaler Champion geschaffen wird, der im Krisenfall unbedingt vom Steuerzahler gerettet werden müsste."

Vorbilder für ein solches Konstrukt gibt es, etwa im Sparkassenlager. Dort haben die einzelnen Institute ihre IT schon vor Jahren zentralisiert und greifen inzwischen auf den gemeinsamen Dienstleister "Finanz-Informatik" zurück - ohne, dass irgendein normaler Kunde davon etwas mitbekommen würde.

"AUS UND VORBEI"


Als nicht unwahrscheinlich gilt unter Frankfurter Bankern das Szenario, dass Deutsche-Bank-Chef Sewing und Commerzbank-Boss Martin Zielke nach ein paar "Dates" dann doch wieder nach Hause gehen, und zwar jeder für sich alleine. Viel zu komplex sei das Projekt "Traumpaar", zu unterschiedlich die Kulturen der beiden Häuser und auch ihre Kundschaft, zu viele Opfer nötig für eine teure Hochzeit am Main. Von den Kosten einer Scheidung ganz zu schweigen, sollte die "Banken-Ehe" am Ende scheitern oder ein ausländischer Nebenbuhler die Pläne doch noch durchkreuzen. Für Heiratsvermittler Olaf Scholz wäre das wohl das Horrorszenario, sieht die Bundesregierung die Deutsche Bank doch als überaus bedeutsam für die deutsche Volkswirtschaft an. Bankenexperte Burghof bleibt da gelassener: "Die Deutsche Bank ist zu komplex. Das ist ihr Schutz gegen eine Übernahme durch eine ausländische Bank."

ere