Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt gegen Deutsche Börse-Chef Kengeter wegen Insiderhandels, weil er gut zwei Monate vor dem Bekanntwerden der Fusion mit der London Stock Exchange (LSE) in großem Stil Aktien von Deutschlands größtem Börsenbetreiber gekauft hat. Zu diesem Zeitpunkt habe er schon seit Monaten Gespräche mit der LSE geführt, erklärte die Behörde am Donnerstag. Aufsichtsratschef Joachim Faber stellte sich hinter seinen Vorstandschef. "Die Vorwürfe sind haltlos", ließ er am Mittwochabend mitteilen. Kengeter habe die Aktien etwa einen Monat vor der Aufnahme konkreter Fusionsverhandlungen mit der LSE gekauft.

Es geht um Deutsche-Börse-Aktien für 4,5 Millionen Euro, die Kengeter laut Geschäftsbericht im Dezember 2015 aus eigenen Mitteln kaufte. Gleichzeitig verpflichtete er sich, diese mindestens bis Ende 2019 zu halten. Das war die Voraussetzung dafür, dass er von der Deutschen Börse im Rahmen des Vergütungsprogramms zusätzlich sogenannte Co-Performance Shares für ebenfalls 4,5 Millionen Euro bekam. Deren Wertentwicklung hängt vom Konzernüberschuss in den kommenden fünf Jahren sowie von der Aktienrendite der Deutschen Börse im Vergleich zu anderen Finanzkonzernen ab. Ausbezahlt werden sie schrittweise ab 2019. Der Aufsichtsrat wollte Kengeter einem Insider zufolge durch das Programm langfristig an das Unternehmen binden. Die Compliance- und Rechtsabteilung habe den Aktienkauf vorab geprüft und grünes Licht gegeben. Kengeter selbst hat über den Aktienkauf im Januar 2016 in einem Zeitungsinterview offen gesprochen. Der Vermögensverwalter einer großen Bank habe die Aktien für ihn in drei Orders zu jeweils 20 000 Stück gekauft, sagte er damals, versehen mit klaren Preislimits. Das Problem: Nur weniger Wochen später machte die Börse die Fusionspläne mit der LSE öffentlich. Beide Aktienkurse zogen daraufhin deutlich an.

Um den Insiderhandelsverdacht zu klären, hatten Ermittler und Polizisten am Mittwochvormittag das Büro Kengeters in Eschborn bei Frankfurt sowie seine Wohnung im Frankfurter Westend durchsucht, wie die Staatsanwaltschaft bestätigte. "Das Unternehmen und der Vorstandsvorsitzende kooperieren in vollem Umfang mit der Staatsanwaltschaft", betonte die Deutsche Börse. Nach Erkenntnissen der Ermittler hatten die "Leitungsebenen" der Deutschen Börse und der LSE bereits im Juli/August 2015 über eine mögliche Fusion und sogar über den Sitz einer gemeinsamen Holding gesprochen. "Dem Beschuldigten wird zur Last gelegt, Mitte Dezember 2015 in Kenntnis dieser bis dato nicht veröffentlichten Vertragsgespräche, welche die Staatsanwaltschaft als Insiderinformation (...) wertet, Aktien der Deutsche Börse AG erworben zu haben." Faber stellte sich hinter den Vorstandschef: Er habe die Aktien im Rahmen eines Vergütungsprogramms gekauft, das vom Aufsichtsrat beschlossen worden und das bis Ende Dezember 2015 befristet gewesen sei.

Interessant ist, dass die Staatsanwaltschaft dem Verdacht auf Insiderhandel bereits seit fast einem Jahr nachgeht. Im Februar 2016 lösten Strafanzeigen gegen Kengeter, eine davon anonym, die Ermittlungen aus.

Die LSE will sich von den Ermittlungen gegen Kengeter nicht von dem Fusionsplan abbringen lassen. Die Londoner Börse begrüße die Rückendeckung Fabers für den Deutsche-Börse-Chef. "Wir freuen uns, weiter an der Vollendung der vorgeschlagenen Fusion zu arbeiten", sagte ein LSE-Sprecher. Die beiden Börsenbetreiber haben dabei aber noch hohe regulatorische Hürden zu überwinden, von der EU-Kommission bis zur hessischen Börsenaufsicht. Ein Knackpunkt ist, wo die fusionierte Börse ihren Sitz haben soll - zumal nach dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. Die Deutsche-Börse -Aktie gab am Donnerstag 1,2 Prozent nach, LSE verloren 0,8 Prozent.

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Einschätzung der Redaktion



Mit ihrer Fusion wollen die Deutsche Börse und LSE einen europäischen Börsenriesen bilden. Während sich die Aktionäre beider Unternehmen mit großer Mehrheit für den gut 25 Milliarden Euro schweren Zusammenschluss aussprachen, muss Konzern seitens Politik und Regulieren viel Gegenwind aushalten. Die Entschlossenheit beider Unternehmen ihre Verschmelzung angesichts der bisher durchstandenen Widrigkeiten fortzusetzen, ist daher wenig überraschend. Dass die Fusion aufgrund der Untersuchung platzt erscheint unrealistisch, dreht es sich doch um eine mögliche Straftat Kengeters und nicht des Unternehmens selbst. Doch auch ohne die Ermittlungen kann die Fusion noch an etlichen regulatorischen Hürden scheitern. Die Zustimmungen der EU-Wettbewerbshüter und der hessischen Börsenaufsicht stehen noch aus. Letztere hat große Bedenken gegen die Fusion. In Frankfurt sorgt zudem für Kritik, dass der rechtliche Sitz der Dachgesellschaft in London sein soll - insbesondere, seit die Briten den EU-Austritt ihres Landes vorbereiten.

Dennoch, sollte sich der Verdacht des Insiderhandels bestätigen, steht dem Vorstand sowie dem Aufsichtsrat als Kontrollgremium der Deutschen Börse eine große Personalrochade bevor. Hinzu kommen dann wahrscheinliche Anlegerklagen, die zu Millionenbelastungen führen könnten. Den Start des neuen Unternehmens würde das zwangsläufig belasten, soll doch Kengeter Chef der fusionierten Börsen werden. Da zudem mittlerweile viele der Fusionssynergien eingepreist scheinen, stufen wir die Aktie auf beobachten zurück und empfehlen einen engen Stopp zu setzen.

Kursziel: 85,00 Euro
Stoppkurs: 78,00 Euro