"Das war der stärkste Rückgang seit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 und der zweitstärkste Rückgang seit der deutschen Vereinigung", sagte Albert Braakmann vom Statistischen Bundesamt am Freitag bei der Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse. Exporte, privater Konsum und Investitionen gingen jeweils spürbar zurück, während höhere Staatsausgaben und die robuste Bauwirtschaft einen stärkeren Absturz verhinderten. Das dicke Ende kommt aber noch: Für das laufende zweite Quartal sagen Experten einen Einbruch von bis zu 18,5 Prozent voraus - den stärksten seit Bestehen der Bundesrepublik.

"Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie haben eine Rezession ausgelöst", erklärte das Bundeswirtschaftsministerium. Im Vergleich zu anderen großen Euro-Ländern fällt der Rückgang aber gering aus: Frankreich als die nach Deutschland zweitgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone stürzte um 5,8 Prozent ab, die Nummer drei Italien um 4,7 Prozent. Die Euro-Zone insgesamt schrumpfte um 3,8 Prozent.

"BLUTIGE NASE HOLEN WIR UNS NOCH"


Das liegt vor allem am guten Jahresauftakt: Im Januar und Februar zeigten viele Indikatoren noch eine deutliche Belebung der deutschen Wirtschaft an. Das hat sich mit den im März beschlossenen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus schlagartig verändert: Geschäfte, Hotels und Restaurants mussten schließen, Fabriken machten dicht, Veranstaltungen wurden abgesagt. "Wenn ein halber Monat ausreicht, eine derart gute wirtschaftliche Entwicklung in den ersten beiden Monaten zu pulverisieren, dann kann man sich ohne viel Fantasie ausmalen, wie schlimm das zweite Quartal werden wird", sagte DekaBank-Experte Andreas Scheuerle. "Die blutige Nase holen wir uns noch."

Der Abwärtstrend werde sich im Frühjahr "zunächst noch verstärken", erwartet auch das Wirtschaftsministerium. Die Commerzbank rechnet mit einem Minus von mehr als elf Prozent, während die Deutsche Bank einen Einbruch von 14 Prozent zum Vorquartal voraussagt. Der Deutschland-Chefvolkswirt von UniCredit, Andreas Rees, rechnet gar mit einem Absturz von 18,5 Prozent. Allein im April, als der Shutdown voll griff, dürfte die Wirtschaft um mehr als ein Viertel eingebrochen sein. "Hoffen wir, dass wir uns irren", sagte Rees zu den düsteren Prognosen, für die er sich unter anderem auf die Fahrleistung der mautpflichtigen Lastkraftwagen auf den Autobahnen stützt. Der Lieferverkehr kann Hinweise über den Bedarf an Produktionsteilen oder Ware geben.

Die Bundesregierung erwartet in diesem Jahr die schwerste Rezession der Nachkriegszeit: Das Bruttoinlandsprodukt soll um 6,3 Prozent einbrechen. Zwar wurden die Beschränkungen inzwischen gelockert. Doch dürften sich viele Verbraucher beim Geldausgeben vorerst zurückhalten und der private Konsum als Konjunkturmotor damit weiter ausfallen. So müssen die mittlerweile mehr als zehn Millionen Kurzarbeiter deutliche Lohneinbußen hinnehmen. Da auch die meisten anderen Länder in der Rezession steckten, dürften zudem Impulse vom Außenhandel für die exportabhängige deutsche Wirtschaft fehlen. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) geht davon aus, dass die Exporte zum wichtigsten Kunden USA in diesem Jahr um etwa 20 Prozent einbrechen werden, die nach China um zehn Prozent.

Experten forderten daher neue Hilfsmaßnahmen vom Staat. "Ein kräftiger Impuls durch ein Konjunkturprogramm wird notwendig sein, um noch größeren Schaden abzuwenden", sagte der Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claus Michelsen. Der DIHK fordert eine steuerliche Entlastung. "Eine Erweiterung der Möglichkeiten, aktuelle Verluste kurzfristig steuerlich zu berücksichtigen, würde den Unternehmen die dringend benötigte Liquidität verschaffen", sagte ihr Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. "Denn Steuerrückzahlungen der Finanzämter könnten die Betriebe sofort in den Restart investieren." Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sprach sich ebenfalls für steuerliche Erleichterungen und ein Programm zur Ankurbelung der Wirtschaft aus.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier forderte ein europäisches Vorgehen. "Wir müssen gemeinsam Antworten finden darauf, wie wir die Wirtschaft in der EU wieder aufbauen und zu neuer Stärke führen", sagte der CDU-Politiker.

rtr