Dieser Münchner Internet-Plattform-Betreiber profitiert vom knappen Wohnraum und niedriger Eigentumsquote. Wie weit kann der MDAX-Konzern noch steigen? Von Sven Parplies.
Wer in deutschen Großstädten eine Wohnung sucht, braucht Geduld – und muss Zurückweisungen ertragen können. Einer, der den Markt bestens beurteilen kann, ist Ralf Weitz, gebürtiger Berliner und Chef von Scout24. Das im MDAX notierte Unternehmen betreibt mit Immoscout24 den größten Immobilienmarktplatz Deutschlands.
„Auf eine Zwei-Zimmer-Wohnung in Berlin mit 59 Quadratmetern kommen derzeit im Schnitt etwa 400 Anfragen in kurzer Zeit“, berichtete Weitz auf der Hauptversammlung in München.
Zwischen Wohnungsnot und Wachstum: Strukturelle Schieflage
Immer mehr Menschen ziehen in die Städte, immer mehr leben allein – die Nachfrage nach Mietwohnungen hat sich innerhalb von fünf Jahren verdoppelt. Während der Bedarf wächst, stagniert das Angebot. Hohe Baukosten infolge der Inflation verschärfen die Situation. Laut Statistischem Bundesamt wurden 2024 rund 14,4 Prozent weniger Wohnungen fertiggestellt als 2023.
Für Scout24 bedeutet das Rückenwind. Mehr Nachfrage führt zu mehr Nutzern: Die Zahl der privaten Kunden stieg im vergangenen Jahr um 24 Prozent auf knapp 445.000 – mittlerweile sind es über eine halbe Million.
Noch wichtiger sind aber die professionellen Kunden wie Makler, die rund drei Viertel des Konzernumsatzes ausmachen. Auch wenn sie in schwachen Marktphasen leiden, müssen sie in schwierigen Zeiten stärker in die Kundenakquise investieren. Aktuell zählt Scout24 rund 26.000 professionelle Kunden.
Erfolgsgeschichte mit Perspektive
Das Geschäftsmodell von Scout24 erweist sich als erstaunlich resistent. Selbst in der Corona-Zeit wuchs der Umsatz – zuletzt sogar im zweistelligen Prozentbereich. Nun könnte das Unternehmen sogar in den DAX aufsteigen, wenn die Deutsche Börse Anfang September die Indizes überprüft.
Die Börsengeschichte kann sich sehen lassen: Seit dem IPO 2015 stieg die Aktie im Schnitt um 16 Prozent pro Jahr – mehr als dreimal so stark wie der MDAX. 2019 scheiterte der damalige Großinvestor Hellman & Friedman zwar am Rückkauf des Unternehmens, doch mit dem Verkauf von AutoScout24 für drei Milliarden Euro konnte der Fokus klar auf das Immobiliengeschäft gelegt werden.
KI als Wachstumstreiber
Seit der Gründung 1998 hat sich der Immobilienmarkt radikal gewandelt: Statt Zeitungsanzeigen dominiert heute die digitale Suche. Scout24 profitiert von dieser Entwicklung – und setzt auf KI-gestützte Services, um das Geschäft weiter auszubauen.
Das Unternehmen erweitert kontinuierlich sein Angebot: Neben Anzeigen und Premiumplatzierungen bringt die Vermittlung von Baufinanzierungen, Versicherungen und Umzugsservices zusätzliche Erträge. Auch Übernahmen wie jene des Marktdatenanbieters Bulwiengesa AG Anfang 2025 stärken das Portfolio.
KI soll künftig vor allem helfen, riesige Datenmengen effizienter zu nutzen. So lassen sich etwa Präsentationsvideos automatisch erstellen oder Wohnungssuchende gezielter zu passenden Angeboten leiten.
Starke Finanzbasis
Analysten erwarten für 2025 Umsatz- und Gewinnsteigerungen von rund 14 Prozent. Besonders attraktiv für Investoren: die hohe EBITDA-Marge von rund 61 Prozent. 2024 erwirtschaftete Scout24 einen operativen Cashflow von 257 Millionen Euro und schüttete über 95 Millionen Euro als Dividende aus, die seit 2016 kontinuierlich von 0,30 auf 1,32 Euro je Aktie gestiegen ist. Zusätzlich kauft das Unternehmen regelmäßig eigene Aktien zurück.
Potenzial der Aktie
Nach dem steilen Kursanstieg konsolidiert die Aktie aktuell in einer Seitwärtsbewegung – für Analysten kein Grund zur Sorge. JP Morgan sieht den Unternehmenswert bei zehn Milliarden Euro und setzt ein Kursziel von 142 Euro bis Jahresende. Hebel für weiteres Wachstum sieht man vor allem in Effizienzsteigerungen, Kostendisziplin bei Zukäufen und der konsequenten Nutzung von KI-Anwendungen.
Hinweis: Der Artikel stammt aus der aktuellen Heftausgabe von BÖRSE ONLINE (34/25), die Sie hier finden.
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