Nach dem Urteil zu Fahrverboten in Deutschland müssen die Hersteller befürchten, dass die Dieselzulassungen ins Bodenlose fallen. "Die Verunsicherung bei Käufern und Industrie ist groß", sagt Branchenexperte Stefan Bratzel, Chef des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach.

Dass die Autoindustrie im Wandel ist, wird sich auch in Genf zeigen: Neben Edelkarossen rollen die Hersteller spritsparende Kleinwagen und E-Autos auf ihre Messestände. Toyota stellt neben dem neuen Auris mit Hybridmotor und dem kleinen Aygo seine E-Autos der Concept-i-Familie ins Rampenlicht. Renault hat den Bestseller Zoe mit stärkerem Elektroantrieb im Gepäck. Bei der Opel-Mutter PSA feiert der Familientransporter Rifter Premiere. Mercedes zeigt neben der neuen A-Klasse und der überarbeiteten C-Klasse auch den Hochleistungs-Geländewagen AMG G 63 mit 585 PS. BMW richtet die Aufmerksamkeit auf den neuen SUV X4. Und Volkswagen präsentiert als Messe-Highlight die Studie eines selbstfahrenden Autos (I.D. Vizzion), das ohne Lenkrad auskommt.

An Bord ihrer Fahrzeuge präsentieren die Oberklasse-Hersteller verstärkt auch digitale Assistenten mit Sprach- und Gestensteuerung, die auf künstlicher Intelligenz (KI) beruhen: In der A-Klasse findet sich die "Mercedes Benz User Experience". Und der Audi A6 ist wie der große Bruder A8 mit einem "smarten" digitalen Beifahrer ausgestattet.

Die Vielfalt der Modelle, Antriebsarten und technischen Neuheiten kann jedoch nicht verdecken, dass die Branche in einer Zwickmühle steckt. Nicht nur, weil die Kundschaft verunsichert ist, und sich Elektroautos - auch wegen der fehlenden Infrastruktur zum Nachladen - noch nicht in großer Stückzahl verkaufen lassen. Die Autobauer müssen auch das durch Abgasschummeleien beim Diesel verlorene Vertrauen zurückgewinnen, wenn sie die ab 2021 geltenden schärferen Klimavorgaben erfüllen und Strafzahlungen vermeiden wollen. Denn ohne Selbstzünder, so fürchten die Hersteller, können sie die strengeren Ziele nicht erreichen, weil Dieselfahrzeuge weniger Sprit verbrauchen und daher weniger CO2 erzeugen. Durch die steigenden Verkaufszahlen von "Benzinern" leidet die C02-Bilanz.

Die Branche müsse sich aber auch zur Nachrüstung älterer Dieselautos bereiterklären, um den Stickstoffausstoß spürbar zu verringern, meint Experte Bratzel. "Das Ganze steht und fällt mit der Glaubwürdigkeit der Autoindustrie und der Politik."

Stefan Randak von der Beratungsfirma Atreus bezweifelt, dass die Autobauer von sich aus Hardware-Nachrüstungen anbieten werden. "Ich kenne die Reaktionszeit unserer Hersteller. Die lehnen sich zunächst einmal zurück. Man wird darauf verweisen, dass der Staat erst die nötigen Rahmenbedingungen schaffen muss", glaubt der Autoexperte. Er kritisiert zudem, dass in Genf nicht genug Gewicht auf alternative Antriebstechnologien gelegt werde.

"FAHRVERBOTE SIND GUT FÜR EUCH"



Die Experten sind sich einig, dass die Elektromobilität vorangetrieben werden muss, um die Luftbelastung in Städten zu verringern. Volkswagen, Daimler & Co investieren bereits viele Milliarden in neue Elektroautos und bauen ihre Kapazitäten massiv aus. "Man kann auf der technischen Seite fast nicht mehr ausgeben. Das ist schon Vollgas", sagt Christoph Stürmer von der Beratungsfirma PwC. Das Problem sei die fehlende Akzeptanz. So lange es kein öffentliches Schnellladenetz gebe, sei auch nicht damit zu rechnen, dass E-Autos in größerer Stückzahl gekauft würden.

Stürmer rät den Autobauern, ihre Haltung gegenüber Diesel-Nachrüstungen und Fahrverboten zu überdenken. "Natürlich freuen sich die Hersteller, wenn sie neue Dieselautos verkaufen können. Das hat bei der Wechselprämie schon gut geklappt." Es gebe aber immer noch viele alte Dieselautos auf den Straßen, das durchschnittliche Flottenalter liege bei rund zehn Jahren. "Man wird von Seiten der Hersteller verstehen: Fahrverbote sind gut für euch, denn sie führen zur Bestandserneuerung. Das wirkt wie ein großes Konjunkturprogramm."

Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer ist anderer Meinung, für ihn ist der Diesel-Pkw längst ein Auslaufmodell. Hohe Kosten für die Abgasreinigung, der Abbau von Dieselsubventionen und das katastrophale Image würden dem Selbstzünder den Garaus machen.