Michael Neumann » Der Vorstand des Finanzdienstleisters Dr. Klein erklärt, wie Immobilienfinanzierung in der Corona-Krise geht, wie viele Ratenkredite ausfallen könnten und warum er nicht in Gold investiert. Von Bernhard Bomke, €uro am Sonntag

Die Corona-Pandemie führt auch bei der Hypoport-Tochter Dr. Klein zu großen Ver­änderungen. Beratungen des bundesweit tätigen Kreditvermittlers erfolgen nur noch via Bildschirm, viele Kunden haben Sorgen. Vorstand Michael Neumann erklärt, wer seine Immobilie jetzt umfinanzieren sollte, wie sich die Zinsen entwickeln und warum er mit mehr Ratenkrediten rechnet.

€uro am Sonntag: Herr Neumann, wie hat sich Ihr Geschäft mit der Vermittlung von Krediten in den vergan­genen Corona-Wochen verändert?
Michael Neumann: Bislang kamen die Kunden in unsere Büros, oder unsere Berater fuhren zu den Kunden. Das findet jetzt natürlich so nicht mehr statt. Wir haben den persönlichen Kontakt zum Kunden nahezu komplett auf Videoberatung umgestellt.

Welche Fragen stellen Ihnen die ­Kunden derzeit besonders häufig?
Viele Fragen drehen sich um Baufinanzierungen und die Entwicklung der ­Bauzinsen. Zweites wichtiges Thema, zu dem viele Kunden um Rat fragen: Funktioniert so eine Baufinanzierung überhaupt, wenn ich nicht persönlich zum Termin kommen kann oder möchte?

Und, klappt das ohne direkten Kontakt?
Ja, das ist überhaupt kein Problem. Der Kunde sieht auch bei einer Beratung am Bildschirm, welche Anbieter es gibt und welche Produkte die haben. Der weitere Prozess bei einer Baufinanzierung geht in der Regel ebenfalls völlig reibungslos. Also, wir können da wirklich Entwarnung geben.

Was ist mit Baukreditnehmern, die eine Anschlussfinanzierung brauchen. Interessieren die sich verstärkt für ­Forward-Darlehen, um sich die noch immer niedrigen Zinsen auch für die Zeit nach Corona zu sichern?
Das Thema Anschlussfinanzierung bewegt die Kunden immer, in den vergangenen sechs Wochen aber noch deutlich verstärkt. Wegen der Zinsentwicklung. Immer wenn die Zinsen volatil sind, werden die Leute aktiv und informieren sich besonders gründlich über Möglichkeiten der Zinssatzsicherung.

Sind Forward-Darlehen generell ­empfehlenswert?
Wenn einer vor zehn Jahren eine Immobilienfinanzierung für 15 oder 20 Jahre abgeschlossen hat, lohnt es sich wegen der seither stark gesunkenen Zinsen fast immer, das gesetzliche Kündigungsrecht nach zehn Jahren zu nutzen und sich das niedrige Zinsniveau zu sichern. Mit einem Forward-Darlehen ist dies sogar noch früher möglich.

Zum Nulltarif geht das aber nicht.
Das kostet in der Tat einen Aufpreis, dessen Höhe davon abhängt, wie langfristig im Voraus man sich die niedrigen Zinsen sichern möchte, also ob zwölf, 24 oder 60 Monate im Voraus.

Was kostet es konkret?
Wer sich jetzt schon einen Zins für 2025 sichern will, um ruhig schlafen zu können, muss mehr bezahlen als jemand, dessen Forward-Darlehen in zwölf Monaten beginnt. Kunden müssen für ein Forward-Darlehen, dessen Laufzeit in 24 Monaten beginnt, im Vergleich zu ­einem, das in zwölf Monaten ansteht, ganz vereinfacht gesagt mit 0,20 Prozentpunkten Zinsaufschlag rechnen. Beginnt das Darlehen erst in drei Jahren, liegt der Aufschlag - ebenfalls ganz vereinfacht betrachtet - bei etwa 0,40 Prozentpunkten.

Rechnen Sie mit vielen Nachfinanzierungen, weil die Immobilienwerte fallen könnten und die Beleihungsrisiken der Banken entsprechend zunehmen?
Das ist heute noch kein Thema. Ich teile nicht die Einschätzung etwa vom Institut Empirica, dass die Preise für Wohn­immobilien bis zu 25 Prozent fallen werden. Vielmehr rechne ich in den nächsten Monaten mit stagnierenden Preisen. Die Banken sehen das derzeit ganz ähnlich. Für die Finanzierer ist ohnehin vor allem wichtig, dass die Kreditnehmer ihre Raten langfristig bezahlen. Banken haben gar kein Interesse an Zwangsversteigerungen von Immobilien. Ganz nebenbei sind viele Gebäude heutzutage mehr wert, als sie es waren, als die Banken sie zu finanzieren begannen. Das dämpft deren Risiko, sollte es zu fallenden Werten kommen.

Dennoch gibt es die Angst, dass wegen der massiven Einkommensverluste von vielen Beschäftigten und Selbstständigen eine große Zahl Privat- und Baukredite nicht mehr bedient werden können. Wäre das nur ein Problem für die Banken oder auch eines für Sie als Vermittler?
Wir wären nicht so direkt betroffen wie die Darlehensgeber, aber indirekt dürften wir das spüren. Würden Banken massive Kreditausfälle erleiden, hätte das Auswirkungen auf ihre Bereitschaft, neue Kredite zu vergeben. Die in der konkreten Beratung infrage kommende Auswahl aus unseren über 400 Finanzierungspartnern für Bau- und Privatkredite könnte also etwas eingeschränkt sein. Noch ein ganz anderer Punkt: Wenn Kunden ihren Arbeitsplatz verlieren oder Selbstständige hohe Umsatzeinbußen haben, wirkt sich das ­natürlich auf die Nachfrage nach Krediten aus - im Immobilienbereich eindeutig dämpfend. Anders bei Konsumentenkrediten. Die wären sogar verstärkt gefragt.

Haben Sie Zahlen dazu, bei wie vielen Krediten es infolge des Corona-Lockdowns zu Problemen mit der Rückzahlung kommt?
Bei Immobilienfinanzierungen sind das bislang nur Einzelfälle. Im Bereich der Konsumentenkredite haben wir es dagegen schon mit sehr nennenswerten Zahlen zu tun. Die Commerzbank veröffentlichte unlängst, dass der Anteil der Kunden, die Corona-bedingt Stundungen für ihre Kreditraten beantragt haben, im niedrigen einstelligen Prozentbereich liegt. Die Bank rechnet damit, dass es am Ende zehn bis 20 Prozent sein könnten. Wie viele es dann sein werden, hängt davon ab, wie lange die Rezession dauert.

Apropos Rezession: Welche Geschäftsziele für 2020 hat Dr. Klein Corona-­bedingt schon einkassieren müssen?
Wir können bislang nicht absehen, wie sich Corona für uns auswirkt. Kunden fragen nach wie vor in großer Zahl nach Immobilienfinanzierungen. Es gibt ein bisschen mehr Nachfrage nach Anschluss- und etwas weniger nach neuen Kauf- und Baufinanzierungen. Was wir merken: Es gibt etwas weniger Objekte im Angebot, aber nicht so, wie wir das vor fünf, sechs Wochen befürchtet haben. Und: Die Nachfrage nach Wohnungen und Häusern ist immer noch größer als das Angebot. Das kann sich natürlich noch ändern. Insofern sind unsere Ziele für das Jahr 2020 etwas fragiler geworden, als sie es vor acht Wochen waren.

Worauf müssen Kunden achten, die jetzt ein Haus bauen oder eine ­Wohnung kaufen wollen?
Bauherren sollten einkalkulieren, dass es zum Beispiel wegen Lieferengpässen zu Verzögerungen kommen kann. Wir raten daher, etwas mehr Liquiditätspuffer einzuplanen. Und: Wenn eine Finanzierung auf Kante genäht ist, kann es im Einzelfall ratsam sein, den Kauf etwas zu verschieben, bis die persönliche Liquiditätslage wieder belastbarer ist.

Raten Sie grundsätzlich zu 20 Jahren Zinsfestschreibung?
Im Schnitt sind die Zinsen bei Neuverträgen mehr als 14 Jahre gebunden. Das dürfte in etwa so bleiben. Wir empfehlen etwas anderes, und zwar Tilgungssatzwechsel in den Kreditvertrag aufzunehmen. Dann hat der Kunde die Möglichkeit, die Tilgungshöhe im vereinbarten Rahmen sowohl nach unten als auch nach oben zu verändern. Damit sind Kunden flexibler, als wenn sie sich nur Sondertilgungsmöglichkeiten sichern.

Mit welcher Zinsentwicklung rechnen Sie vor dem Hintergrund der mehr als eine Billion Euro schweren Hilfsprogramme in Deutschland, die die Staatsverschuldung massiv hochtreiben?
Ich kann mir gut vorstellen, dass die Verzinsung der zehnjährigen Bundesanleihe von jetzt etwa minus 0,5 Prozent Richtung leicht positiv geht. Einer der Gründe: Durch die höhere Staatsverschuldung wird auch die Bonität Deutschlands etwas in Mitleidenschaft gezogen. Auf der anderen Seite wird die EZB weiterhin als Käufer von Staatsanleihen auftreten, auch von Bundesanleihen. Das dämpft die Zinsentwicklung.

Die Bauzinsen orientieren sich an den Zinsen für Bundesanleihen. Sie werden also ebenfalls etwas zulegen?
Ja. Aber nicht dramatisch.

Was machen Sie persönlich derzeit mit Ihrem Geld? Gold kaufen?
Nein, Gold ist aus meiner Sicht ein hochspekulatives Anlageinstrument. Wer jetzt Gold kauft, muss wissen, dass er das zu Höchstpreisen tut. Ich bin ein sehr konservativer Anleger, habe die Liquidität etwas reduziert und selektiv in weltweit gestreute ETFs investiert. Ansonsten sehe ich in der Corona-Krise keinen Grund, weiter umzuschichten.

Vita

Ein Banker aus Franken
Michael Neumann kam 1975 in Fürth zur Welt. Nach einer Banklehre schloss er ein Studium zum Diplom-Betriebswirt ab. Nach mehr als acht Jahren bei der Interhyp-Gruppe wechselte er 2011 zum Hypoport-Konzern. Bis 2016 führte er bei der Tochter Qualitypool den Bereich Finanzierungen. Seit Juli 2016 ist er Vorstand der Hypoport-Tochter Dr. Klein Privat­kunden.

Anlagetipps

Rein in Aktien und Immobilien
"Wir werden etwas höhere Inflationsraten sehen", sagt Michael Neumann für die Jahre nach der Corona-Krise voraus. Sein Rat für Anleger: rein in Sachwerte. "Das können Aktien sein oder Immobilien." Vor allem Wohnimmobilien sieht er als Investition mit der Aussicht auf eher sichere und attraktive Renditen. Begründung: weiter steigende Nachfrage und zu wenig Angebot. Wie vor Corona.