In der darstellenden Kunst gilt: Kein Maler malt einen Apfel wie der andere. "Ein Apfel von Picasso sieht anders aus als einer von Monet", sagt Marc vom Ende, Parfümeur beim Duft- und Geschmacksstoffproduzenten Symrise. Das Gleiche gilt für die Kreationen von Parfümeuren. Jeder komponiert das Aroma eines Apfels mit ­einer eigenen Duftnote. Nur Philyras macht das nicht.

Philyras ist eine Software, deren Name aus der griechischen Mythologie abgeleitet ist. Die Software entwickelt Düfte durch maschinelles Lernen. Rund zwei Millionen Duftformeln und -eigenschaften haben die Erfinder von Symrise und dem Forschungszweig des US-IT-Konzerns IBM dem Programm beigebracht. Außerdem unterscheidet Philyras 10.000 Rohstoffe sowie die ­Vorlieben von Zielgruppen nach Alter und Regionen.

Im Falle des Apfels kann man sich das so vorstellen: Philyras habe Zugriff auf alle Rezepturen und damit auf alle Stilarten der rund 1.800 Parfümeure weltweit und könne so einen stilübergrei­fenden Apfelgeruch anfertigen, erklärt vom Ende. Ein menschlicher Hersteller, ein Parfümeur, kann das so nicht, er ist in seinem Stil gefangen.

Philyras gilt als Revolution. Sie beschleunigt die Entwicklung neuer Aromen erheblich. Die zwei für den brasilianischen Kosmetikkonzern O Boticário entwickelten Parfüms der Reihe "Robotics" im Sommer waren nach nur sechs Wochen fertig. Normalerweise bestellen Kosmetikkonzerne mit einem Jahr Vorlauf. Auch Symrise-Konkurrent Givaudan arbeitet mit einem solchen System, bei den Schweizern heißt es Crato. Noch ersetzt die Software keine Menschen. Aber das hohe Entwicklungstempo verspricht den Firmen Potenzial für weiteres Wachstum in den kommenden Jahren.

Schwellenländer dominieren


Der Markt boomt, weltweit hat die Aromabranche im vergangenen Jahr laut US-Marktforscher IAL Consultants nur knapp die Marke von 30 Milliarden US-Dollar verpasst. Bis 2022 soll der Markt jährlich im Schnitt um knapp fünf Prozent wachsen und dann 36 Milliarden Dollar wert sein.

Um daran zu partizipieren, ist es unabdingbar, dass die Aromahersteller ein starkes Standbein in Schwellenländern haben. Dort machen die Unternehmen viel Umsatz. Die wachsende Mittelschicht in Asien und dem pazifischen Raum, in Lateinamerika und zum Teil im Nahen Osten haben mit wachsendem Einkommen neue Ansprüche an Körperpflegeprodukte. In Brasilien etwa sind die Ausgaben für Parfüm, gemessen am Pro-Kopf-Einkommen, weltweit am höchsten. Der mit einem Jahresumsatz von mehr als fünf Milliarden Euro weltweite Marktführer Givaudan etwa hat zuletzt seine Präsenz in Mexiko, China und Singapur ausgebaut. Symrise hat 43 Prozent des Jahresumsatzes von 3,2 Milliarden Euro 2018 in den Schwellenländern generiert.

Die Branche beliefert darüber hinaus die Lebensmittelindustrie mit Geschmacksverstärkern und macht damit etwa die Hälfte ihres Umsatzes. Der Food-Flavor-Markt ist laut dem indischen Marktforschungshaus Mordor Intelligence aktuell knapp 14 Milliarden US-Dollar schwer. Bis 2024 soll der globale Markt um rund sechs Prozent jährlich auf nahezu 20 Milliarden US-Dollar wachsen. Auch in diesem Segment steigt die Nachfrage aus den Schwellenländern. Mit Nahrungsmittelzusatzstoffen wittern die Unternehmen jedoch auch Geschäftschancen in den saturierten Märkten der westlichen Industrienationen.

Ursache ist der Nachfrageschwenk zu natürlichen Produkten aus der Region, am liebsten mit Bio-Zertifizierung. Ein Beispiel ist die zunehmende Beliebtheit von Fleischersatzprodukten. In einem Veggie-Burger aber verstecken sich im Schnitt bis zu dreimal so viele Geschmacksverstärker wie in Fleisch. Zudem fragen die Lebensmittelhersteller Aromen nach, mit denen sich als ungesund geltende Zusatzstoffe wie Zucker, Fett oder Salz ersetzen lassen.

Die größten Kunden aus der Lebensmittelindustrie sind die Getränkehersteller, Ersatzstoffe für Zucker stehen deshalb ganz hoch im Kurs. Oder solche Stoffe, die neben Geschmack auch noch gesundheitsfördernde Stoffe wie Vitamine transportieren. Natürliches ist ­besonders gefragt: "90 Prozent unserer Kunden verlangen völlig natürliche ­Aromastoffe", sagte Andreas Fibig, CEO des US-Konzerns International Flavors and Fragrances (IFF). Besonders stolz ist IFF aber auch auf die Entwicklung ­eines Moleküls, das schlechte Gerüche eliminiert - in einer zugemüllten Welt ebenfalls ein Trend­thema.

Hohe Investitionen


Neue Technologien und Produkte ­kosten allerdings. Die Entwicklung verschlingt bei den Aromakonzernen anteilsmäßig ähnlich viel wie bei Pharmafirmen. In der Regel pumpen die Konzerne 20 Prozent des Umsatzes in die Forschung. Hinzu kommt, dass die ­Unternehmen sich massiv durch Zukäufe stärken. Dabei ist die Branche schon stark konsolidiert. Heute decken Symrise, Givaudan, IFF und der nicht börsennotierte Schweizer Konzern Firmenich rund 70 Prozent des globalen Marktes ab.

Allein Givaudan hat seit 2014 neun ­Zukäufe getätigt, drei davon im vergangenen Jahr, darunter den französischen Hersteller Naturex für 1,3 Milliarden Euro, der nach eigenen Angaben in der Herstellung von Pflanzenextrakten für die Kosmetik- und Lebensmittelindustrie führend ist. Anfang September ­haben die Schweizer den traditions­reichen bayerischen Parfümölhersteller Drom mit einem Jahresumsatz von 110 Millionen Euro übernommen.

Die größte Akquisition hat aber IFF gestemmt. Für mehr als sieben Milliarden Dollar haben sich die Amerikaner den israelischen Konkurrenten Frutarom einverleibt - und sich damit exorbitant verschuldet. Dadurch konnte IFF zwar den Umsatz 2018 auf das Rekordniveau von vier Milliarden Dollar steigern und sich damit dem Branchenführer Givaudan annähern. Die operative Marge hat indes gelitten, sie liegt rund sechs Prozentpunkte unter den knapp 21 Prozent von Givaudan.

Symrise aus Deutschland schlägt indes eine andere Richtung ein und wartet auf die Zustimmung der US-ameri­ka­nischen Wett­bewerbsbehörde zur Übernahme des auf Tierfutterproteine spezialisierten Unternehmens ADF/IDF. Auch Vierbeiner wollen schließlich Wohlschmeckendes.

Investor-Info

Symrise
Geschmackvoll investiert


Im zweiten Quartal gab es zwar einen leichten Dämpfer, langfristig wächst aber das Unternehmen aus dem niedersächsischen Holzminden stabil. Mit einem Plus von 7,4 Prozent auf 1,7 Milliarden Euro lag der Umsatz im ­ersten Halbjahr über Plan für das Jahresziel. ­Zudem konnte Symrise die Profitabilität trotz eines negativen Einmaleffekts durch den ­geplanten Zukauf des US-Konzerns ADF/IDF leicht steigern. Analysten rechnen mit gut 17 Prozent Gewinnplus 2019 wie 2020.

Empfehlung: Kaufen.
Kursziel: 105,00 Euro
Stoppkurs: 74,00 Euro

Givaudan
Betörend aufgestellt


Im ersten Halbjahr ist der Konzern mit Sitz im Schweizerischen Vernier währungsbereinigt um mehr als sechs Prozent auf drei Milliarden Franken (2,7 Milliarden Euro) gewachsen, der operative Gewinn legte sogar knapp zehn Prozent auf 660 Millionen Franken (604 Millionen Euro) zu. Parallel dazu hat Givaudan ­Verbindlichkeiten abgebaut. Das hat die Aktie angeschoben. Leider kann sie zurzeit nur teuer in der Schweiz gekauft werden.

Empfehlung: Kaufen.
Kursziel: 3.100,00 Euro
Stoppkurs: 2.490,00 Euro

IFF
Eigenwillige Note


Durch den Zukauf des israelischen Frutarom hat sich der IFF aus New York in große Schulden gestürzt. In den nächsten zwei Jahren sollen die Nettoschulden unter das Dreifache des operativen Gewinns sinken. Um die Investoren bei der Stange zu halten, hat sich IFF zu einer Dividendenrendite von rund zwei Prozent bekannt. Anleger warten trotz zuletzt starkem Umsatzwachstum ab.

Empfehlung: Beobachten.
Kursziel: 130,00 Euro
Stoppkurs: 94,00 Euro