Nach Einbußen durch die Corona-Krise kann der Dax-Konzern seine Ergebnisziele für 2020 nicht halten. Insgesamt rechne der Versorger in diesem Jahr mit Belastungen in einer Größenordnung von 300 Millionen Euro, teilte E.ON in Essen mit. Der Konzern rechnet mit einem bereinigten operativen Ergebnis (Ebit) in der Bandbreite von 3,6 bis 3,8 Milliarden Euro und einem bereinigten Konzernüberschuss von 1,5 bis 1,7 Milliarden Euro. Zuvor hatten die Manager beim operativen Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) noch 3,9 bis 4,1 Milliarden Euro und beim bereinigten Überschuss 1,7 bis 1,9 Milliarden Euro auf dem Zettel.

Im ersten Halbjahr 2020 sank das operative Ergebnis von 2,3 auf 2,2 Milliarden Euro. Der bereinigte Konzernüberschuss ging von 1,05 Milliarden auf 933 Millionen Euro zurück. Im Netzgeschäft erzielte E.ON ein Ergebnis von 1,7 Milliarden Euro - ein Minus von rund 250 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr.

Das Geschäft mit Kundenlösungen fuhr 457 Millionen Euro ein - 14 Millionen mehr als vor Jahresfrist. E.ON-Chef Johannes Teyssen bestätigte sowohl die Mittelfristziele als auch die Aussagen zur Dividendenpolitik. "Wir sehen jetzt deutlich klarer als nach dem ersten Quartal und können mit mehr Zuversicht auf die zweite Hälfte des laufenden Jahres blicken", so Teyssen.

Gewinne in Großbritannien


Nach eigenen Angaben konnte der Konzern sogar im schwierigen Großbritannien-Geschäft Gewinne einfahren. "Positiv entwickelt hat sich das Geschäft in UK", sagte Finanzchef Marc Spieker bei einer Telefonkonferenz mit Journalisten. "Dort haben erhebliche Kosteneinsparungen aus dem umfassenden Umstrukturierungsplan sowie ein profitables Kundenwachstum bei E.ON UK die Erträge gesteigert."

E.ON erzielte dort einen bereinigten Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) von 43 Millionen Euro. Noch im Vorjahreszeitraum verzeichnete der Dax-Konzern einen Verlust von zwei Millionen Euro. Insbesondere die von E.ON übernommene Innogy-Tochter Npower bekam den hart umkämpften Markt zu spüren. Sie fuhr jahrelang Verluste ein. E.ON hatte darauf unter anderem mit einem Stellenabbau reagiert.

Auch sonst waren die ersten Monate des Jahres noch durch die Innogy-Übernahme geprägt - die Kosten der Integration belasteten auch das Gesamtergebnis. Der Deal ist mittlerweile abgeschlossen und E.ON hat sich zum reinen Netz- und Vertriebsunternehmen gewandelt. Vor allem das Netzgeschäft verspricht stetige Erträge. Zunächst waren die Konzernzahlen durch die Übernahme allerdings leicht rückläufig. Die warme Witterung belastete das neue Kerngeschäft (Netze und Vertrieb) im ersten Quartal. Unter dem Strich fiel ein Verlust von 327 Millionen Euro an.

Unsere Einschätzung:


Vorbörslich trat die Aktie von E.ON trotz Senkung der Prognose auf der Stelle. Unterstützend wirkte die Einschätzung von Händlern, die die Resultate in ersten Kommentaren als "robust" bezeichneten. Im Laufe des Vormittags gab das Papier mit einem Minus von knapp 1,5 Prozent aber etwas nach.

Konzernchef Johannes Teyssen hat E.ON in der Corona-Krise bisher als widerstandsfähig und gut aufgestellt gesehen. Diese Einschätzung bleibt bestehen, auch wenn der Energieversorger die Prognose senken musste. Unterstützung bringt vor allem die Innogy-Übernahme, durch die die Netzgeschäfte verstärkt in den Fokus gerückt sind. Da der Bereich vergleichsweise sichere Einnahmen bringt, ist der Konzern insgesamt recht gut vor schwerwiegenden Pandemiefolgen geschützt.

Dennoch hat E.ON in der Krise ein paar Schrammen abbekommen. Das Papier fiel von seinem Mehrjahreshoch von mehr als elf Euro Mitte Februar auf ein Tief bei unter acht Euro Ende März. Nach einer Erholungsphase im Juli auf 10,81 Euro gab die Aktie wieder etwas nach. Auf lange Sicht gehört der Energieriese zu den Verlierern am Aktienmarkt. Vor zehn Jahren war die Aktie noch mehr als 20 Euro Wert - mehr als doppelt so viel wie heute.

Profitieren könnte E.ON von den niedrigen Zinsen. So wurden im Mai Anleihen platziert, die selbst bei langen Laufzeiten von mehr als zehn Jahren Kupons von unter einem Prozent tragen. Durch die tiefen Zinsen sinken die Kapitalkosten. Das sorgt für einen Hebel bei den als sicher eingestuften Erträgen aus dem Netzgeschäft. Deren Barwert steigt deutlich an. Daraus ergibt sich ein kurz- bis mittelfristiges Kurspotenzial. Risikobereite Anleger können den Kursrücksetzer zu den Quartalszahlen als Einstieg nutzen.

Kursziel: 12,90 Euro
Stoppkurs: 7,90 Euro

Mit Material von Reuters und dpa-AFX