Wenn in Hamburg die Sonne scheint, wird für Dierk Paskert nicht nur der Lauf um die Außenalster angenehmer, dann "verdienen wir auch Geld", so der Chef von Encavis. Der Konzern ist einer der größten Solar- und Windparkbetreiber Europas und hat seine Prognose für dieses Jahr bereits zweimal angehoben. Mit den nun geplanten 270  Millionen Euro sollen die Einnahmen um rund 8,5 Prozent, der operative Gewinn mit 42 Cent je Aktie um über ein Drittel steigen.

Umsatztreiber sind erweiterte Kapazitäten sowie die aktuell hohe Sonnenscheindauer. Zum überproportionalen Anstieg des Gewinns verhilft zudem ein Anteilsverkauf von vier Windparks. Viel Sonne und verkaufte Windräder sind zwar zunächst Einmaleffekte, doch die Chancen auf eine Wiederholung stehen gut. Encavis will weitere Minderheitsanteile an seinen Windparks verkaufen - und die Wetteraussichten bleiben gut. So geht der Energieproduzent bei den Erwartungen für die Sonnenstunden stets vom Gleitenden Durchschnitt der vergangenen 50 Jahre aus, und heute scheint die Sonne pro Jahr insgesamt 96 Stunden länger als vor 50 Jahren. Seit Bestehen 2006 hat Encavis den Mittelwert daher nur einmal unter- und sonst stets überschritten.

Wachstum in der Pipeline


Auch ohne meteorologische Hilfe oder Verkaufserfolge dürften die Hanseaten weiter wachsen. Derzeit sind in der Entwicklungspipeline neue Solar- und Windparks mit einer Leistung von 1,3 Gigawatt, während die aktuellen 175 Solar- und 69 Windparks 1,9 Gigawatt liefern. Encavis ist damit nicht nur einer der großen, sondern auch der einzige europaweit aufgestellte Erzeuger erneuerbarer Energien. Firmenchef Paskert rechnet damit, die Kapazitäten jährlich um 0,3 bis 0,5 Gigawatt ausbauen zu können. Immerhin wollen etliche europäische Länder bis 2030 oder 2050 immer weniger bis gar keinen Kohle- und Atomstrom mehr produzieren. Allein das Abarbeiten der Bestands­pipeline würde die Kapazitäten und damit auch Umsatz und Ergebnis von Encavis in spätestens vier Jahren um 68 Prozent steigern.

Gleichzeitig versucht der Stromproduzent Märkte zu meiden, in denen zu viel Wettbewerb die Einspeisevergütungen und damit die Margen drückt. Aktuell liegt der Fokus daher auf Irland und Spanien. Auf der Iberischen Halbinsel beginnt laut Paskert ein "Gamechanger" für die Branche. Gemeint sind Power Purchase Agreements (PPA): direkte Stromlieferverträge mit Großkunden. In Spanien oder Italien liegen die Gestehungskosten für Solar­energie weit unter den Strompreisen. Gleichzeitig scheint die Sonne umsonst, fossile Brennstoffe hingegen schwanken im Preis. Dank der stabilen Kosten können Anbieter von Solarstrom ihre Tarife garantieren. In den Südländern gehen Industrieverbraucher daher zunehmend lang laufende Kaufverträge ein, um sich die Konditionen über Jahre zu sichern.

Für seinen 300-Megawatt-Park in Spanien erwartet Encavis in den kommenden Wochen den Abschluss eines Zehnjahres­vertrags mit einem globalen Konzern. Dabei wird die größte Solaranlage die 225 Millionen Euro an Bau- und Betriebskosten über die Vertragslaufzeit einspielen und soll zudem acht Prozent Rendite erzielen. Auf Subventionen, an denen sich bisher das Geschäft ausrichtete, wird die Branche immer weniger angewiesen sein. Durch die garantierten Erlöse werden die über Kredite finanzierten Anlagen zu einem deutlich risikoärmeren Investment.

Dass die Schulden bei Encavis im Geschäftsjahr 2018 fast neunmal höher waren als das operative Ergebnis, ist daher kein Manko. In Deutschland hingegen werden PPAs wegen der höheren Gestehungskosten Experten zufolge besonders interessant, wenn die Einspeisevergütungen ab 2021 auslaufen. Dann könnte sich auch die Meinung über die Werthaltigkeit von Solaranlagen ändern. So schlagen sich die mit 1,66 Milliarden Euro bilanzierten Parks von Encavis laut dem Unternehmen bisher kaum in den Analystenbewertungen nieder. Stattdessen diskutierten Investoren immer öfter, ob dieser Ansatz richtig sei. Zwar sinkt die Effizienz der Solarmodule über die Zeit, Strom produzieren die Anlagen aber weiterhin - und sie sind abbezahlt. Dass die Erlöse zuvor durch die ­Einspeisevergütung garantiert waren, könnte wiederum durch ein PPA gelöst werden. Hauptsache, die Sonne scheint weiter.