Warum will die Schweiz das Abkommen nicht unterzeichnen?


Grund sind die starken Vorbehalte in der Gesellschaft. Der Regierung droht deshalb eine Volksabstimmung, in der das Abkommen abgelehnt werden könnte. Bürger können mit genügend Unterschriften jederzeit ein Referendum erzwingen.

Was sind die Kritikpunkte?


Die stärkste Partei im Schweizer Parlament, die antieuropäische SVP, bezeichnet das Abkommen als einen Kolonialvertrag. Kritisiert wird zum Beispiel, dass die Schweiz nach der Unterzeichnung Regelungen ändern müsste, mit der sie ihre hohen Löhne schützen will. Ausländische Dienstleistungsunternehmen müssen sich bislang acht Tage vor der Ausführung eines Auftrags anmelden und eine Kaution hinterlegen. Zudem geht es um den Umgang mit staatlichen Beihilfen. Die Kantone wollen beispielsweise weiter Staatsgarantien für Banken geben dürfen. Kritiker wehren sich auch gegen die vorgesehene Übernahme der Unionsbürgerrichtlinie. Diese würde den Anspruch von in der Schweiz lebenden EU-Bürgern auf Sozialleistungen stärken würde.

Warum pocht die EU auf den Vertrag?


Das derzeitige System aus 120 bilateralen Abkommen zwischen der EU und der Schweiz wird als zu komplex und unvollständig erachtet. Deswegen soll nun ein institutioneller Rahmen für bestehende und künftige Abkommen geschaffen werden. Für die EU geht es vor allem darum, dass die Schweiz künftig in bestimmten Bereichen EU-Regeländerungen übernimmt und sich an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hält, soweit sich die Urteile auf Bereiche beziehen, die Teil von Abkommen sind. Wichtig ist das, weil die Schweiz zum Beispiel am EU-Binnenmarkt und am Dublin-Asylsystem teilnimmt.

Was hat der Vertrag mit der Börsenregulierung zu tun?


Eigentlich nichts. Die EU hatte aber gehofft, dass die Börsenentscheidung als Druckmittel wirken könnte. Deswegen knüpfte sie die Verlängerung der sogenannten Börsenäquivalenz-Regelung an die Unterzeichnung des Rahmenabkommens.

Was wird jetzt passieren?


Die EU wird die Börsenregulierung in der Schweiz von diesem Montag an nicht mehr als gleichwertig mit der in der Europäischen Union anerkennen. Dieser Schritt bedeutet, dass Aktienhändler aus den 28 Mitgliedstaaten der EU an der Schweizer Börse nicht mehr uneingeschränkt mit Aktien von schweizerischen Unternehmen handeln dürfen, die auch in der EU gehandelt werden. Dazu gehören zum Beispiel Schwergewichte wie Nestlé, Roche und Novartis.

Wie reagiert die Schweiz?

Zum einen will sie 1,3 Milliarden Franken (1,1 Mrd Euro) einfrieren, die sie der EU zur Unterstützung ärmerer EU-Mitgliedstaaten in Aussicht gestellt hat. Zum anderen führt sie ab 1. Juli mit einer Art Notfallverordnung eine Anerkennungspflicht für ausländische Handelsplätze ein, die Wertpapiere von Schweizer Unternehmen anbieten wollen. Handelsplätze in der EU sollen diese Anerkennung nicht erhalten und können dann nicht mehr mit Schweizer Papieren handeln.

So will die Schweiz die EU austricksen. Denn Aktien, die in der EU nicht in nennenswertem Umfang gehandelt werden, dürfen von EU-Wertpapierhändlern auch in Drittländern gehandelt werden. Indem die Schweiz den Handel mit Schweizer Aktien an Börsen in der EU unterbindet, soll EU-Händlern der Handel mit Schweizer Papieren an der Schweizer Börse ermöglicht werden.

Welche Konsequenzen könnte die Entscheidungen für Händler in der EU und in der Schweiz haben?


Das ist noch unklar. In der Schweiz wird gehofft, dass das Handelsvolumen an der Börse in Zürich letztlich sogar wachsen könnte, wenn der Handel, der mit Schweizer Papieren in der EU nicht mehr möglich ist, in die Schweiz wandert. Ob die EU europäischen Händlern das wiederum erschweren will, ist noch unklar. Auf jeden Fall dürften die Handelsplätze in der EU den Umsatz verlieren, den sie bislang durch Geschäfte mit Wertpapieren von Schweizer Unternehmen machten.

Anleger sollten sich bei ihrer Depotbank erkundigen, welche Gebühren beim Handel in Zürich anfallen, sagt zudem Christiane Hölz, Juristin bei der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Teurer dürfte es für die Anleger auf jeden Fall werden, da zum Beispiel Wertpapiere übertragen oder Mittler zwischen Anbietern und Nachfrager zwischengeschaltet werden müssen.

Wie geht es jetzt weiter?


Die EU kann jetzt nur noch hoffen, dass sich mit ihrem Vorgehen nicht selbst ins Knie geschossen hat - was der Fall wäre, wenn es mehr dem EU-Finanzmarkt schadet als dem in der Schweiz. In Brüssel wird mittlerweile davon ausgegangen, dass mögliche Schlichtungsgespräche nicht vor den Schweizer Parlamentswahlen am 20. Oktober abgeschlossen werden können.

dpa-AFX