Die Energiewende schreitet zügiger voran denn je. Regenerative Quellen steuerten 2020 bis dato rekordhohe 56,2 Prozent zur Stromerzeugung in Deutschland bei. Vor allem Wind und Sonne laufen fossilen Brennstoffen und der Atomkraft immer mehr den Rang ab (siehe "Auf einen Blick"). Längst nicht überall ist die Energiewende gesetzlich derart fest verankert wie hierzulande. Daher weckte der jüngste Crash am Ölmarkt Zweifel an den Perspektiven der Erneuerbaren.

Die UBS teilt diese Skepsis nicht. In einer Nachhaltigkeitsstudie verweist die Großbank darauf, dass Sonnen- und Windstrom mittlerweile selbst mit den günstigsten fossilen Kraftwerken weitestgehend konkurrenzfähig sind. "Daran ändern der nie dagewesene - aber wahrscheinlich vorübergehende - Rückgang der Energienachfrage sowie die tiefen Ölpreise nichts", schreiben die Experten. Der Ausbau regenerativer Quellen bringt ihrer Ansicht nach neben Preisvorteilen und Nachhaltigkeit neue Arbeitsplätze sowie mehr Energieunabhängigkeit.

Für solche Argumente ist die Bundesregierung schon immer zu haben. "Eine Abkehr von fossilen Brennstoffen und eine verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien - nur so sind die ambitionierten Ziele des Klimaschutzprogramms 2030 zu erreichen", lautet ihr Credo. In den kommenden neun Jahren soll der Anteil von Sonne, Wind und Wasser an der Stromgewinnung auf 65 Prozent steigen.

In einem aktuellen Beschluss denkt die Große Koalition noch weiter. Bis 2040 möchte sie in Nord- und Ostsee Windräder mit einer Leistung von 40 Gigawatt installiert sehen. Vorausgesetzt, es herrscht keine Flaute, entspräche das in etwa der Leistung von 40 Atommeilern.

Zurück zu alten Höhen

An der Börse spürt der Sektor schon jetzt Rückenwind. Die heimischen Branchenvertreter sind dabei, die Corona-Korrektur aufzuholen, oder haben den V-förmigen Rebound bereits vollzogen.

Zur erstgenannten Gruppe zählt SMA Solar. Wir hatten den Spezialisten für Photovoltaikwechselrichter im vergangenen November (Ausgabe 46/2019) im Rahmen eines Branchenreports zum Favoriten gekürt. Rund zwei Monate später war das Kursziel erreicht. Doch dann drehte SMA dynamisch nach unten, fiel im März durch den Stoppkurs. Das Comeback läuft, wir raten erneut zum Einstieg.

Schließlich hat Vorstandschef Jürgen Reinert die Prognose für 2020 trotz Corona eben bestätigt. Er peilt einen Umsatz von einer bis 1,1 Milliarden Euro an. Damit würde SMA Solar um bis zu einem Fünftel wachsen. Dank eines starken ersten Quartals sind die Erwartungen laut Reinert bereits zu mehr als 60 Prozent durch Erlöse oder Aufträge abgedeckt. Beim Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) gibt der Vorstand eine Spanne von 50 Millionen bis 80 Millionen Euro als Ziel fürs laufende Jahr aus. 2019 hat SMA Solar hier mit 35 Millionen Euro den Turnaround geschafft.

Seit Jahren zeigen Umsatz und Ergebnis von Encavis nach oben. Daran dürfte sich beim Betreiber von Wind- und Solarparks auch 2020 kaum etwas ändern. Neben der Prognose fürs laufenden Jahr gilt bei den Hamburgern die mittelfristige Wachstumsstrategie: Bis 2025 plant der Vorstand bei den gehaltenen Erneuerbare-Energie-Anlagen eine Verdopplung der Stromerzeugungskapazität auf 3,4 Gigawatt, wetteradjustiert soll der Umsatz um annähernd 70 Prozent auf 440 Millionen Euro zunehmen. Daraus möchte die früher als Capital Stage firmierende Gesellschaft weiterhin eine stattliche Ebitda-Marge von drei Viertel erwirtschaften. Angesichts des Optimismus überrascht es nicht, dass der SDAX-Titel die Corona-Delle schnell ausgemerzt und das höchste Niveau seit der Jahrtausendwende erreicht hat. Auch wenn die Aktie das Tempo kaum wird halten können, raten wir weiterhin zum Kauf des Papiers.

Operatives Momentum, in Kombination mit einem Schuss Übernahmefantasie, macht PNE interessant. Um den Monatswechsel hat Goldman Sachs die Beteiligung an dem Windkraftprojektierer auf mehr als fünf Prozent erhöht. Der Vorstoß spricht dafür, dass Bewegung in die Aktionärsstruktur von PNE kommt (mehr dazu in BÖRSE ONLINE 23/2020). Ungeachtet dessen, bauen die Cuxhavener ihr Netzwerk weiter aus. Im ersten Quartal hat PNE allein in Deutschland drei neue Windparks in Angriff genommen. Im Eigenbetrieb liefen per 31. März Anlagen mit einer Nennleistung von 130,1 Megawatt - bis Ende 2023 soll die installierte Kapazität, vor allem auf dem Heimatmarkt, auf bis zu 500 Megawatt anwachsen.

Wette auf den Turnaround

Diese Pläne dürften Nordex gefallen. Wobei der Auftragseingang nicht das Problem des Windturbinenbauers ist. Per Ende März hatten die Hamburger einen Orderbestand von 5,8 Milliarden Euro. Im Projektgeschäft übertraf das Auftragsvolumen die laufenden Umsätze damit knapp um den Faktor 1,4. Doch Nordex tut sich seit Jahren schwer damit, den globalen Ausbau der Windkraft in Profit umzumünzen. Zuletzt rissen wegen Corona auch noch die Lieferketten, weshalb der Vorstand die Prognose für 2020 zurückzog. Dennoch sollte der Verlust im laufenden Jahr schrumpfen und Nordex 2021 auch unterm Strich wieder Gewinne einfahren. Das jüngste technische Kaufsignal erleichtert den Einstieg in die spekulative Turnaroundwette.