Knapp zehn Billionen Euro Schulden haben die Staaten der Eurozone angehäuft. Allen voran Griechenland, dessen Verschuldungsquote zum Ende des zweiten Quartals 2018 bei 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gelegen hat. Danach folgten Italien (133 Prozent) und Portugal (125 Prozent). Deutschland bringt es auf 62 Prozent, am geringsten verschuldet ist Estland mit gerade mal rund acht Prozent des BIP.

Aber - und das ist die gute Nachricht - gegenüber dem ersten Quartal hat die durchschnittliche Verschuldung in der Eurozone um 0,6 Prozentpunkte auf nun 86,3 Prozent abgenommen. Je nachdem, wie man es betrachtet, kann man aus diesen Zahlen also etwas Positives oder -etwas Negatives ablesen.

Halb voll oder halb leer?



Das gilt nicht nur für die Schulden, sondern auch für die Lage der Wirtschaft in der Eurozone. So hat sich das Verbrauchervertrauen im Euroraum im Oktober verbessert. Der von der EU-Kommission ermittelte Index stieg um 0,2 auf minus 2,7 Punkte. Dagegen gingen die vom britischen Marktforschungsinstitut Markit erhobenen Einkaufsmanagerindizes deutlich zurück - insbesondere in Deutschland. Der Indikator für die gesamte Eurozone fiel auf ein Zweijahrestief. Ist das Konjunktur-Glas nun halb voll oder halb leer?

Insgesamt neigen die Ökonomen eher zur Ansicht, das Glas sei halb leer. "Die Wachstumsdelle ist noch nicht vorbei", sagt etwa Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer. Aber auch wenn die Prognosen nicht gerade euphorisch sind, steht doch so ziemlich fest, dass sich die Wirtschaft in der Währungsunion auf Wachstumskurs befindet.

Von einer Rezession, also einer schrumpfenden Wirtschaft, ist die Union weit entfernt. So schätzt der Internationale Währungsfonds (IWF), dass das Euroland-BIP in diesem Jahr um 2,0 Prozent, 2019 um 1,9 Prozent und 2020 um 1,7 Prozent zulegen wird. Zum Vergleich: Für die USA erwartet der IWF in diesem Jahr ein Wachstum von 2,9 Prozent, im kommenden Jahr ein Plus von 2,5 Prozent und 2020 eines von 1,8 Prozent.

Behält die Organisation mit Sitz in Washington recht, nähern sich die Wachstumsraten der USA und von Euroland in den kommenden Jahren immer mehr einander an. Nun wird an der Börse ja bekanntermaßen die Zukunft gehandelt. Und wenn 2020 die USA und Euroland wirklich fast im Gleichschritt wachsen, dann sollten auch die Aktienmärkte ähnlich bewertet sein. Momentan aber weisen europäische Papiere -gegenüber den US-Konkurrenten einen deutlichen Bewertungsabschlag auf.

Das zeigt der Vergleich zwischen den jeweiligen Leitindizes, dem Dow Jones und dem Euro Stoxx 50: Das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) liegt beim Dow Jones bei 17,1, der Euro Stoxx bringt es nur auf 15,4. Beim Kurs-Buchwert-Verhältnis (Dow Jones: 4,0, Euro Stoxx: 1,6) und beim Kurs-Umsatz-Verhältnis (Dow Jones: 2,0, Euro Stoxx: 1,2) sind die Unterschiede noch eklatanter. Bei allen drei Größen gilt generell, dass ein Investment umso günstiger ist, je niedriger die jeweilige Kennzahl ist. Auch bei der Dividendenrendite sehen die Durchschnittswerte beim Euro Stoxx mit 3,7 Prozent deutlich besser aus als beim Dow Jones mit 2,2 Prozent - hier ist ein Investment umso lohnender, je höher die Dividendenrendite.

Rabatt in Euro



Damit weisen gemessen an diesen fundamentalen Kennzahlen europäische Aktien Vorteile gegenüber US-Papieren auf. Besonders interessant wird es für Anleger, wenn Papiere aus der Eurozone zusätzlich noch viel Potenzial bieten. Wir haben daher alle Titel des Euro Stoxx 50 auf Herz und Nieren geprüft und die Ergebnisse tabellarisch zusammengefasst (siehe Seite 2). Aus den 50 Aktien haben wir dann fünf besonders attraktive Unternehmen herausgefiltert, die detailliert vorgestellt werden. Wichtig war dabei, dass neben den Kennzahlen auch die Perspektiven gut sind.

Dazu kommt noch ein ETF auf den Euro Stoxx 50, der die Wertentwicklung des Index eins zu eins abbildet. Gut zu wissen: Der Index setzt auf die 50 größten Unternehmen in Euroland. Den höchsten Anteil machen dabei französische Unternehmen aus, gefolgt von deutschen und spanischen Gesellschaften. Ein ETF hat gegenüber aktiv gemanagten Fonds eine deutlich günstigere Kostenstruktur.



Der große Check



Wir untersuchten die 50 Schwergewichte des Euro Stoxx 50 auf Herz und Nieren. Dabei ging es zum einen um die Bewertung, die durch die Kennzahlen Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), Kurs-Umsatz-Verhältnis (KUV) und Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) ausgedrückt werden. Schnäppchenjäger achten darauf, dass diese Kennzahlen möglichst niedrig ausfallen. Daneben berücksichtigten wir auch die Dividendenrendite. Sie zeigt, welcher Rendite die zuletzt gezahlte Dividende gemessen am aktuellen Kurs entspricht. Das ist vor allem für längerfristig orientierte Anleger interessant, die Wert aufeine regelmäßige Ausschüttung legen, aber keine Anleihen kaufen wollen.

Die Schuldenquote gibt an, wie das Verhältnis von Fremdkapital zu Eigenkapital ausfällt. Je höher diese Zahl ausfällt, desto stärker ist das Unternehmen verschuldet. Allerdings gilt es dabei zu berücksichtigen, dass die einzelnen Branchen unterschiedliche durchschnittliche Schuldenquoten aufweisen: So liegt die Quote bei Banken oder Autoherstellern meist deutlich über der von Versicherern oder Konsumgüterherstellern. Zudem schauten wir auf die Eigenkapitalrendite. Sie zeigt, wie profitabel ein Unternehmen ist - US-Investmentlegende Warren Buffett etwa legt großen Wert auf diese Kennzahl. Schließlich schauten wir noch, wie hoch die jährliche Gesamtrendite, die sich aus Kursentwicklung plus gezahlter Dividende zusammensetzt, im Schnitt der vergangenen zehn Jahre war.

Die Top 5



Um in die Empfehlungsliste zu kommen, war neben einem guten Abschneiden bei diesen Kennzahlen auch wichtig, wie sich die Aktie zuletzt entwickelt hat. Papiere, die sich in den vergangenen Monaten schlecht entwickelt haben, fielen durch das Raster. Grund: Es ist nicht abzusehen, wie lange der negative Trend noch anhält. Zudem musste das Unternehmen in einer Branche mit guten Perspektiven tätig sein. Gemäß dieser Kriterien wählten wir fünf Top-Aktien aus (in der Tabelle gelb unterlegt), die wir auf den folgenden Seiten vorstellen.





Allianz-Aktie



Wer als Anleger Wert auf stetige Erträge legt, kommt an der Allianz-Aktie kaum vorbei. Europas größtes Versicherungsunternehmen schüttet regelmäßig rund die Hälfte seines Gewinns an die Aktionäre aus.

Steigt der Gewinn, legt also auch die Ausschüttung zu. Und genau das dürfte in den nächsten Jahren der Fall sein. Der Wirtschaftsdienst Bloomberg prognostiziert, dass der bereinigte Gewinn pro Aktie im Jahr 2020 bei rund 20 Euro liegen dürfte (zum Vergleich: im Jahr 2017 waren es 16,31 Euro). Gemessen am derzeitigen Kurs der Aktie läge die Dividendenrendite dann bei 5,4 Prozent.

Die Münchner profitieren von ihrer breiten Aufstellung, sie bieten in Sachen Versicherung so ziemlich alles an: von Schaden- und Haftpflichtpolicen über Kranken- bis zu Lebens- und Rentenversicherungen. Daneben betreibt der Konzern unter dem Namen Allianz Global Investors (AGI) auch eine Vermögensverwaltung. Dazu gehört auch die auf Anleihen spezialisierte Tochter Pimco. AGI verwaltet Vermögenswerte für Privatpersonen ebenso wie für institutionelle Anleger oder Pensionskassen. Chef Oliver Bäte will die Allianz zudem im Rahmen des Programms "Heritage & Renewal" ("Kontinuität & Erneuerung") fit für die Zukunft machen. Im Zentrum steht dabei die Kundenzufriedenheit, die durch besseren Service und Digitalisierung gesteigert werden soll.





Philips-Aktie



Gemeinhin gilt Philips noch als großer Elektrokonzern, der von Glühlampen über DVD-Player bis hin zu Stereoanlagen alles anbietet. Doch das stimmt nicht mehr: Die Niederländer konzentrieren sich mittlerweile auf das Thema Gesundheit. Philips ist in vier Segmenten tätig. Das größte mit mehr als 40 Prozent des Umsatzes ist die persönliche Gesundheit und umfasst Produkte für die Körperpflege wie etwa Rasierer oder Zahnbürsten sowie diverse Haushaltsgeräte. Das Segment Diagnose und Behandlung vertreibt Geräte zur bildgestützten Diagnose und Therapie sowie Ultraschallgeräte und konkurriert hier mit dem deutschen Wettbewerber Siemens Healthineers. Connected Care & Health Informatics bietet Instrumente zur Patientenversorgung und -überwachung an. Der vierte Bereich kümmert sich vor allem um Lizenzerlöse und Patente.

Philips leidet gerade unter den von US-Präsident Donald Trump errichteten Handelsbarrieren und muss nun seine Geschäftsprozesse anpassen, um Zölle zu umgehen. Das soll rund 60 Millionen Euro kosten. Da zudem auch die Zahlen für das dritte Quartal 2018 nicht gerade berauschend ausgefallen sind, hat die Aktie aktuell einen Dämpfer erhalten. Mittelfristig aber stimmt die Perspektive, wie etwa der gegenüber dem Vorjahr um elf Prozent gestiegene Auftragseingang im dritten Quartal des laufenden Jahres zeigt.





Safran-Aktie



Der französische Konzern Safran ist in den Bereichen Luft- und Raumfahrt sowie Verteidigung tätig. Damit ist er, wenn man so will, einer der Profiteure der Präsidentschaft von Donald Trump. Der US-Präsident fordert von den NATO-Partnern höhere Verteidigungsausgaben. Und seine Politik sorgt dafür, dass auch andere Länder außerhalb des Bündnisses aufrüsten. In der Hauptsache stellen die Pariser Triebwerke für zivile und militärische Flugzeuge her und machen damit mehr als die Hälfte ihres Umsatzes.

Daneben bieten sie diverse Komponenten für die beiden zivilen Riesenflugzeuge Airbus A 380 und Boeing 747 Dreamliner, den Militärtransporter A400M sowie das Kampfflugzeug Rafale an. Im reinen Militärbereich rüstet der Konzern militärisches Equipment aller Art mit Navigationssystemen aus und bietet Verschlüsselungs- und Identifikationstechnologien etwa für den digitalen Kampf an.

Der Konzern, an dem Frankreich mit 10,8 Prozent beteiligt ist, hat in den vergangenen Jahren immer wieder erfolgreich zugekauft, etwa das elektrische Systemgeschäft von Goodrich oder eine 50-prozentige Beteiligung am Hubschraubergeschäft von Rolls-Royce. Die Perspektiven sind gut, die Aktie liegt in einem langfristigen Aufwärtstrend (siehe Chart unten). Damit ist sie für alle Anleger interessant, die kein Problem damit haben, in ein Rüstungsunternehmen zu investieren.





Sanofi-Aktie



Rund um den Globus nehmen die Zivilisationskrankheiten deutlich zu: Unter Diabetes und Herz-Kreislauf-Problemen leiden immer mehr Menschen. Der französische Pharmagigant Sanofi hat einen seiner Schwerpunkte genau in diesen Bereichen. Zu seinen größten Umsatzbringern zählen die Insulinmarke Lantus sowie die Blutverdünner Plavix und Lovenox. Daneben aber setzen die Pariser auch auf seltenere Krankheiten wie Multiple Sklerose. Zudem haben sie eine Vielzahl nicht rezeptpflichtiger Medikamente gegen Erkältungen, Allergien, Schmerzen und Sodbrennen im Angebot. Eine große Impfstoffsparte rundet das Portfolio ab. Anfang 2017 verkaufte der Konzern sein bis dahin kleinstes Geschäftsfeld Tiergesundheitsprodukte, um sich auf sein Kerngeschäft mit Pharmazeutika und Impfstoffen zu konzentrieren.

Einer der großen Vorteile von Sanofi ist die breite geografische Aufstellung. 2017 setzte Sanofi 35,1 Milliarden Euro um, davon entfielen auf die USA 11,9 Milliarden, auf die Schwellenländer 10,3 Milliarden und auf Westeuropa 9,5 Milliarden (der Rest verteilt sich auf die übrige Welt). Größter Aktionär ist der französische Kosmetikgigant L’Oréal mit 9,4 Prozent. Sanofi entstand im Juni 2004 aus einer Fusion der beiden französischen Pharma-Unternehmen Sanofi-Synthélabo und Aventis, die ihrerseits ebenfalls aus Fu-sionen hervorgegangen waren.





SAP-Aktie



Im Softwarebereich gibt es ein Segment, das so richtig brummt: die Cloud. Immer mehr Unternehmen gehen dazu über, IT-Funktionen in diese Datenwolke auszugliedern und bei Bedarf darauf zuzugreifen. Der deutsche Softwaregigant SAP hat frühzeitig auf dieses Geschäft gesetzt und kann nun die Früchte ernten. In den letzten drei Jahren hat der Bereich ein durchschnittliches Wachstum von über 50 Prozent pro Jahr erzielt.

Zum Vergleich: Das angestammte SAP-Geschäft mit Unternehmenssoftware und -dienstleistungen hat im gleichen Zeitraum im Schnitt nur einstellig zugelegt. Neben der Cloud setzt Europas größter Softwarekonzern zunehmend auch auf künstliche Intelligenz und das Internet der Dinge. Die Walldorfer wollen Unternehmen mit Assistenzsystemen intelligenter machen, wie sie Privatleute im Alltag auch schon nutzen (etwa Amazons Alexa, Apples Siri oder Microsofts Cortana).

Daneben adressiert SAP immer mehr auch den Markt für Software zum Management von Kundenbeziehungen. Dieser sei gigantisch und wachse deutlich schneller als das angestammte Geschäft mit Software zur Unternehmensplanung (ERP), sagt Hartmut Thomsen, SAP-Chef für die Region Mittel- und Osteuropa inklusive Deutschland, Schweiz und Österreich. Gemessen am Börsenwert von 115 Milliarden Euro ist SAP das wertvollste Unternehmen Deutschlands.





iShares Euro Stoxx 50 ETF



Wer lieber gleich auf den Euro Stoxx 50 setzt, als aufwendig einzelne Titel auszuwerten, ist mit dem iShares Core Euro Stoxx 50 ETF gut bedient. Der ETF bündelt die 50 größten Unternehmen aus zwölf Euroländern. Die einzelnen Positionen sind genauso nach Marktkapitalisierung gewichtet wie im Index selbst. Mit 17,6 Prozent dominiert die Finanzbranche, gefolgt von IT und Telekommunikation (15,5 Prozent) und Konsumgütern (14,6 Prozent).

Bei den Einzeltiteln haben -Total (6,0 Prozent), SAP (4,4 Prozent), Sanofi (3,9 Prozent) und Siemens (3,8 Prozent) das größte Gewicht. Im laufenden Jahr büßte der ETF zwar 9,5 Prozent seines Werts ein, doch langfristig sind die Aussichten gut. Die Gesamtkostenquote liegt bei günstigen 0,1 Prozent, Dividenden werden automatisch wieder angelegt. Allerdings sollten Anleger bedenken, dass der Euro Stoxx 50 viele französische und deutsche Aktien enthält, was im Depot zu Klumpenrisiken bei DAX- und CAC-40-Werten führen kann.