Vor allem zur Wiederaufnahme der Anleihenkäufe und zur Einführung von Staffelzinsen gab es zahlreiche Gegenstimmen auf dem Treffen. Laut "Financial Times" hatte zudem der geldpolitische Ausschuss der Notenbank, in dem Experten der 19 nationalen Zentralbanken sitzen, Tage vor der Entscheidung dazu geraten, die Käufe nicht wieder aufzunehmen. Dennoch wurden sie beschlossen.

Die EZB scheine mitten in einem Rosenkrieg zu stecken, so der Chefvolkswirt von ING Deutschland, Carsten Brzeski: "Es ist nicht das erste Mal in der Geschichte der EZB, dass es abweichende Stimmen im EZB-Rat gegeben hat, aber sie waren selten so laut und anhaltend wie jetzt." Die Beschreibung der Uneinigkeit zwischen den Ratsmitgliedern habe etwa ein Viertel des Protokolls eingenommen und damit viel mehr als üblich, sagte Commerzbank-Volkswirt Michael Schubert.

Draghi hatte auf seiner vorletzten Zinssitzung - seine Amtszeit läuft Ende Oktober ab - noch einmal ganz tief in den Instrumentenkasten gegriffen. Die Währungshüter brachten ein umfassendes Paket zur Stützung der Wirtschaft auf den Weg. Der Einlagezins wurde um 0,10 Basispunkte auf minus 0,5 Prozent gesenkt, erneute Anleihenkäufe im monatlichen Volumen von 20 Milliarden Euro beschlossen und zudem Erleichterungen für Banken auf den Weg gebracht. Mehrere Ratsmitglieder wie Bundesbank-Chef Jens Weidmann und Frankreichs Zentralbank-Gouverneur Francois Villeroy de Galhau machten danach ihre Kritik an Teilen des Pakets öffentlich.

GROSSER DISSENS BEI ANLEIHENKÄUFEN


Laut dem Sitzungsbericht waren zwar die Euro-Wächter einhellig der Auffassung, dass wegen der länger anhaltenden Konjunkturschwäche eine erneute Lockerung der Geldpolitik angemessen sei. "Gleichzeitig wurden eine Reihe von Vorbehalten zu einzelnen Elementen des vorgeschlagenen geldpolitischen Pakets zum Ausdruck gebracht", hieß es im Protokoll. Eine sehr große Mehrheit befürwortete die Senkung der Einlagezinsen. Dagegen fand der Vorschlag zur Wiederauflage der Anleihenkäufe nur eine "klare Mehrheit". Manche betrachteten erneute Käufe von Schuldentiteln nur als Notfall-Instrument, das derzeit aber nicht gerechtfertigt sei. Wegen der bereits niedrigen Anleiherenditen seien weitere Transaktionen zudem wenig effektiv. Angemessen sei ein Maßnahmenpaket ohne Anleihenkäufe.

Ohne die Käufe wären einige Ratsmitglieder laut Protokoll sogar zu einer stärkeren Zinssenkung bereit gewesen. Dissens gab es zudem hinsichtlich der offenen Gestaltung der Käufe ohne konkretes Enddatum. An den Börsen könnten dadurch mit der Zeit Forderungen noch höheren monatlichen Kaufvolumina aufkommen, lauteten die Bedenken. Die gesetzten Kaufobergrenzen könnten dann in Frage gestellt werden. Diese seien aber wichtig, damit die Grenze zwischen Geldpolitik und Fiskalpolitik nicht verwischt werde. Beim Thema Staffelzinsen gab es ebenfalls "eine Reihe von Vorbehalten." Manche Währungshüter warnten vor Nebenwirkungen, die damit verbunden sein könnten.

rtr