Facebook-Chef Mark Zuckerberg leistet sich derzeit einen Luxus, den sich im Internet-Zeitalter des "Immer schneller, immer wilder" eigentlich keiner mehr so richtig leisten kann. Man bitte "um etwas Geduld, damit wir das alles richtig gut hinkriegen", sagte der Harvard-Abbrecher am Mittwoch Abend in einer Telefon-Konferenz mit Analysten mit Blick auf den Facebook-Messenger.

Das Programm, mit dem sich die U30-Generation datet oder Tipps zu den angesagtesten Clubs verschickt, hat weltweit bereits 700 Millionen User und damit mehr als doppelt so viel wie Twitter. Doch während der Kurznachrichtendienst derzeit einigermaßen verzweifelt nach einem tragfähigen Geschäftsmodell sucht und komplett vom Erfolg seines Mikro-Bloggingdienstes abhängt, will sich Zuckerberg die nötige Zeit nehmen, um mit dem Messenger irgendwann richtig Geld zu verdienen.

Den langen Atem kann Zuckerberg sich leisten. Denn im Kerngeschäft wächst Facebook ungebremst. Angetrieben von einem erneut rasanten Anstieg der Mobil-Werbung auf Handys, kletterte der Umsatz im abgelaufenen zweiten Quartal gleich um 39 Prozent und knackte damit erstmals die Marke von vier Milliarden Dollar. Zwar gab das Netto-Ergebnis um neun Prozent auf 719 Millionen Dollar nach. Doch Analysten begleiten die Entwicklung mit branchen-untypischer Nachsicht. "Facebook", sagte etwa Brian Wieser von Pivotal Research gaaaanz verständnisvoll, "hat zuletzt wiederholt gesagt, dass dies ein Jahr der Investitionen ist." Aber es gebe noch so viele "Initiativen, die zu weiterem Wachstum beitragen könnten." Da müsse man eben abwarten.

Tatsächlich steckt Zuckerberg derzeit Milliarden in neue Erlösquellen. Alleine binnen Jahresfrist ist die Mitarbeiteranzahl um gut die Hälfte auf inzwischen rund 11.000 hauptamtliche Facebooker gestiegen. Dazu investiert der Konzern kräftig in neue Rechenzentren - und die neuen Produkte.

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Aber die Chancen sind auch gewaltig. Alleine der 2014 übernommene Messaging-Dienst WhatsApp zählt mittlerweile weltweit 800 Millionen Nutzer. Beim 2012 zugekauften Bilderdienst Instagram sind es weitere 300 Millionen. Und dann gibt’s natürlich noch die Kernzielgruppe. 1,49 Milliarden Nutzer nutzen Facebook inzwischen weltweit, 968 Millionen von ihnen täglich. Analysten schätzen, dass Internet-User weltweit im Schnitt rund 46 Minuten täglich auf Facebook und seinen Ablegern WhatsApp, Instagram und Co. verbringen.

Doch während Facebook mit seinem Kernangebot vor allem via Smartphone-Werbung schon ordentlich Werbedollars einspielt, steht der Konzern bei WhatsApp und Instagram noch am Anfang. "Kein anderes Tech-Unternehmen" resümiert etwa James Cakmak, Analyst bei Monness Crespi Hardt, habe "vergleichbare Wachstumsmöglichkeiten wie Facebook". Die will Facebook-Boss Zuckerberg nun in aller Ruhe heben. Doch ob die Wall Street die nötige Geduld dafür hat oder nicht, dürfte dem Hoodie-Fan am Ende ziemlich wurscht - allen Investoren-Appellen zum Trotz.

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Einschätzung der Redaktion



Facebook wächst derzeit vor allem mit Mobilwerbung. Im abgelaufenen Quartal kamen rund drei Viertel des Umsatzzuwachses von 39 Prozent aus dem Digital-Geschäft mit Smartphones.

Derzeit gibt es überhaupt nur einen Wettbewerber, der Facebook dort das Wasser reichen kann: Google. Der Suchmaschinenriese vereinigt im laufenden Jahr rund 35 Prozent der weltweiten Mobilwerbe-Erlöse von 69 Milliarden Dollar auf sich. Facebook ist die Nummer 2, wächst aber schneller. Eine weitere Parallele: Google (Youtube) und Facebook setzen voll auf Videos. Zudem stecken beide Konzerne Milliarden in Entwickler und neue Produkte.

Beispiel 3D-Brillen: Facebook will seine überarbeitete Oculus Rift 2016 an den Start schicken, Google feilt offenbar bereits mit Hochdruck am Nachfolger des Anfang 2015 wegen massiver Datenschutzbedenken zunächst vom Markt genommenen Modells Google Glass.

Auch bei der Profitabilität sind beide Internet-Riesen längst auf Augenhöhe. Google kam im jüngsten Quartal auf eine operative Marge von 27 Prozent, Facebook schaffte trotz des um rund 82 Prozent auf rund 2,8 Milliarden Dollar gestiegenen Aufwands eine operative Marge 31,5 Prozent. Das ist beachtlich. Zudem hat das Unternehmen angekündigt, dass die geplanten Investitionen im laufenden Jahr etwas geringer ausfallen werden, als zunächst geplant. Statt des zuletzt geplanten Anstiegs um bis zu 65 Prozent soll es nun nur noch um 60 Prozent nach oben gehen.

Und die weiteren Aussichten sind hervorragend. Facebook hat im Kerngeschäft gezeigt, wie man Werbeerlöse erzielt, ohne User zu verprelle. Bei Instagram liegt das Geschäft noch brach. Auch bei WhatsApp oder dem Messenger sind die Erlöse bislang bestenfalls noch homöopathisch. Doch dürfte sich das bald ändern.

Mit einem KGV von rund 36 Prozent ist die Aktie keinesfalls günstig. Aber bei Digitalwerbung kommt kaum noch ein großes Unternehmen an Facebook vorbei. Und wenn Zuckerbergs Mannschaft die neuen Produkte erst mal marktreif hat und die Erlöse über Instagram oder WhatsApp ins Rollen kommen, dürfte sich das sehr positiv auf die Ertragslage auswirken.

Auch charttechnisch ist alles im grünen Bereich. Der Aufwärtstrend ist intakt. Wir sehen ein Kursziel von 120 Dollar. Kaufen.

Zum Autor:

Thomas Schmidtutz ist Chefredakteur von www.boerse-online.de. Der Wirtschaftsjournalist schreibt seit der Jahrtausendwende über die neuesten Trends in der IT-Szene. Außerdem kümmert sich der bekennende Ü30-Journalist schwerpunktmäßig um die deutschen Autobauer, Konjunkturthemen - und derzeit besonders intensiv um die Hellas-Krise.