Zudem muss die Befürworterin einer lockeren geldpolitischen Linie 2017 mit weiteren Risiken leben: Mit Trumps Plänen für Steuersenkungen und massive Konjunkturhilfen könnte die US-Wirtschaft überhitzen und der Preisauftrieb außer Kontrolle geraten. Yellen, die ihren Kurs nun verschärfen und die Zügel nächstes Jahr mehrmals anziehen will, wird wohl eine gehörige Portion Führungsstärke dafür brauchen.

"Eines steht fest: Die Fed-Präsidentin steht vor dem schwierigsten Jahr ihrer Notenbanktätigkeit", prophezeit Ökonom Cyrus de la Rubia von der HSH Nordbank. Durch eine Kombination aus überhitzter Wirtschaft und straffen Zinserhöhungen drohe ein explosives Gemisch: "Das könnte durchaus in einen Abschwung führen, angefangen mit dem Immobilienmarkt und der Autobranche, wo Ratenkäufe üblich sind."

Die Europäische Zentralbank blickt ebenfalls mit Sorge auf die Entwicklungen jenseits des Atlantiks: "Die aus der US-Präsidentschaftswahl resultierende politische Unsicherheit hat zugenommen", konstatiert die EZB in ihrem Wirtschaftsbericht. In der Folge hätten sich die Finanzierungsbedingungen verschärft.

Auch der von der Wahl Trumps ausgelöste Höhenflug des Dollar hat seine Tücken: "Für die US-Unternehmen, die ihre Gewinne zu einem großen Teil im Ausland erwirtschaften, ist dies gleichbedeutend mit sinkenden Gewinnen und rückläufiger Wettbewerbsfähigkeit", warnt Experte De la Rubia. Yellen und ihre Kollegen in der Führungsetage der Fed hatten sich jüngst zum einzigen Zinsschritt nach oben in diesem Jahr durchgerungen. Der Schlüsselsatz zur Versorgung der Banken mit Geld liegt seither in einer Spanne zwischen 0,50 bis 0,75 Prozent. Ob es zügig weiter nach oben geht, liegt auch an den Weichenstellungen im Weißen Haus: "Sobald die Regierung Trump ab dem 20. Januar ihre Geschäfte aufnimmt und erste größere Maßnahmen umsetzt, werden die Karten in Sachen Zinsen neu gemischt", meint Fed-Beobachterin Christiane von Berg von der BayernLB.

"WOLKE DER UNSICHERHEIT"



Die Notenbank, deren Doppelmandat Vollbeschäftigung und stabile Preise lautet, sieht sich hier fast am Ziel. Yellen betonte jüngst die Stärke des US-Arbeitsmarkts. Berufsanfänger hätten derzeit die günstigsten Aussichten seit fast einem Jahrzehnt. Es gebe zudem Anzeichen dafür, dass das Lohnwachstum zulege. Damit sind auch die Perspektiven gut, dass die angepeilte Inflationsmarke von zwei Prozent in absehbarer Zeit erreicht wird. Doch diese rosigen Aussichten werden durch eine "Wolke der Unsicherheit" getrübt, wie Commerzbank-Ökonom Bernd Weidensteiner meint: "Es könnte sich Furcht breitmachen, dass Trump der Wirtschaft einen zu starken Schub verleiht." Falls dies zu einer aggressiveren Gangart der Federal Reserve führe, dürfte Trump "nicht begeistert sein", sagt der Experte.

Trumps Verhältnis zu Yellen gilt ohnehin als schwierig: Der Republikaner ihr vorgeworfen, die Zinsen künstlich niedrig zu halten, um das Platzen einer Börsenblase unter dem demokratischen Präsidenten Barack Obama zu verhindern. Die mehr als 100 Jahre alte Fed ist zwar unabhängig von der Politik, doch hat Trump mit seinen verbalen Breitseiten deutlich gemacht, dass er einen eher hemdsärmeligen Stil pflegt. Hinzu kommt, dass republikanische Kongressabgeordnete darauf dringen, die als übermächtig empfundene Notenbank an die kurze Leine zu legen.

Einige Republikaner wollen das Doppelmandat der Fed massiv einschränken. Trump hat offengelassen, ob er diese Bemühungen unterstützt. Doch mit der Besetzung vakanter Fed-Direktorenposten könnte er das Personaltableau verändern und der Notenbank so seinen Stempel aufdrücken. Der für die Zinspolitik zuständige Offenmarktausschuss (FOMC) ist bei voller Besetzung zwölfköpfig. Doch seit geraumer Zeit sind zwei Posten vakant. Obama gelang es gegen den Widerstand im Kongress nicht, sie zu besetzen.

Dies dürfte sich unter seinem Nachfolger ändern. Statt fünf, könnte es dann sieben vom Staat ernannte stimmberechtigte Führungsmitglieder im FOMC geben. Diese Gruppierung hätte damit eine klare Mehrheit in dem Gremium, in dem zudem fünf nach einem Rotationsverfahren ausgewählte Präsidenten der regionalen Fed-Ableger sitzen. Yellen hat sich strikt gegen das Vorhaben gestellt, ihre Politik stärker überwachen zu lassen oder an eine feste Formel zu binden. Im Gespräch war dabei die nach dem US-Ökonomen John Taylor benannte Regel zur Bestimmung des je nach Konjunkturlage angemessenen Leitzinses. Pikanterweise gilt Taylor als potenzieller Kandidat für Yellens Nachfolge, deren Amtszeit regulär am 3. Februar 2018 endet.

rtr