"Wenn die Mehrwertsteuersenkung erst Anfang Juli in Kraft tritt, wird auch der Juni ein schwieriger Monat", befürchtet etwa die Chefin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller.

Das sehen auch Ökonomen so. "Die Senkung der Mehrwertsteuer im zweiten Halbjahr bewirkt nicht nur, dass Nachfrage von 2021 vorgezogen wird, sondern auch, dass sich Nachfrage von Juni in das zweite Halbjahr verschiebt", sagt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. "Aber der Juni-Effekt ist nicht zu vermeiden, weil die Senkung der Mehrwertsteuer aus administrativen Gründen einen gewissen Vorlauf erfordert."

Weil der private Konsum etwa zwei Drittel des Bruttoinlandsproduktes ausmacht, könnte eine starke Kaufzurückhaltung der Verbraucher im Juni die erwartete Rekordrezession noch etwas verstärken. Wegen des beispiellosen Shutdowns im April rechnen Ökonomen damit, dass die Wirtschaft im laufenden Frühjahrsquartal um mehr als zehn Prozent einbrechen dürfte und damit so stark wie noch nie seit Bestehen der Bundesrepublik. Dafür dürfte die Erholung dann ab der zweiten Jahreshälfte etwas stärker als bislang gedacht ausfallen, wenn Konsumenten und auch Unternehmen ihre Anschaffungen dann tätigen.

SCHNÄPPCHEN SOLLEN KUNDEN KÖDERN


Um den Juni nicht ganz abzuschreiben, locken einige Geschäfte ihre Kunden bis zur Mehrwertsteuersenkung mit Aktionen. "Viele Möbel- und Küchenhändler werden mit Sicherheit Maßnahmen ergreifen, um einer Kaufzurückhaltung bis 1. Juli entgegenzuwirken, auch wenn sie bis dahin 19 Prozent Mehrwertsteuer an den Fiskus abliefern müssen", erwartet der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Wohnen und Büro, Thomas Grothkopp. Die Möbelhauskette Höffner etwa lockt bereits mit dem Versprechen: "Schon jetzt: MwSt-Vorteil - Auf alle Möbel, Küchen und Matratzen".

Bei größeren Anschaffungen wie Küchen und Autos kann sich die Steuersenkung durchaus bezahlt machen. Bei Kosten von 20.000 Euro lassen sich so rund 500 Euro sparen - immer vorausgesetzt, die Geschäfte geben die niedrigere Mehrwertsteuer auch an ihre Kunden weiter. Der Handelsverband Deutschland (HDE) geht davon aus, dass dies der Fall sein wird. "Der Einzelhandel ist durch eine hohe Wettbewerbsintensität gekennzeichnet, eine reduzierte Mehrwertsteuer wirkt in diesem Umfeld tendenziell preissenkend und kommt dem Verbraucher zugute", sagt HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Der Handelsriese Rewe kündigte bereits an, die Steuersenkung an die Kunden weiterzugeben.

Wer nicht dringend auf größere Anschaffungen angewiesen ist, könnte diese angesichts der unsicheren wirtschaftlichen Lage aber nicht nur auf den Juli, sondern noch weiter hinausschieben. "Das hängt stark daran, ob man voll arbeiten kann und der Job sicher ist", sagt BayernLB-Chefvolkswirt Jürgen Michels. "Viele sind noch in Kurzarbeit, weswegen der Konsum im Juni und auch im Juli nicht deutlich anziehen dürfte." Der HDE etwa geht davon aus, dass die Mehrwertsteuersenkung ihre Wirkung vor allem im Herbst- und Weihnachtsgeschäft entfalten wird. "Dann werden mehr großvolumige Einkäufe getätigt - etwa, wenn der neue Fernseher gekauft wird", prognostiziert Hauptgeschäftsführer Genth. BayernLB-Chefökonom Michels sieht das ähnlich: "Ich erwarte die größten Effekte erst im Weihnachtsgeschäft. Dann wird sich auch die Situation am Arbeitmarkt langsam normalisiert haben."

Zumindest in der Autobranche wird darauf gehofft, dass die Kunden schon früher zurückkehren. "Zunächst zurückgestellte Kaufentscheidungen können jetzt getroffen werden", sagt der Präsident des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK), Jürgen Karpinski, auch mit Blick auf das Ende der Debatte über neue Kaufprämien für Autos. "Einen spürbaren Schub bei den Fahrzeugauslieferungen erwarten wir ab Anfang Juli, wenn die Absenkung der Mehrwertsteuer greift."

rtr