Die Luft- und Raumfahrtbranche ist in aller Munde: Nachdem der Milliardär Richard Branson am 11. Juli mit dem Raumschiff Space Ship Two seines Unternehmens Virgin Galactic einen Testflug ins All unternommen hatte, hat Jeff Bezos, Gründer von Amazon und Chef der US-Raumfahrtfirma Blue Origin, neun Tage später nachgezogen. Nun warten Investoren gespannt, wann Elon Musk, Tesla-Chef und Gründer von SpaceX, seinerseits einen Versuch starten wird.

Trotz des Hypes um das Trio sind vielen Investoren die überraschend guten Zahlen des US-Flugzeugbauers Boeing und die Prognoseanhebung des Konkurrenten Airbus nicht entgangen. Umso genauer analysieren Anleger die Lage in der Branche und überlegen, welche Aktien aus dem Sektor im Steilflug bleiben könnten.

Boeing hat im vergangenen Jahr erheblich unter der Pandemie und den hausgemachten Problemen nach zwei vorherigen Flugzeugabstürzen seines ehemaligen Verkaufsschlagers 737 MAX gelitten, woraufhin der Absatz auf insgesamt 157 Maschinen eingebrochen ist. Damit lagen die Amerikaner weltweit auf Platz 2 hinter dem Branchenprimus Airbus (566 Flugzeuge) und vor dem brasilianischen Wettbewerber Embraer, dem kanadischen Konkurrenten Bombardier und der Commercial Aircraft Corporation of China (COMAC).

Geschäft belebt sich

Im zweiten Quartal 2021 hat sich das Geschäft von Boeing allmählich weiter erholt. Dabei sind die Auslieferungen von Verkehrsflugzeugen von 77 für das erste Quartal auf 79 geklettert, wovon 50 auf die Kleinraumflugzeuge des Typs 737 entfielen. Dabei ist der Umsatz um 44 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 17 Milliarden Dollar gestiegen. Davon stammten sechs Milliarden Dollar aus dem Bereich Verkehrsflugzeuge, hinzu kommen knapp sieben Milliarden aus der Sparte Rüstung, Raumfahrt und Sicherheit sowie 4,1 Milliarden aus dem Servicegeschäft. Überzeugt hat Investoren zudem, dass der Konzern einen bereinigten Gewinn je Aktie von 0,40 Dollar erwirtschaftet hat - das war der erste Profit seit fast zwei Jahren.

Wegen der Belebung des Geschäfts will Boeing entgegen den bisherigen Planungen keine weiteren Mitarbeiter abbauen, sondern die Zahl bei rund 140 000 stabil halten - ein Rückgang um 13 Prozent gegenüber vor der Pandemie -, vor allem um sich für die Erhöhung der Produktion in den kommenden Jahren vorzubereiten. "Wir kriegen die Kurve, und die Erholung gewinnt an Dynamik", so Vorstandschef Dave Calhoun. "Ich habe schon zuvor gesagt, dass wir dieses Jahr als kritischen Wendepunkt betrachten, und es sieht so aus, als ob es genau dieser werden wird."

737 MAX-Produktion verdoppeln

Der Flugzeugbauer stellt aktuell 16 Maschinen des Typs 737 MAX pro Monat her und will die Produktion bis Anfang nächsten Jahres schrittweise auf 31 erhöhen. Nachdem die US-Luftfahrtbehörde FAA im November 2020 die Wiederaufnahme des Betriebs des Modells genehmigt hatte, ist Boeing in Gesprächen mit der chinesischen Luftfahrtbehörde CAAC und zuversichtlich, bis zum Jahresende in dem weltweit zweitgrößten Luftverkehrsmarkt eine Erlaubnis zu bekommen. Allerdings haben sich zuletzt die Fronten im Handelskrieg zwischen den USA und China weiter verhärtet, weshalb die chinesischen Behörden den US-Konzern weiter zappeln lassen könnten. Das Unternehmen hat zudem weiterhin mit Nachbesserungen bei dem Großraumflugzeug des Typs 787 Dreamliner zu kämpfen, weshalb dessen Produktionsrate auf weniger als fünf pro Monat gesunken ist und anschließend schrittweise wieder gesteigert werden soll.

Der Konzern geht davon aus, dass sich der weltweite Passagierverkehr in den nächsten Jahren weiter erholen und 2023 bis 2024 das Niveau von 2019 wieder erreichen wird. Dabei werde der US-Markt die Belebung anführen, gefolgt von regionalen Märkten wie dem Binnenluftverkehr in Europa und Asien, wohingegen es beim internationalen Langstreckenverkehr am langsamsten aufwärtsgehen werde. Dabei würden sich die Fluggesellschaften auf die mittelfristige Planung ihrer Flotte fokussieren, wodurch die Zahl der ausgemusterten Maschinen weiter steigen werde, weil die Airlines verstärkt auf spritsparende Modelle setzen würden.

Daher werde sich die Nachfrage nach Kleinraumflugzeugen schneller erholen als jene nach Großraummaschinen. Zuletzt war der Auftragsbestand von Boeing auf insgesamt 4155 Maschinen im Wert von 285 Milliarden Dollar gestiegen. Dabei hat die US-Fluggesellschaft United Airlines zuletzt 200 Maschinen des Typs 737 bestellt, während der Wettbewerber Southwest Airlines 34 Flugzeuge des gleichen Typs geordert hat. Hinzu kamen Aufträge für 31 Frachtmaschinen. BÖRSE ONLINE stuft die Aktie auf "Beobachten" hoch. Allerdings hat sie mit einem 2022er-KGV von 40,8 schon viel von der Geschäftsbelebung eingepreist.

Prognose erhöht

Beim Branchenprimus Airbus hat sich das Geschäft deutlich stärker erholt, während die MDAX-Aktie im Steilflug unterwegs ist in Richtung des Rekordhochs vom Januar 2020. Daher gilt es als sicher, dass das Papier im September in den DAX aufsteigt, wenn der Index von 30 auf 40 Werte aufgestockt wird. Die Deutsche Börse gibt das Ergebnis der Überprüfung am 3. September bekannt. Bislang war Airbus die Mitgliedschaft im DAX verwehrt, weil der Haupthandel mit dem Papier in Paris erfolgt. Künftig ist sie allerdings nur noch vom Börsenwert, gemessen am Free Float, abhängig.

Airbus hat die Auslieferungen von 125 Maschinen für das erste Quartal auf 172 im zweiten gesteigert. Dabei kletterte der Umsatz um 70 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 14,2 Milliarden Euro. Davon stammten 10,5 Milliarden Euro aus dem Verkauf von Verkehrsflugzeugen, der Rest entfiel auf das Geschäft mit Rüstung und Raumfahrt sowie auf Helikopter. Dabei erreichte der bereinigte Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) 2,0 Milliarden Euro.

Die Prognose für das Gesamtjahr schraubte Vorstandschef Guillaume Faury nach oben. So sollen rund 600 Verkehrsflugzeuge ausgeliefert werden, nachdem zuvor die 566 aus dem Krisenjahr 2020 als Mindestziel galten. Im Rekordjahr 2019 waren es noch 863.

Wachstumsmotor sind die Kleinraumflugzeuge der A320-Familie. Deren Produktion soll von zuletzt 40 pro Monat bis zum Jahresende auf 45 gesteigert werden. Für 2023 peilt der Firmenlenker sogar einen Rekord von 64 Maschinen an und für 2025 von 75. "Wir arbeiten nun daran, den Produktionshochlauf der A320-Familie abzusichern", sagte Faury. Nachdem Airbus im ersten Halbjahr Nettobestellungen von 38 Zivilflugzeugen verbucht hatte, lag der Auftragsbestand Ende Juni bei stattlichen 6925 Maschinen. Zudem soll Airbus 2021 ein bereinigtes Ebit von rund vier Milliarden Euro erwirtschaften, doppelt so viel wie ursprünglich geplant. Der Konzern peilt außerdem einen Free Cashflow vor Fusionen, Übernahmen und Kundenfinanzierungen von rund zwei Milliarden Euro an, statt des zuvor anvisierten Break-even.

Mittelfristig will Faury Boeing in dessen Domäne bei großen Frachtflugzeugen angreifen. Nachdem der Aufsichtsrat von Airbus seine Zustimmung erteilt hat, kann Faurys Truppe eine Frachtversion auf Basis des Passagierjets A350 entwickeln. Der Neuling soll 2025 den Betrieb aufnehmen. "Wir sind im Markt für Großraumfrachter bisher kaum vertreten. Das ist fast exklusiv ein Feld von Boeing", sagte Faury.

Für risikobereite Anleger ist die Aktie von Bombardier attraktiv. Der Konzern hat im Juni 2020 das kleine Geschäft mit Verkehrsflugzeugen für 585 Millionen Dollar an Mitsubishi Heavy Industries veräußert und verkauft nur noch Privatjets wie das Flaggschiff Global 7500. Im zweiten Quartal stieg der Absatz um 45 Prozent auf 29 Maschinen, der Umsatz legte gegenüber dem bereinigten Vorjahreswert um 50 Prozent auf 1,5 Milliarden US-Dollar zu. Das lag deutlich über den Schätzungen der Analysten von 1,3 Milliarden Dollar.

Vorstandschef Eric Martel hat die Absatzprognose für das Gesamtjahr von 110 bis 120 auf rund 120 Stück erhöht, zumal der Auftragsbestand zuletzt bei 10,7 Milliarden Dollar lag. Martel erwartet, dass der Auftragseingang für den Global 7500 bis zum Jahresende Fahrt aufnehmen wird. Zudem schraubte der Firmenlenker die Umsatzprognose von "mehr als 5,6 Milliarden" auf "mehr als 5,8 Milliarden Dollar" nach oben. Außerdem soll der bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) mehr als 575 Millionen Dollar erreichen statt der bislang geplanten mehr als 500 Millionen Dollar. Martel hat den Schuldenabbau zu einer seiner Hauptaufgaben gemacht und die Nettoschulden zum Ende des zweiten Quartals kräftig abgebaut auf knapp 5,3 Milliarden Dollar.

 


Auf einen Blick

Flugzeugbauer

Der Markt für Verkehrsflugzeuge war 2020 rund 100 Milliarden Dollar groß und erholt sich deutlich von der Pandemie. Laut Schätzungen soll er in den nächsten fünf Jahren um durchschnittlich neun Prozent pro Jahr wachsen.