Höchste Warnstufe in Paris. Weil sich derzeit zu viele Menschen in der Hauptstadt mit dem Coronavirus anstecken, ordnet die Regierung strikte Maßnahmen an: Bars, Clubs, Cafés und Fitnessstudios müssen im Großraum Paris für mindestens zwei Wochen schließen. Auch aus anderen Gebieten Frankreichs werden steigende Infektionszahlen gemeldet, jedoch bleibt man dort von derart drastischen Maßnahmen verschont. Noch. Denn Präsident Emmanuel Macron bereitet die Bevölkerung bereits auf "mehr Einschränkungen" vor.

Die Regierung reagiert nervös, weil das Krankenhaussystem einer zweiten Infektionswelle wohl nicht standhalten wird. Dennoch kommt das Vorgehen der französischen Regierung insgesamt nicht gut an. Laut einer Umfrage bereiten die immer neuen Corona-Höchststände drei Viertel der Bevölkerung Sorgen. Aber nur ein Drittel der Menschen vertraut dem Präsidenten und der Regierung beim Kampf gegen die Pandemie.

Mehr Neuinfektionen als in den USA


Die Regierung ihrerseits appelliert vor allem an das Verantwortungsbewusstsein der Bürger. Die Regeln für Hygiene, Abstand und Masken seien strikt einzuhalten. In vielen Städten müssen die Bürger jetzt auch im Freien eine Maske tragen, in Unternehmen und den meisten Schulen gilt die Pflicht ohnehin schon.

Fakt ist: Gemessen an der Bevölkerungszahl hat Frankreich bei den Neuinfektionen jetzt sogar die USA überholt: auf eine Million Einwohner infizieren sich täglich - über sieben Tage geglättet - 128 Personen, in den USA sind es 110.

Dabei war die Staatsführung vor wenigen Wochen noch guter Dinge, die Lage in den Griff zu bekommen. Man war ja auch nicht untätig: Mit dem beschlossenen Haushalt für 2021 hat Frankreich ein Wiederaufbauprogramm über 100 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. 42 Milliarden Euro, fast die Hälfte des Programms, sollen bis Ende 2021 ausgezahlt sein. Der Etat steht ganz im Zeichen der Bekämpfung der schwersten Krise seit 1929. Auf zehn Prozent schätzt die Regierung den Einbruch der Wirtschaftsleistung, womit sie etwas pessimistischer ist als die Banque de France, die von rund neun Prozent ausgeht, oder der IWF, der ein Minus von knapp über sieben Prozent errechnete.

Kräftiger Aufschwung 2021?


Für 2021 erwartet Paris dann einen kräftigen Aufschwung mit einem Wachstum um acht Prozent - der IWF sieht nur 4,5 Prozent. Im Lauf des Jahres 2022 soll wieder das Niveau der Wirtschaftsaktivität von 2019 erreicht sein. Auch dank der Gelder aus Paris: Gut 1,5 Prozentpunkte Wachstum fürs Bruttoinlandsprodukt (BIP) soll allein die staatliche Anschubhilfe bringen. Dafür werden allerdings die Staatsschulden stark steigen. Das Defizit für 2020 beziffert die Regierung auf 10,2 Prozent des BIP, 2021 würden es noch 6,7 Prozent sein.

Der vorsichtige Optimismus gepaart mit den aktuellen Problemen spiegelt sich an der Börse wider. Sowohl der Leitindex CAC 40 wie auch der Nebenwerteindex CAC Mid haben zwar seit dem Tief im März zugelegt, allerdings längst nicht so deutlich wie der deutsche DAX. Trotzdem gibt es spannende Aktien. Etwa Saint-Gobain. 1665 gegründet, zählt es zu den ältesten Unternehmen der Welt. In den Bereichen Flachglas, Baustoffe, Industriekeramik, Hochleistungskunststoffe und Baustoffhandel ist es Weltmarktführer oder zumindest in Europa ganz vorn dabei. Der Ausblick hat sich dank der erwarteten Konjunkturprogramme aufgehellt. Saint-Gobain dürfte davon besonders profitieren, schreibt JP Morgan in einer Analyse. Zuletzt schaffte die Aktie es auch auf die Premiumempfehlungsliste der Société Générale.

Interessant ist auch Safran. Das Unternehmen entstand 2005 aus der Fusion des Aeronautikkonzerns Snecma und der Rüstungstechnikfirma Sagem. Safran ist sehr innovativ, investiert sieben Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Seit diesem Jahr ist Safran auch Teil eines deutsch-französischen Projekts zur Entwicklung eines gemeinsamen Kampfjets. Dank dieses Projekts kann Safran seinen Wirkungskreis im Bereich Navigation und Sensorik erweitern. Zudem kommt die Entwicklung der nächsten Kampfjet­generation auch dem Drohnengeschäft der Franzosen zugute.

Zuletzt Scor. Der Rückversicherer hat die prognostizierten Belastungen wegen Covid-19 im zweiten Quartal als Rückstellung verbucht und rote Zahlen geschrieben. Nun zeichnet sich ab, dass die Belastungen teilweise niedriger sind. Damit hat Scor Reserven, die den kommenden Quartalen zugutekommen. Die Pandemie sorgte aber auch dafür, dass die Preise für Rückdeckung steigen. Davon wird die Nummer 4 der Branche profitieren. Vor allem im Sachgeschäft wird nun mit höheren Wachstumsraten gerechnet. Spannend: 2018 erhielt Scor ein Übernahmeangebot in Höhe von 43 Euro pro Aktie vom Versicherer Covea, das man als zu gering zurückwies. Gut möglich, dass zu den aktuell niedrigeren Kursen ein neues Angebot kommt.