Friedrich Flick, 1883 in Ernsdorf im Siegerland als Sohn eines Kleinlandwirts und Grubenholzhändlers geboren, machte nach dem Abitur eine Lehre als Kaufmann und studierte danach in Köln Betriebs- und Volkswirtschaft. Angeblich las er bereits in seiner Jugend eifrig Unternehmensbilanzen. An der Universität wurde er ständig wegen seiner Sparsamkeit gehänselt - er trug noch jahrelang die Uniformhosen, die er nach der einjährigen Dienstzeit als Freiwilliger bei einem Infanterieregiment in Kassel behalten hatte.

Nach dem Studium stieg er mit 32 Jahren zum Vorstand und später zum Generaldirektor der Charlottenhütte auf, einer kleinen Stahlfirma in Niederschelden. Er profitierte vom Rüstungsboom im Ersten Weltkrieg, machte aus der unbedeutenden Hütte eine Goldgrube und führte sie zu großen wirtschaftlichen Erfolgen.

Als er 1923 mit 40 Jahren den Firmensitz nach Berlin verlegte, war der Außenseiter in der deutschen Wirtschaftselite angekommen. Er baute in der Weimarer Republik, in einer Zeit der Inflation, des Niedergangs und der zunehmenden Verarmung, zielstrebig das Kerngeschäft im Eisen- und Stahlgewerbe sowie in der Kohlebranche aus. Seinen Einfluss vergrößerte Flick noch, als 1926 die Vereinigten Stahlwerke als Zusammenschluss großer Produzenten gegründet wurden. Er brachte die Aktienpakete seiner Unternehmen ein und wurde so zum Aktionär des damals größten Konzerns im Deutschen Reich, der vom "Spiegel" mit "Koloss der Ruhrindustrie" betitelt wurde. Flick verschaffte sich die Aktienmehrheit bei der Gelsenkirchener Bergwerks-AG (kurz: Gelsenberg) und stieg 1929 bei der Maxhütte in Bayern ein. Am Ende des Jahrzehnts war er einer der mächtigsten deutschen Wirtschaftsführer. "Friedrich der Große" nannten ihn die Ruhrkumpels.

Die Affäre

1932 erschütterte ein Skandal Flicks Imperium, der ihn beinahe ruiniert hätte: die Gelsenberg-Affäre. Flick, durch die Weltwirtschaftskrise finanziell angeschlagen, verkaufte seine Aktienmehrheit an der Gelsenkirchener Bergwerks-AG für 100 Millionen Mark an den deutschen Staat - das war das Dreifache des Börsenwerts. Dieses Aktienpaket, das bei der eigentümlichen Verschachtelung der Ruhrindustrie seinem Besitzer die Schlüsselstellung im Stahltrust sicherte, erlaubte damit dem Deutschen Reich, 75 Prozent der Eisenerzeugung und 50 Prozent der Kohleförderung zu kontrollieren. Der Deal löste eine Welle der Empörung aus, auch weil gleichzeitig bekannt wurde, dass Flick großzügig Wahlkampfspenden an die NSDAP, aber auch an die Sozialdemokraten, verteilt hatte.

Im Dritten Reich suchte Flick frühzeitig den Kontakt zu den Nationalsozialisten. Er wurde 1933 zusammen mit anderen Wirtschaftsführern von Adolf Hitler zu einem Geheimtreffen eingeladen, er hatte gute Kontakte zum NS-Politiker Hermann Göring, wurde Mitglied von Himmlers Freundeskreis Reichsführer SS, trat 1937 der NSDAP bei und wurde ein Jahr später von Hitler zum Wehrwirtschaftsführer ernannt.

Ab 1933 stieg der Unternehmer massiv ins Rüstungsgeschäft ein und wurde innerhalb von fünf bis sechs Jahren zu einem der führenden Rüstungsproduzenten im Land. "Sein autokratisches Wesen entsprach dem nationalsozialistischen Leitbild des heroischen Einzelunternehmers", schrieb die "Zeit". Sein Konzern rund um Kohle und Stahl sei prädestiniert gewesen für die Rüstungsproduktion. Flick produzierte Panzer, Geschosse, U-Boot-Torpedos und Gewehrläufe. Die Flick KG wuchs im Laufe des Zweiten Weltkriegs auf 132 Gesellschaften mit einem Jahresumsatz von 550 Millionen Reichsmark.

Seine engen Kontakte zu den Nationalsozialisten nutzte Flick, um sich in großem Stil jüdische Unternehmen anzueignen. "Es gab im gesamten Bereich der Montanindustrie keinen anderen Konzern, der in ähnlicher Weise durch ‚Arisierung‘ von Unternehmen expandiert hätte wie Flick", schrieben die Verfasser der Biografie "Der Flick-Konzern im Dritten Reich". Es sei eindeutig, "dass Flick im besonderen Maße von nationalsozialistischem Unrecht profitierte, sehr viel mehr als andere vergleichbare Konzerne".

Je stärker Flick expandierte, umso mehr war der Konzern auf den Einsatz von Zwangsarbeitern angewiesen. Sie ersetzten die Facharbeiter, die zur Wehrmacht eingezogen worden waren. Im Kriegsjahr 1944 beschäftigten Flicks Firmen rund 120 000 Menschen, die Zahl der Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge unter ihnen wird auf 40 000 bis 60 000 geschätzt. Schätzungen gehen von über 10 000 Opfern aus, die während der Kriegsjahre an Unterernährung starben oder zu Tode geschunden wurden.

Nach Kriegsende setzte sich Flick auf seinen Landsitz in Oberbayern ab, wo er im Juni 1945 verhaftet und im ehemaligen Konzentrationslager Dachau interniert wurde. Vor dem Militärtribunal in Nürnberg wurde er als "Symbolfigur des skrupellosen, mit dem Nationalsozialismus paktierenden Kapitalismus", so der Biograf Ralf Ahrens, zu sieben Jahren Haft verurteilt, aber bereits 1950 begnadigt.

Das Comeback

Aus den Trümmern des Zusammenbruchs 1945 rettete Flick rund 75 Prozent seines Vermögens, sein Besitz in der Sowjetischen Besatzungszone wurde entschädigungslos enteignet. Aber der mittlerweile 67-Jährige startete ein fulminantes Comeback. Unter alliiertem Druck verkaufte er seine Steinkohlebeteiligungen und investierte das Geld wieder - unter anderem in Daimler-Benz, Dynamit Nobel und Feldmühle und führte die Firmen zu einer Papier- und Chemiegruppe zusammen. 1958 erwarb er die Mehrheit bei Buderus und Krauss-Maffei. Er erfand sich und sein Imperium noch einmal neu. Bald war er wieder einer der Mächtigsten und Reichsten im Nachkriegsdeutschland.

Flick, der knorrige, hagere Mann mit der Habichtnase, führte ein fast asketisches Leben. Luxus interessierte ihn nicht, er trank keinen Alkohol, hatte keine Affären, für Kunst interessierte er sich nicht und Musik bezeichnete er als störendes Geräusch. Zur Geschichte Flicks gehört, dass er unter seinen Söhnen keinen Nachfolger sah, der die Dynastie hätte weiterführen können. Der älteste, Otto-Ernst Flick, prozessierte jahrelang gegen seinen Vater, der zweite, Rudolf, war 1941 an der Ostfront gefallen. Der jüngere, Friedrich Karl Flick, war ein schwacher und ängstlicher Mann, wurde aber trotzdem zum Haupterben ernannt. Als Flick 1972 in Konstanz starb, hinterließ er ihm und seinen beiden Enkeln den Konzern. Aber die Flicks wurden keine Dynastie. Schon in der zweiten Generation war Schluss.