Manche Analysten lesen aus dem Agieren der Fed heraus, dass auch sie in der Krise Nerven zeigt: "Der Schritt wirkt für die Finanzmärkte wenig beruhigend. Auch das ungewöhnliche Timing am Sonntagabend lässt auf Nervosität der Fed schließen", meint Ökonom Thomas Gitzel von der VP Bank.

Aus Sicht von Florian Hense, Volkswirt beim Bankhaus Berenberg in London, kann die Fed immerhin einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass die Auswirkungen der Pandemie auf die Finanzmärkte den Volkswirtschaften nicht noch weitere Probleme bereiten. "Man tut, was man kann. Man macht das, was funktionieren kann." Aus Sicht seines Kollegen Bernd Krampen von der NordLB kann niemand sicher vorhersagen, wie weit Leben und Wachstum in der kommenden Zeit beeinträchtigt werden. "Insofern ist zunächst einmal die Devise, alles Erdenkliche für die Abwehr zu tun. Dies gilt solange mindestens, bis die Infektionszahlen in Nordamerika und Europa wieder nachhaltig zurückgehen."

Die Fed lasse die "Liquiditätspumpe auf Hochtouren laufen", sagte Chefökonom Alexander Krüger vom Bankhaus Lampe. Positiv zu werten sei, dass die Fed, anders als in der Finanzmarktkrise 2008, sofort umfangreiche Maßnahmen beschlossen habe.

STÜTZUNG DER BANKEN


Fed-Beobachter Bernd Weidensteiner von der Commerzbank sieht jetzt zumindest die Gefahr gebannt, dass in der Krise "reihenweise Banken umfallen", wie dies 2007/2008 der Fall gewesen sei. Dass die Fed nun bereits zum zweiten Mal außer der Reihe die Zinsen deutlich gesenkt habe, zeige, wie "extrem große Sorgen" sich die US-Währungshüter um Fed-Chef Jerome Powell wegen der Auswirkungen auf die US-Wirtschaft machten.

Hauptbestreben der Fed ist Weidensteiner zufolge, den Geld- und Kreditmarkt am Laufen zu halten. Als abschreckendes Beispiel gilt ein Fall aus dem Jahr 2008, der in der Weltfinanzkrise große Wellen geschlagen hatte: Der 65 Milliarden Dollar schwere Geldmarktfonds "Reserve Primary Fund" erlitt im Zug der damaligen Marktpanik einen krassen Wertverfall, so dass Investoren auf heftigen Verlusten sitzen blieben. "Die Fed wollte einen solchen Run auf Geldmarktfonds im Vorfeld verhindern und hat sich daher entschlossen, ihre Munition massiv rauszuballern", sagte Weidensteiner.

EZB IN SCHWIERIGERER LAGE


Die EZB, die am Donnerstag ein umfassendes Maßnahmenbündel bestehend aus großen Liquiditätsspritzen und zusätzlichen Anleihekäufen zur Stützung der Wirtschaft beschlossen hatte, ist Experten zufolge in einer weniger günstigen Situation. "Sie hatte nicht mehr das Potenzial, große Zinsschritte zu betreiben", sagt etwa Berenberg-Experte Heise. Aus seiner Sicht bewegt sich der Einlagensatz inzwischen nahe am sogenannten Umkehrzins, dem Satz, ab dem die schädlichen Folgen einer lange währenden ultralockeren Geldpolitik überwiegen. Die Euro-Hüter um EZB-Präsidentin Christine Lagarde beließen anders als am Markt erwartet den Satz auf dem Zinstreffen bei minus 0,5 Prozent. Er ist bereits seit 2014 negativ. Seitdem müssen Geschäftsbanken Strafzinsen zahlen, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder parken. Allerdings gibt es inzwischen Freibeträge für Banken. Der Leitzins verharrt schon seit März 2016 auf dem Rekordtief von null Prozent.

Erschwerend kommt hinzu, dass auch durch die Äußerung von Lagarde am Donnerstag, es sei nicht Aufgabe der EZB, Zinsunterschiede zwischen den Ländern einzuebnen, die Renditen italienischer Staatsanleihen kräftig anstiegen. Am Montag zogen sich weitere Anleger aus italienischen Papieren zurück, die Rendite der zehnjährigen Titel erreichte ein Neun-Monatshoch. Für das in Europa am stärksten von der Viruskrise betroffene Land steigen dadurch die Finanzierungskosten - was für Italiens Regierung zur Unzeit kommt. Gleich mehrere führende EZB-Notenbanker sprangen ein, um die Aussage der Notenbank-Chefin zurechtzurücken: Natürlich werde die EZB eine Fragmentierung der Euro-Zone verhindern, so ihr Tenor. Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann legte am Montag nach, indem er in Aussicht stellte, die EZB werde, falls nötig, weitere Schritte beschließen, um den Ländern bei der Bekämpfung der Coronakrise zu helfen: "Wenn Notwendigkeit besteht, im Bereich der Staatsanleihen einzugreifen, werden sicherlich die nächsten Schritte im geeigneten Maße erfolgen."

Der Chefvolkswirt des Schweizer Bankhauses Bantleon, Daniel Hartmann, hält die EZB-Beschlüsse nicht für das letzte Wort. "Dabei könnten abgesehen von Zinssenkungen auch gänzlich neue Instrumente zum Einsatz kommen", glaubt der Ökonom. Für denkbar hält er etwa, dass die EZB zusätzlich zu ihren Anleihenkäufen auch börsennotierte Fonds (ETF) erwerben könnte. Auch den Kauf von Bankanleihen schloss er nicht aus. Seine Prognose: "Je nach Heftigkeit des Konjunktureinbruchs könnten weitere Schritte eventuell schon vor der nächsten planmäßigen Zinssitzung des EZB-Rats am 30. April beschlossen werden."

rtr