von Stephan Bauer, Euro am Sonntag

Gute Beziehungen machen sich oft bezahlt. Im Fall von General Electric (GE) sind es die Drähte von Chef Lawrence "Larry" Culp zu seinem ehe­maligen Arbeitgeber, dem US-Mischkonzern Danaher, die dem Industrieriesen im Kampf gegen die Krise Luft verschaffen. Soeben brachte Culp mit den Ex-Kollegen einen Megadeal unter Dach und Fach: Für 21 Milliarden Dollar verkauft GE das Geschäft mit Ausrüstungen für Biotech-Firmen. An der Wall Street stieß der Deal auf un­eingeschränkten Zuspruch: Die ­Aktie von GE zog stark an, das Papier von Danaher ebenfalls.

Der Kontrakt ergibt auch offenkundig für beide Unternehmen Sinn: Die Biotech-Sparte gehört nicht zu GEs Kerngeschäft mit Medizintechnik und bringt deshalb kaum Synergien. Zugleich ist es aussichtsreich - und somit sehr wertvoll für die weitgehend auf die Medizintechnik spezialisierten Washingtoner.

Der Preis, den Culp für die Biotech-Sparte erzielte, war respektabel, die Bewertung entsprach etwa der des Biotech-Zulieferers Qiagen, legt man das Verhältnis von Börsenwert zu operativem Gewinn zugrunde.

Mindestens 30 Milliarden Dollar will und muss GE mit Desinvestitionen einnehmen, um sich finanziell zu stabilisieren. In der Bilanz des Industrietitanen standen zuletzt Schulden von über 120 Milliarden Dollar. Mit dem Deal kommt Culp hier ein gutes Stück voran. Die Mittel reichen, um die in den nächsten zwei Jahren fälligen Verbindlichkeiten zu begleichen.

Bessere Position

Überdies hat Culp seine Verhandlungsposition mächtig aufgemöbelt. "Die Jungs, mit denen wir reden, denken jetzt nicht mehr, dass uns das Wasser bis zum Hals steht", sagt er. Die erkämpfte Stärke kann Culp nutzen, um etwa den Rest der Medizintechnik - das sind vor allem bildgebende Systeme wie Computertomografen - zum optimalen Zeitpunkt auf den Markt zu bringen. Ein Börsengang ist für das laufende Jahr avisiert. Culp kann, muss dies aber nicht durchziehen.

Bewertet man den Umsatz dieses Geschäfts - das waren 2018 rund 17 Milliarden Dollar -mit dem Vielfachen, das etwa die Siemens-Tochter Healthineers an der Börse erreicht, so käme man auf gut 40 Milliarden Dollar Wert. Damit brächte allein die Medizintechnik zwei Drittel der derzeit gut 90 Milliarden Dollar Marktkapitalisierung von GE auf die Waage. Ebenfalls im Schaufenster: ein Anteil am Ölausrüster Baker Hughes von rund 20 Prozent, der verkauft werden soll. Das Geschäft läuft indes, gemessen an den Jahren der Ölpreis-Hausse, nur mittelprächtig. GE selbst hat sich hier vier Milliarden Dollar Einnahmen als Ziel gesetzt.

Der Befreiungsschlag gibt Culp zudem Zeit, sich um die größte operative Baustelle zu kümmern: das Energiegeschäft. Vorvorgänger Jeffrey Immelt steuerte GE mit dem überteuerten Kauf der Turbinensparte der französischen Alstom tief in eine Branche, die von starkem Wandel geprägt ist.

Turbinen laufen unrund

Der Markt für große Gasturbinen ist eingebrochen, die Preise sind im freien Fall. GE hat immerhin die Palette an kleineren Generatoren ausgebaut. Zuletzt fuhren die Amerikaner auch noch in eine hausgemachte Pleite: Viele GE-Turbinen fielen wegen brüchiger Schaufeln aus, hier läuft eine umfassende und kostspielige Revision. Im Herbst erst hatte Culp 23 Milliarden Dollar auf Goodwill hauptsächlich aus der Energiesparte abgeschrieben. Zugleich wurde die Dividende auf einen US-Cent pro Aktie gekürzt - auch das spart vier Milliarden Dollar pro Jahr.

Um eine Sparte muss sich der Chef kaum sorgen: das Geschäft mit Flugzeugturbinen, nach Umsatz das größte im Konzern. Im vierten Quartal stiegen hier Auftragseingang, Umsatz und Gewinn prozentual zweistellig. Die Sparte kann den Konzern in die Zukunft tragen - wenn es in der Energie mal wieder läuft.

Die Aktie ist angesprungen. Die Chancen auf einen Turn­around nehmen deutlich zu. Spekulative Anleger steigen ein