Auferstanden aus Ruinen? Zehn Jahre nach der Beinahe-Pleite überzeugt Griechenland mit guten Konjunkturdaten und Top-Börsenperformance. Die Aktien – alle zudem überwiegend gegen Zölle resistent – sind trotzdem immer noch erstaunlich günstig
Er ist ein guter Mann. Ich kenne ihn“, hat US-Präsident Donald Trump neulich über Griechenlands Premierminister Kyriakos Mitsotakis gesagt. Vorausgegangen war ein Appell des Premiers, den Zollaufschub bis Juli zu nutzen, um eine „Win-win-Situation“ für die Kontrahenten dies- und jenseits des Großen Teichs zu finden. „Es wird nur Verlierer geben, wenn wir es nicht schaffen, das Problem zu lösen“, so Mitsotakis. Ein starker Auftritt. Der Appell kommt nicht von ungefähr: Die USA sind zwar nur fünftwichtigster Abnehmer für griechische Exporte — vor allem landwirtschaftliche Produkte wie Olivenöl. Doch Mitsotakis ist alarmiert: Seine Regierung kommt schlecht weg in Umfragen und in der Landwirtschaft sind eben viele potenzielle Wähler beschäftigt.
Allerdings, und das ist für Aktionäre spannend, wären die an der Börse Athen notierten Unternehmen von den möglichen US-Zöllen im Vergleich zu anderen europäischen Ländern wie Deutschland kaum betroffen. Die meisten Firmen sind stark auf den heimischen oder den europäischen Markt ausgerichtet. Wenn man so will, dann ist Athen also auch ein Rückzugsort für Börsianer, die befürchten, dass der Zollstreit zwischen den USA und der EU nicht so schnell beigelegt wird. Was man auch an den Börsenkursen sieht. In den zurückliegenden drei Monaten hat Athen die anderen eindrucksvoll abgehängt: Der ASE-Index aller 61 gelisteten Aktien hat seither um 40(!) Prozentpunkte mehr zugelegt als der Euro Stoxx 50.
Diese Branche dominiert in Griechenland
Noch vor Telekommunikation, Energie, Bau, Konsumgütern sowie Öl und Gas ist der Finanzsektor die mit Abstand wichtigste Branche an der Börse — neun der 25 größten Werte kommen aus dem Bereich Finanzen. Die vier gewichtigsten — Alpha Bank, Eurobank, National Bank of Greece (NBG) und Piraeus Bank — haben den Gewinn zuletzt deutlich gesteigert. Was den Aktionären direkt zugutekommt: Nach 15 Jahren ohne Dividende schütten die Banken wieder Gewinne aus. Für das abgelaufene Geschäftsjahr sind Dividendenzahlungen von zwei Milliarden Euro geplant.
Die NBG als größte Bank spielt eine zentrale Rolle bei der Finanzierung der lokalen Wirtschaft, insbesondere des Mittelstands, da sie stark von Förderprogrammen etwa durch die Europäische Investitionsbank profitiert. Die Eigenkapitalquote ist solide, der Buchwert pro Aktie steigt kontinuierlich und die Bilanzsumme wächst. Dennoch gilt die Aktie mit einem einstelligen Kurs-Gewinn-Verhältnis als günstig. Und auch die erwartete Dividendenrendite ist für den „Auszahlungs-Novizen“ mit aktuell 4,2 Prozent sehr gut.
Sind diese Aktien Geheimtipps?
Spannend sind an der Börse auch zwei Werte mit Alleinstellungsmerkmal. Das ist der Getränkeabfüller Coca-Cola Hellenic Bottling, das lange Zeit wertvollste Unternehmen am Markt. Aber vor allem läuft es rund bei OPAP (Greek Organisation of Football Prognostics), einer über die Grenzen hinaus bekannten Firma im Bereich Sportwetten und Lotterien in Griechenland und Zypern, die zu den größten Wettunternehmen Europas zählt. Das Unternehmen ist in einem defensiven, aber wachsenden Freizeitmarkt aktiv und besitzt teils exklusive staatliche Lizenzen. Mit Online-Casinos und Online-Wetten profitiert man zudem von der Digitalisierung und dürfte so langfristig mit einer Gewinnwachstumsrate von rund neun Prozent pro Jahr rechnen. Die Aktie gilt als risikoarm, da OPAP eine niedrige Verschuldung mit hoher Liquidität und stabilen Einnahmen kombiniert. Damit gehört man zu den profitabelsten Unternehmen der Branche. Das Plus für Aktionäre ist die außergewöhnlich hohe Dividendenrendite von 7,3 Prozent.
Und dann sind da noch die beiden Häfen: Thessaloniki Port Authority ist die Nummer 2 im Land, Nummer 1 ist Piraeus Port Authority, die sich seit 2016 mehrheitlich im Besitz der chinesischen Reederei Cosco befindet. Der Hafen von Piräus ist zu einem bedeutenden internationalen Drehkreuz für Containerumschlag, Passagier- und Kreuzfahrtverkehr geworden: De facto ist man Europas größter Passagierhafen und einer der führenden Containerhäfen im Mittelmeer mit einem zehnmal höheren Umschlag als Thessaloniki. Der Hafen dient sowohl als Hub für Griechenland als auch als Umschlagplatz für den internationalen Transitverkehr, insbesondere auf der Asien-Europa-Route.
Nicht nur Unternehmen in Griechenland interessant
Dass die Börse Athen interessant ist, liegt neben den spannenden Unternehmen auch am positiven gesamtwirtschaftlichen Bild. Vor ziemlich genau zehn Jahren stand Griechenland noch vor dem Kollaps. Jetzt hat das Land im Jahresbudget einen Überschuss von 13,5 Milliarden Euro eingeplant — mehr als doppelt so viel als ursprünglich gedacht. Außerdem will Athen weitere fünf Milliarden Euro an Hilfskrediten — vorzeitig — an die Euro-Länder zurückzahlen, womit bereits 25 Milliarden Euro an Rettungsdarlehen getilgt wären. Wer hätte das im Jahr 2015 gedacht, als das Land ein hoffnungsloser Fall schien und Premierminister Alexis Tsipras und sein Finanzminister Yanis Varoufakis Brüssel mehr oder weniger vorgeführt hatten? Die jetzt besseren Staatsfinanzen haben angenehme Folgen für das Land: Griechenland kann sich deutlich günstiger refinanzieren. Dennoch liegt trotz aller Fortschritte die Staatsverschuldung bei rund 154 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, was hoch ist im internationalen Vergleich, aber deutlich niedriger als die über 180 Prozent in den Krisenjahren.
Und die Zeichen stehen auf weitere Besserung: Denn das Wachstum ist stabil und mit vermutlich einem Plus von 2,3 Prozent in diesem Jahr höher als in den meisten anderen EU-Ländern. Es wird investiert (auch dank umfangreicher EU-Fördermittel), der Tourismus floriert, es gab erfolgreiche Steuerreformen, die Banken sind gesund — siehe NBG — und es gibt gar eine rege und kreative Start-up-Szene im Technologiesektor. Auch der private Konsum hat sich erholt — dank der Anhebung des Mindestlohns und Lohnerhöhungen im öffentlichen und privaten Sektor sowie der stark rückläufigen Arbeitslosenquote. Ein starker Auftritt.

Hinweis: Der Artikel stammt aus der aktuellen Heftausgabe von BÖRSE ONLINE (23/25), die Sie hier finden.
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