Einige Jahre lang war bei Gold und bei Goldaktien wenig los. Wer als Anleger in dieser Zeit an seinen Investments in dem gelben Edelmetall festhielt, musste eine harte Geduldsprobe überstehen. Schließlich ging es an der Wall Street speziell mit den dortigen Technologieaktien gleichzeitig zumeist stark nach oben.

Doch zuletzt hat sich der Wind gedreht und Gold als auch Goldaktien können neuerdings mit relativer Stärke gegenüber Aktien aufwarten. Der Goldpreis hat bekanntlich jüngst die alten Rekorde aus dem Jahr 2011 geknackt. Bei am Mittwochabend gültigen rund 1.965 Dollar je Feinunze ist Gold sogar dicht dran, erstmals die Marke von 2.000 Dollar zu knacken. Zur Erinnerung: Mitte März kostete eine Feinunze zeitweise noch weniger als 1.500 Dollar.

Ähnliches gilt es zu den Goldaktien berichten. So ist ein führender Branchenindex wie der NYSE Arca Gold Bugs Index auf den höchsten Stand seit Ende des ersten Quartals 2013 vorgerückt. Seit Mitte März ist hier ein Anstieg von gut 118 Prozent auf 351,84 Punkte zu konstatieren. Das Chartbild hat sich durch diesen Anstieg markant verbessert. Und bis zum Schlussrekordhoch von 635,04 Punkten, das vom September 2011 stammt, besteht noch viel Luft.

Vor diesem Hintergrund berichtet BÖRSE ONLINE nachfolgend darüber, was Preise und Kurse in dem Segment antreibt und aus welchen Gründen die Optimisten unter den Analysten eine schwungvolle Fortsetzung dieser beiden Trends für möglich halten.

All das Glitzern ist Gold



"Ein in Bewegung befindliches Objekt neigt dazu, entlang einer geraden Linie in Bewegung zu bleiben, es sei denn, es wird von einer äußeren Kraft beeinflusst." Mit diesem Satz von Sir Isaac Newton beginnen die Analysten von LPL Financial ihre aktuelle Betrachtung zum Goldmarkt.

Außerdem erinnern sie Eingangs daran, dass sie bereits im vergangenen September festgestellt hätten, dass es beim Gold viele strukturelle Gründe für einen Höhenflug gebe. Diese Erwartungshaltung habe sich erfüllt. Denn seit der Vorlage der erwähnten Publikation Anfang September 2019 sei der Goldpreis um mehr als 28 Prozent gestiegen und habe damit die siebenprozentige Steigerung des S&P 500-Index im gleichen Zeitraum bei weitem übertroffen.

Außerdem werfen die LPL-Analysten einen Blick zurück. Dabei verweisen sie auf die folgende Beobachtung: 2020 ist das erste Jahr seit 1979, in dem sowohl Gold als auch der S&P 500 im Laufe des Kalenderjahres neue Höchststände erreicht haben. Als das beim letzten Mal passierte, legte Gold um weitere 17 Prozent zu und der S&P 500 stieg 1980 sogar um 26 Prozent. Es werde aber allgemein angenommen, dass ein stärkerer Goldpreis wahrscheinlich bedeute, dass an den Märkten etwas nicht stimmt und die Anleger defensiv eingestellt seien, aber so einfach lasse sich diese Schlussfolgerung nicht ziehen, wie das erwähnte Beispiel des Jahres 1980 zeige.

Der US-Dollar und Gold seien bis 1971 miteinander verbunden gewesen, bis Präsident Richard Nixon die Konvertibilität des Dollars in Gold beendet habe, aber seither seien sowohl Gold als auch Aktien in 23 von 49 Jahren gestiegen. Kaum zu glauben aber wahr: beide Vermögenswerte stiegen in zwölf dieser 23 Jahre um mindestens zehn Prozent, wobei dies erst 2019 das letzte Mal der Fall gewesen sei. All dies deute darauf hin, dass die beiden Vermögenswerte zusammen höher tendieren können, und Gold nicht nur in einem negativen Aktienmarktumfeld steigen kann. Vor diesem Hintergrund bleiben die LPL-Analysten sowohl für Aktien als auch für Gold optimistisch gestimmt.

Für eine anhaltende Goldpreis-Stärke finden sie sogar gleich zehn Gründe, die diese Erwartungshaltung stützen.
  1. Der US-Dollar handelt auf dem niedrigsten Stand seit mehr als zwei Jahren. Historisch gesehen entwickeln sich Gold und der US-Dollar gegenläufig. Und so gesehen sei es positiv für das Gold, dass man bei LPL von einem weiterhin schwachen Dollar ausgehe.
  2. Wachsende Besorgnis über die Beziehungen zwischen den USA und China.
  3. COVID-19-Unsicherheit und eine damit verbundene potenzielle wirtschaftliche Schwäche.
  4. Die europäischen Konjunkturdaten verbesserten sich rasch, und Europa leiste gute Arbeit bei der Eindämmung von COVID-19 und stärke damit möglicherweise den Euro - was den US-Dollar unter Druck setzen könnte.
  5. Rekordverdächtige geldpolitische Impulse. Die Bilanz der Federal Reserve (Fed) explodierte vor kurzem auf sieben Billionen Dollar, von vier Billionen Dollar vor COVID-19.
  6. Negative Staatsschulden im Wert von fast 15 Milliarden Dollar weltweit.
  7. Handels- und Haushaltsdefizite in Rekordhöhe.
  8. Die Null-Prozent-Zinspolitik werde wahrscheinlich anhalten.
  9. Negative Realzinsen, was dxas unverzinste Gold im relativen Vergleich gut aussehen lasse.
  10. Riesige staatliche Ausgabenprogramme könnten die Inflation anheizen.


Wie der Chart zeige, habe Gold sieben Jahre lang einen Boden ausgebildet und sei Ende des Vorjahres daraus nach oben hin ausgebrochen. Das sei die Basis für die jüngst markierten neuen Höchststände gewesen. Es gebe passend dazu ein altes technisches Sprichwort, das wie folgt lautet: "Je länger die Basis, desto mehr Luft nach oben gibt es": Eine Weisheit, die sich in diesem Falle bereits ganz gut bewährt habe. Charttechnisch gesehen mache Gold momentan immer noch einen guten Eindruck und auch von fundamentaler Seite gebe es Rückenwind. Deshalb bleiben die Analysten von LPL Financial weiter bullisch für den Goldpreis.

Die lange Bodenbildung spricht beim Goldpreis für weiterhin viel Luft nach oben




Goldpreis: Fenster für Anstiege weiterhin offen



Zum Gold hat sich zu Wochenbeginn auch Raiffeisen Research zu Wort gemeldet. In einer Publikation verweisen die dortigen Analysten darauf, dass die Goldpreisentwicklung bisher weiterhin sehr ähnlich dem Muster nach der Lehman-Krise (2008) verlaufe: Während des schärfsten Abverkaufs an den Finanzmärkten (2. und 3. Märzwoche 2020) hätten in der allgemeinen Panik und dem Hunger nach "Liquidität um jeden Preis" selbst vermeintlich "sichere Assets" wie Edelmetalle herbe Kursverluste hinnehmen müssen: Der Goldpreis habe zwischenzeitig im Tief rund 14 Prozent unter seinen nur wenige Wochen zuvor erreichten Niveaus gehandelt.

Das sei jedoch eine ausgezeichnete Kaufgelegenheit gewesen und zwar sowohl kurz- als auch langfristig. Denn seither hätten alle großen Notenbanken (und am wichtigsten die USA) den Markt mit Liquidität geflutet. In einem Ausmaß, das selbst die Reaktion auf die Lehman-Krise in den Schatten stelle. Dementsprechend rasch hätten sich (auch) die Edelmetallpreise erholen können: Angesichts der neuen Rekorde seien auch hier ein ähnlicher Verlauf wie nach 2008 zu beobachten.

Damit stelle sich die Frage, wie viel Spielraum der Goldpreis jetzt noch für weitere Anstiege habe? Zumal sich inzwischen die auch Aktienmärkte und andere konjunktursensitive Märkte stiegen. Nachdem die Maßnahmen gegen die Epidemie wie erwartet (und wie zuvor in Ostasien zu beobachten) Wirkung zeigten, sei der Shutdown in USA und Europa inzwischen weitgehend beendet und von weniger wirtschafsschädlichen Maßnahmen abgelöst.

Entsprechend sei inzwischen bei allen großen Volkswirtschaften eine deutliche Konjunkturverbesserung zu beobachten. Auch wenn die Aktienmarktentwicklung kurzfristig zwar bereits sehr viel dieser Wirtschaftsverbesserung vorweggenommen habe, was den Aktienmarkt kurzfristig korrekturanfällig mache, bleibe man auf Sicht von sechs und zwölf Monaten optimistisch für die weitere Entwicklung von Konjunktur und Aktienmärkten.

Historisch habe eine solche Entwicklung oft auch zu einem starken Anstieg der Leitzinserwartungen und der langfristigen Anleiherenditen geführt. Gerade letztere seien aber einer der wichtigsten Faktoren für die Goldpreisentwicklung, wie die Grafik anschaulich zeige: Fallende Zinserwartungen und damit auch fallende Anleiherenditen (in der Grafik der global wichtigste Vertreter zehnjährige US-Staatsanleiherenditen) seien maßgeblich für den starken Goldpreisanstieg seit Anfang 2019 verantwortlich und wären bei Goldpreisniveaus um die 1.900 Dollar ausreichend eingepreist. Sollte sich diese Entwicklung umkehren und (insbesondere US-)Anleiherenditen wieder stark steigen, wäre ein heftiger Goldpreisrückgang wahrscheinlich unvermeidbar.



Trotzdem sei die beste Phase für den Goldpreis voraussichtlich noch nicht wieder vorbei. Denn im Szenario von Raiffeisen Research bleibt die Geldpolitik der Notenbanken (weltweit und in den USA) trotz schrittweiser Konjunkturverbesserung weiterhin beispiellos expansiv. Diese Liquiditätsflut stütze nicht nur Finanzmärkte (wie den Aktienmarkt) sondern auch physische Assetpreise, und hier insbesondere Edelmetalle. In einem solchen Umfeld sei es nicht ungewöhnlich, dass sowohl Aktienmärkte als auch Edelmetallpreise längere Zeit gemeinsam nach oben tendierten. Und das ganz ohne, dass die Inflationsrate dazu stark steigen müsse. Auch hier biete die Phase nach Lehman ein gutes Anschauungsbeispiel: Ab März 2009 habe damals ein neuer Aktien-Bullenmarkt begonnen und eine solide Konjunkturerholung - trotzdem habe sich in den folgenden drei Jahren der Goldpreis verdoppelt!



Soviel wollen die Analysten dieses Mal nicht in Aussicht stellen, immerhin befinde sich der Goldpreis bereits auf historischen Höchstständen, und Spielraum für weitere nachhaltige Anleiherenditerückgänge sehe man keine mehr. Man sei aber der Überzeugung, dass das Notenbank-Umfeld vorerst für weitere Goldpreisanstiege weiterhin sehr förderlich bleibt - selbst ohne zusätzliche Lockerungsschritte. Gefährlich werde es für den Goldpreis aus Sicht von Raiffeisen Research, sobald die großen Volkswirtschaften (auch hier wieder vor allem die USA) zu solidem Wirtschaftswachstum zurückgefunden haben (was dieses Mal schon deutlich früher als nach Lehman der Fall sein sollte). Und vor allem sobald die Lage als so stabil angesehen werde, dass insbesondere die US-Notenbank wieder beginne ihre Liquiditätsflut einzudämmen (bzw. der Markt ernsthaft beginne das einzupreisen).

Dann seien auch Goldpreisrückgänge von rund 50 Prozent (und zwar nachhaltig über viele Jahre, wie zuletzt in der Phase 2011-2015) durchaus realistisch. Insofern bleibe Gold ein extrem volatiles Asset (volatiler als ein breit diversifizierter Aktienmarkt wie der MSCI World) und kein Liquiditätsersatz. Bis dahin dürfte aber zumindest in diesem Jahr noch das Notenbank-Umfeld weitere Goldpreisanstiege begünstigen.

Entsprechend optimistisch bleiben die Goldpreisprognosen von Raiffeisen Research. Das bisheriges Kursziel von 2.000 Dollar für 2020 sei mit dem Erreichen eines neuen Allzeithochs bereits in Griffweite - die Analysten denken aber nicht, dass der Trend jetzt schon nachhaltig dreht und sie nehmen daher ihre Goldpreisprognosen weiter nach oben auf 2.250 Dollar, um Raum für die erwarteten weiteren Anstiege zu haben. Die Neigung des Goldpreises, in solchen Phasen extremer Geldpolitik nach oben zu überschießen, sollte man nicht unterschätzen, so das Urteil.

Gold als älteste Anlageklasse wiederentdeckt



Die Hausse am Goldmarkt hat auch die DZ Bank veranlasst, sich ausführlicher mit dem gelben Edelmetall zu beschäftigen. Analyst Gabor Vogel konstatiert in seiner Ausarbeitung zunächst, dass für die Anleger Gold offensichtlich als Währungsalternative wieder ein Thema ist. Zumindest spreche dafür die Tatsache, dass der Goldpreis in vielen wichtigen Währungen kräftig zugelegt habe. Selbstredend sei dieser Effekt in 2020 aufgrund der Coronavirus-Krise und der Coronavirus-bedingten Geld- und Fiskalpolitik deutlich verstärkt worden. Da die ergriffenen Maßnahmen langfristig auch Risiken bergen würden und noch nicht klar sei, ob sie ausreichen, sicherten sich Investoren teilweise mit Gold ab. Die Entwicklung des Goldpreises habe seit Jahresbeginn die der US-Technologiewerte an der Börse (Nasdaq) geschlagen. Das hätte wohl kaum jemand gedacht. Anleger entstaubten aber Gold aktuell offensichtlich von seinem "altbackenen" Image.

Auch an der Internetsuchaktivität nach dem Begriff "Edelmetalle" könne das gesteigerte Goldinteresse abgelesen werden. Ähnlich hoch wie derzeit sei zuletzt der Informationsbedarf der Anleger während der Euro-Schuldenkrise 2011 gewesen. Die Edelmetalle und besonders Gold seien sprichwörtlich in aller Munde. Die Coronavirus-Krise sei noch nicht ausgestanden. Eine zweite Infektionswelle sei zumindest möglich, wenngleich es nicht dem Basisszenario der DZ Bank entspricht. Aber unterm Strich bleiben die Unsicherheiten trotzdem hoch, so Vogel. Neben den gesundheitlichen Risiken seien hier auch die ökonomischen Fallstricke zu nennen

Zudem sei der politische Umgang mit der Coronavirus-Krise sehr unterschiedlich. Während in Europa sehr zügig Maßnahmen zur Eindämmung des Virus beschlossen worden seien, habe sich zum Beispiel in den USA eine gewisse politische Uneinsichtigkeit breit gemacht. Aber auch in anderen Ländern, wie in Brasilien, Russland und der Türkei sei etwas Ähnliches zu beobachten. Insgesamt sei die wirtschaftspolitische Unsicherheit gemessen am globalen wirtschaftlichen Unsicherheitsindikator von Baker, Bloom & Davis weltweit weiterhin sehr hoch - in etwa drei Standardabweichungen über dem Normalwert!

Aktuell werde die Coronakrise oftmals mit der Finanzkrise 2008 verglichen. Bezogen auf die getroffenen Maßnahmen sei dieser Vergleich auch erlaubt. Allerdings sei der Ursprung der 2008er-Krise ein Liquiditätsengpass gewesen, der für erheblichen Stress im Finanzsystem gesorgt habe. Zu Beginn der Pandemie sei der US-Finanzstress ebenfalls in die Höhe geschnellt. Die Finanzkrisen-Höchststände seien aber in weiter Ferne geblieben. Mittlerweile habe der wieder gestiegene Ölpreis aber den finanziellen Stress deutlich zurückgehen lassen. Eine Pleitewelle der US-Fracker habe man bisher verhindern können.

Neben den vielen vorhandenen politischen und wirtschaftlichen Risiken trage auch das niedrige Zinsniveau zum Goldpreisanstieg bei. Auf Sicht der nächsten drei bis fünf Jahre seien weiter niedrige Zinsen zu befürchten. Ein Zinsanstieg würde zudem eine Schulden-Tragfähigkeitsdebatte auslösen, die wegen des zum Teil massiven Anstiegs der Verschuldung einzelner Länder unausweichlich wäre. Damit seien die Opportunitätskosten des Goldbesitzes fortgesetzt kein Thema.

Im bisherigen Jahresverlauf hätten die ETF-Investoren schon etwa 733 Tonnen Gold gekauft. Das sei schon jetzt bei Weitem mehr als im gesamten letzten Jahr. Tatsächlich falle der Bestandsanstieg sehr viel deutlicher aus als in den Vorjahren. Dieser Trend bestätige aus Sicht der DZ Bank, dass die Anleger eine alte Anlageklasse wiederentdeckt haben. Besonders hoch sei die Investmentnachfrage in Europa und den USA, aber auch Asien stehe in den Startlöchern. Seit Jahresbeginn sei die Investmentnachfrage der mit Abstand wichtigster Preistreiber für Gold. Das statistische Maß sei mit 0,8 deutlich erhöht.



2020 werde erstmals seit mehreren Jahren die Nachfrage der Investoren und Zentralbanken die Schmucknachfrage übersteigen. Vogel rechner damit, dass die ETF-Nachfrage um 1.000 Tonnen steigt. Insgesamt katapultiere das die Nachfrage auf etwas mehr als 4.800 Tonnen. Das Angebot, das die DZ Bank 2020 auf 4.621 Tonnen taxiert, werde hier nicht mithalten, zumal einige Minen vom Lockdown betroffen gewesen seien und ihre Produktion zeitweise stillgestanden habe. Man rechne daher mit einem Defizit am Goldmarkt. Allerdings sollte man hier beachten, dass Gold anders als Öl nicht verbraucht werde. Schließlich könne der Schmuck relativ einfach wieder eingeschmolzen werden. Auch Anleger könnten bei sich aufhellenden ökonomischen Parametern wieder ihre Bestände abbauen (verkaufen).



Vogel hat vor diesem Hintergrund das Prognoseprofil leicht angepasst und er sieht den Goldpreis per Jahresende bei über 2.000 Dollar. In 2021 werde der Goldpreis wegen der Erholung der Weltwirtschaft etwas "leichter" werden. Die Zwölfmonatsprognose von 1.900 Dollar hat die DZ Bank bestätigt.

Gold ist die neue Put-Option … wieder einmal



Beim Vermögensverwalter Wisdom Tree schreibt Associate Director-Research Mobeen Tahir in einer schriftlichen Einschätzung, Gold habe den S&P 500 Index in diesem Jahr in den Schatten gestellt. Trotz der Risiken habe sich aber auch der S&P-500-Index - ähnlich wie die meisten anderen Aktienindizes - von der Flaute im März dieses Jahres kräftig erholt. Wenn die Anleger zu Optionen eilen würden, um ihre Aktienengagements vor einem möglichen Abschwung zu schützen, würde sich dies in einem erhöhten Wert des Volatilitätsindex VIX niederschlagen. Doch stattdessen sei zu sehen, dass der VIX weiter nachlasse und sich dem Niveau von 2019 nähere - als die Welt noch ganz anders ausgesehen habe.

Gleichzeitig sei aber zu beobachten, dass Gold zunehmend als Put-Option eingesetzt werde - und das nicht zum ersten Mal. Nach früheren Zusammenbrüchen an den Aktienmärkten - insbesondere dem Dotcom-Crash und der globalen Finanzkrise - habe Gold Aktien stark übertroffen (siehe Grafik). Wenn sich die Aktienkurse erholten, bewegten sie sich - auf eine Art und Weise, die wenig eingängig zu sein scheine - in dieselbe Richtung wie Gold. Seit März dieses Jahres hätten sie dies in der Tat so gemacht.



Investoren mit Aktien-Exposure interessieren sich laut Tahir möglicherweise für die Absicherung folgender Risiken:
  1. Einkünfte: Eine Kombination aus tatsächlichen und geschätzten S&P 500-Gewinnen im zweiten Quartal zeige einen Rückgang von 44 Prozent im Jahresvergleich. Wenn die tatsächlichen Ergebnisse mit den Schätzungen übereinstimmten, wären die Nettogewinnmargen im zweiten Quartal 2020 die niedrigsten seit dem vierten Quartal 2009. Angesichts der Aktienrallye im zweiten Quartal könnte die Ertragsschwäche die Wall Street enttäuschen.
  2. Infektionen: Der kontinuierliche Anstieg der täglich neu auftretenden Fälle von Covid-19-Infektionen auf der ganzen Welt könnte die Märkte in Mitleidenschaft ziehen, wenn Investoren erkennen würden, dass die Hoffnungen auf einen baldigen Impfstoff möglicherweise verfrüht seien.
  3. Wirtschaftliche Daten: Die Bruttoinlandsproduktdaten des zweiten Quartals für die USA und Europa könnten als Realitätsprüfung dienen. Eine Erholung der Einkaufsmanagerindizes, die den Märkten viel Trost gespendet habe, deute nur auf eine Verbesserung von Monat zu Monat und nicht auf eine ganzheitliche Erholung der Wirtschaft hin.
  4. Geopolitik: Die Aktienmärkte hätten die steigenden Spannungen zwischen den USA und China weitgehend verdrängt. Hätte Covid-19 in diesem Jahr nicht im Mittelpunkt gestanden, wären die Anleger vielleicht eher geneigt gewesen, der Sache mehr Beachtung zu schenken. Bis zur Pandemie seien Handelskriege das Thema gewesen, welches die Märkte am meisten gequält habe.


Abgesehen von häufigen, aber kurzlebigen Schwankungen hätten sich die Aktienkurse seit März dank erheblicher geldpolitischer Anreize durch die Zentralbanken allgemein erholt. Es sei unwahrscheinlich, dass diese Stimuli in den nächsten Monaten zurückgenommen werden. Aber auch die erwähnten Risiken würden wahrscheinlich nicht verschwinden. Dies schaffe ein Szenario, in dem sowohl Aktien als auch Gold weiter nach oben drängen könnten. Die Anleger könnten ihr Aktienengagement weiter erhöhen, aber versuchen, ihr Abwärtsrisiko mit der scheinbar neuen Put-Option - Gold - zu mindern.

Historie verspricht weiter steigende Goldaktien-Kurse



Was die Ausgangslage und die Aussichten bei den Goldaktien angeht, hat der Broker Canaccord Genuity basierend auf historischen Daten zu berichten. Dazu erinnern die Analysten daran, dass man im Juni eine Regressionsanalyse zum Gold und den Realzinsen durchgeführt habe, mit dem Ziel, einen fairen Wert für Gold im aktuellen Umfeld festzulegen.

Damals sei man zu dem Schluss gekommen, dass Notierungen von 2.000 Dollar beim Goldpreis nicht weit hergeholt seien. Man vertrat aber gleichzeitig auch die Ansicht, dass alles, was über 2.100 Dollar je Feinunze hinausgehe, als Preis schwer zu rechtfertigen wäre, zumindest wenn man sich bei der Argumentation nur auf die Realzinsen stütze.

In der aktuellen Einschätzung zum Goldmarkt versucht man abzuwägen, wie hoch der Goldpreis unabhängig von den Fundamentaldaten laufen könnte. Dazu stellt man fest, dass sich die 200-Wochen-Durchschnittslinie beim Gold derzeit bei 1.355 Dollar je Feinunze bewege. Außerdem erinnert man daran, dass es im letzten Bullenmarkt von 2001 bis 2011 zwei zyklische Korrekturen gegeben habe, bevor Gold im September 2011 seinen säkularen Höhepunkt erreicht habe.

Bevor es zu diesen Korrekturen gekommen sei und auch beim früheren Rekordhoch habe der Goldpreis seine 200-Wochen-Durchschnittslinie um jeweils rund 75 Prozent übertroffen. Dies bedeute einen Goldpreis von rund 2.400 Dollar je Feinunze in diesem Zyklus, falls sich die Geschichte wiederhole. Die Zeit werde zeigen müssen, ob es sich bei diesem Niveau dann um einen zyklischen oder säkularen Höchststand handeln wird.

Aber aus der Sicht von Canaccord Genuity gibt es Gründe dafür, dass wir uns derzeit am Beginn von Phase zwei des Bullenmarktes für Gold befinden, wobei sich die Goldaktien bisher nur um 39 Prozent über dem Höchststand vom Juli 2016 (Ende von Phase 1) bewegen würde. Im Durchschnitt habe Phase aber 2 650 Handelstage gedauert und habe im Schnitt Kursgewinne von 160 Prozent gebracht. In Phase zwei sei eine Schwäche des US-Dollars ausschlaggebend dafür, dass der Goldpreis steige, weshalb eine weitere Abwertung der US-Devise erforderlich sei.



Weiteres Aufwärtspotenzial für die Notierungen der Goldaktien wittern auch die Experten beim Vermögensverwalter US Funds. Zur Begründung verweist man auf die noch bestehende Differenz zwischen der Entwicklung des physischen Goldpreise und der Goldaktien-Kurse. Wie die Grafik zeigt, gibt es jedenfalls eine Kluft, zwischen der Entwicklung der Goldnotierungen sowie dem Verhältnis der Performance von Goldminenaktien zum MSCI-Weltindex, die früher nicht so groß gewesen ist. Ergänzend dazu zitiert man Sophie Huynh, Strategin bei der Societe Generale: "Sowohl die Fundamentaldaten als auch die Positionierung scheinen darauf ausgerichtet zu sein, dass die Goldminenaktien nach oben schießen."