Auf den zweiten Blick zeigt die Börsenbewertung jedoch, dass im aktuellen Kurs kein Turnaroundpotenzial enthalten ist. Die Zahlen im zweiten Halbjahr waren nämlich gar nicht so schlecht.

Grammer ist in zwei Geschäftsbereichen aktiv. Der eine beinhaltet Komponenten und Systeme für die Innenausstattung von Autos, beispielsweise Kopfstützen oder Konsolen. Der zweite Bereich sind Sitzsysteme für Nutzfahrzeuge und Bahnen. Hier haben die Oberpfälzer eine marktführende Position. Der Pkw-Bereich ist um das Doppelte größer, am meisten verdient wird jedoch bei Sitzsystemen. Das Unternehmen hat an der Börse eine bewegte Vergangenheit. Im Jahr 2017 versuchte eine umstrittene Investorengruppe um die Familie Hastor, eine maßgebliche Beteiligung zu erreichen. Als Weißer Ritter trat Ningbo Jifeng auf. Mit einem Übernahmeangebot zu 61,25 Euro baute der chinesische Autozulieferer seinen Firmenanteil von über 80 Prozent aus.

Operativ schon wieder schwarz

Grammer wurde natürlich vom Stillstand im Frühjahr 2020 hart erwischt. Der komplette Verlust wurde im zweiten Quartal eingefahren, als nichts mehr ging. Das Unternehmen hat den Restrukturierungsprozess beschleunigt, den es schon vor der Corona-Krise wegen der Flaute in der Automobilbranche angestoßen hatte. Das wirkte bereits im dritten Quartal. Grammer schaffte ohne Sonderkosten ein operatives Betriebsergebnis von 22,4 Millionen Euro. Es ist davon auszugehen, dass sich die Trendwende im vierten Quartal stabilisiert hat.

Wie geht es weiter? Natürlich sind die Märkte für Autos und Nutzfahrzeuge sehr zyklisch. Die künftige Entwicklung lässt sich schwer prognostizieren. Klar ist aber, dass der Markt in China gut läuft. In Europa und Amerika gibt es Konjunkturprogramme, die bei Grammer zu mehr Nachfrage führen könnten. Zieht das Geschäft an, trifft das auf eine schlankere Kostenstruktur. Das heißt, dass die Marge über fünf Prozent steigen kann.

Das würde auch bei der Aktie wie ein Turbo wirken. An der Börse wird Grammer mit 316 Millionen Euro bewertet. Bei einem Umsatzpotenzial von zwei Milliarden Euro und einer Marge von fünf Prozent wäre ein Unternehmenswert von einer Milliarde Euro nicht zu hoch gegriffen. Zieht man die Nettoschulden ab, bliebe ein Wert von rund 600 Millionen Euro übrig. Die Aktie könnte sich folglich auch verdoppeln.