Das Vakzin soll innerhalb der nächsten Tage im Vereinigten Königreich verfügbar sein. Dann soll bereits mit Impfungen begonnen werden, wie Gesundheitsminister Matt Hancock ankündigte.

Aus der Europäischen Union kam Kritik am Vorpreschen Großbritanniens mit einer Notfall-Zulassung. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sagte, Deutschland habe sich für einen längeren Zulassungsprozess entschieden, da er das Vertrauen in einen Impfstoff stärke. Es gebe EU-Mitgliedsstaaten, darunter auch Deutschland, die ebenfalls eine Notfallgenehmigung hätten erteilen können. "Aber wir haben uns dagegen und für einen gemeinsamen europäischen Ansatz entschieden", sagte Spahn. "Es ist sehr wichtig, dass wir dies tun, um das Vertrauen in die Genehmigung zu fördern." Es gehe nicht darum, wer Erster sei, sondern, dass man "sichere und wirksame Impfstoffe" erhalte.

Spahn forderte die EU-Zulassungsbehörde aber auf, den Antrag der Firmen so schnell wie möglich zu prüfen. EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides sagte, sie rechne mit einer Verteilung eines Impfstoffes auf die EU-Länder um die Jahreswende. Die Europäische Arzneimittelagentur EMA erklärte, ihre Vorgehensweise sichere eine vollständige Überprüfung der verfügbaren Daten. Dadurch werde ein hoher Schutz für die Bürger der EU im Zuge einer Massenimpfkampagne gewährleistet.

Bei der EMA hatten Biontech und Pfizer zu Wochenbeginn den Antrag auf eine bedingte Marktzulassung eingereicht. Sollte die EMA grünes Licht geben, könnte das eine Verwendung des Vakzins in der EU noch vor Jahresende ermöglichen, hatten die beiden Unternehmen erklärt. Das könnte zeitlich allerdings eng werden: Die EMA will spätestens bis zum 29. Dezember ihre Bewertung abschließen, die EU-Kommission dann innerhalb weniger Tage den Weg abschließend frei machen. Bis zum 12. Januar will die EMA zudem über den Covid-19-Impfstoff des US-Biotechkonzerns Moderna entscheiden, der ebenfalls einen Antrag auf eine bedingte Markzulassung bei der Behörde eingebracht hat.

In den USA will die Arzneimittelbehörde FDA auf einem Treffen am 10. Dezember diskutieren, ob dem Impfstoff von Biontech und Pfizer eine Notfall-Genehmigung erteilt werden soll. US-Medien berichteten am Dienstag, FDA-Chef Stephen Hahn sei ins Weiße Haus zitiert worden, um zu erklären, warum die FDA nicht schneller an einer Genehmigung des Impfstoffs von Biontech und Pfizer gearbeitet habe. Anfang November hatten die Partner als weltweit erste Firmen positive Ergebnisse aus der zulassungsrelevanten Studie mit einem Corona-Impfstoff verkündet. Nach einer endgültigen Analyse zeigte das Vakzin einen Schutz von 95 Prozent vor Covid-19.

"KEINE ABKÜRZUNGEN GENOMMEN"


Der Impfstoff wird derzeit als eines der vielversprechendsten Mittel zur Eindämmung der Corona-Pandemie gesehen. Weltweit sind inzwischen fast 1,5 Millionen Menschen an oder mit dem Virus gestorben. In Großbritannien soll ein Impfkomitee entscheiden, welche Menschen zuerst geimpft werden. Aller Voraussicht nach werden es Bewohner von Alters- und Pflegeheimen sowie Beschäftigte im Gesundheitsbereich sein. Die britische Behörde MHRA wies Kritik an der schnellen Genehmigung zurück: "Es sind keine Abkürzungen genommen worden"; sagte deren Chefin June Raine. Die Daten seien gründlich geprüft worden.

Aus Sicht von Andrew Hill, Wissenschaftler an der Universität von Liverpool, sind die Risiken außerdem angesichts der vielen Todesfälle auf der Insel vertretbar: "Da 450 Menschen jeden Tag im Vereinigten Königreich an einer Covid-19-Infektion sterben, überwiegen die Vorteile einer schnellen Impfstoff-Zulassung die potenziellen Risiken." Das Vereinigte Königreich hat sich bislang 40 Millionen Dosen des Impfstoffs gesichert - genug für knapp ein Drittel der Bevölkerung, da eine Verabreichung von zwei Dosen erforderlich ist. Die EU hat Zugriff auf bis zu 300 Millionen Dosen, die Bundesregierung rechnet mit bis zu 100 Millionen Dosen für Deutschland.

Pfizer erklärte, die Notfallzulassung in Großbritannien sei ein historischer Moment im Kampf gegen das Virus. "Dies ist ein Sieg für die Wissenschaft, auf den wir seit dem Start unseres Programms hingearbeitet haben", sagte Pfizer-Chef Albert Bourla. Der US-Pharmariese erwarte demnächst weitere Zulassungen und arbeite mit Hochdruck daran, den Impfstoff zügig auf der ganzen Welt zur Verfügung zu stellen. Rund 50 weitere Impfstoff-Projekte diverser Unternehmen befinden sich gegenwärtig nach Schätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO in der klinischen Erprobung am Menschen.

rtr