Von wegen, es geht nur noch um Corona. Die Initiative für strengere Klimaziele in der Europäischen Union und die überraschenden Aussagen von Chinas Präsident Xi Jinping vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen zeigen, dass hinter den Kulissen in den vergangenen Wochen deutlich Bewegung in die internationale Klimaschutzdiplomatie gekommen ist.

Seit Wochen bearbeiteten EU-Beamte die Chinesen, sich zu konkreten und schärferen Emissionszielen zu verpflichten. Dass Xi, der den auf Abstand bedachten UN-Delegierten per Video zugeschaltet war, dann die CO2-Neutralität von China vor 2060 ankündigte, hatte jedoch kaum jemand erwartet. Wenn das chinesische Staatsoberhaupt seinen Worten die dafür nötigen Taten folgen lässt, wird das die Weltwirtschaft in den kommenden Jahren grundlegend verändern. Unternehmen, die zum Beispiel in den Sektoren erneuerbare Energien oder E-Mobilität aktiv sind, dürften dadurch und aufgrund von Europas Green Deal erheblichen Rückenwind erfahren.

Größter Emittent von Treibhausgas

Xi versprach außerdem, dass sein Land den Höhepunkt der CO2-Emissionen noch vor 2030 überschreiten werde. Seit seiner Rede versuchen Analysten fieberhaft zu berechnen, was passieren müsste, damit diese Ziele eingehalten werden können. China ist aktuell der größte Treibhausgas-Emittent der Welt, fast 30 Prozent der Emissionen gehen auf das riesige und bevölkerungsreiche Land zurück. Gleichzeitig fördert und verbrennt China die Hälfte der globalen Kohleproduktion und ist der größte Importeur von Öl und Gas. Die Investmentbank Sanford Bernstein & Co. schätzt, dass es Investitionen in Höhe von 5,5 Billionen Dollar bedarf, um das Ruder dieses Energie-Supertankers herumzureißen.

Ein Kapitaleinsatz, der sich aber auszahlen könnte: "Diese gigantischen Investitionen würden Chinas Wirtschaft noch vor 2030 bis zu fünf Prozent wachsen lassen", sagt Hector Pollitt von der Beratungsfirma Cambridge Econometrics. Auch danach hätte die Klimaschutzinitiative noch moderat positive Folgen für Chinas Wirtschaft, weil das Land in Zukunft weniger fossile Energieträger importieren müsse. Gleichzeitig würde saubere Energie-Erzeugung weltweit billiger werden, so wie es bereits vor einigen Jahren bei Solarpanels aufgrund der hohen chinesischen Nachfrage passiert ist. Allerdings würden durch die Express-Dekarbonisierung wohl auch die weltweite Ölnachfrage und der Ölpreis fallen.

Die große Frage ist, ob China diese Transformation wirklich durchziehen wird. Nicht zuletzt durch Corona-Konjunkturhilfen finanziert, sind dort aktuell Kohlekraftwerke mit einer Gesamtleistung von fast 150 Gigawatt im Bau oder geplant, das entspricht etwa der gesamten Kapazität der EU. Fossile Brennstoffe machen 85 Prozent des Energiemixes aus. Daran hängen ganze Industrien und nicht zuletzt Millionen Arbeitsplätze. Wird die Kommunistische Partei diesen Sektor wirklich so schnell so stark schrumpfen lassen?

Neuer Fünfjahresplan

"Während einige die fehlenden Details bemängeln, glauben wir, dass diese mit dem neuen Fünfjahresplan am 3. November bekannt werden. Darin wird der Schwerpunkt auf Maßnahmen zur Energiewende und strengeren Richtlinien zum Energieverbrauch liegen", sagt Ulrik Fugmann, Manager des BNP Paribas Energy Transition Fund. Er geht davon aus, dass China zunächst Kohle durch Gas ersetzen und dann den Bereich Solar stark ausbauen wird, gefolgt von Windkraft und einem zunehmenden Anteil von Elektroantrieben im Transportsektor. "Eine Reihe chinesischer Unternehmen sollte infolgedessen einen deutlichen Wachstumsschub bekommen, aber auch Unternehmen in Europa und den USA mit einer starken Präsenz in China werden davon profitieren", so Fugmann.

Die Dimensionen sind gewaltig. Schätzungen des Informationsdienstes IHS Markit zufolge muss Chinas Solarkapazität von 213 auf 2.200 Gigawatt steigen, die Windkraftleistung von 231 auf 1.700 Gigawatt, um die Vorgaben zu erfüllen. Bereits in 15 bis 18 Jahren sollen mehr elektrisch angetriebene Fahrzeuge auf Chinas Straßen fahren als solche mit Verbrennungsmotor. Auch Wasserstoff, produziert mithilfe von Strom aus regenerativen Quellen, wird eine Rolle spielen. Hier investiert auch die EU massiv. Alkalische Elektrolyseure, die oft für die Herstellung benutzt werden, kosten in China nach Angaben des Datendienstes Bloomberg bereits heute nur ein Sechstel pro Kilowattstunde im Vergleich zum Rest der Welt. Allein von 2015 bis 2018 hat Peking die Forschungsausgaben für Wasserstofftechnologie von 19 auf 129 Millionen Dollar erhöht.

In den kommenden Wochen dürften nicht nur Anleger sehr genau auf Hinweise achten, dass die Chinesen ihre Ankündigungen tatsächlich umsetzen wollen. Drei Fonds, die von der Umwälzung profitieren könnten, stellen wir in der Investor-Info vor.
 


INVESTOR-INFO

ishares Global Clean Energy

Fokus auf Erneuerbare

Die 30 größten Unternehmen weltweit aus dem Bereich erneuerbare Energien, gewichtet nach Marktkapitalisierung: Nach dieser einfachen Methodik setzt sich der iShares-ETF zusammen. Über 40 Prozent entfallen auf amerikanische, knapp 13 Prozent auf chinesische Konzerne. Die Top-Positionen sind der kalifornische Solarstromanbieter Sunrun, der Anbieter von Photovoltaik-Energiemanagement Solaredge aus Israel und US-Brennstoffzellenentwickler Plug Power. Dividenden werden an die Anleger ausgeschüttet.

BNP Parib. Energy Transition

Umbau des Energiesektors

Die Energiewende steht im Mittelpunkt des BNP-Fonds. Die Fondsmanager investieren in erneuerbare Energien, Energieeffizienz, ökologisches Bauen und entsprechende Infrastruktur sowie nachhaltigen Verkehr. Im Portfolio enthalten sind viele Industriewerte und Versorger. Neben Solar- und Brennstoffzellenanbietern zählt auch Workhorse Group, ein US-Hersteller von Elektrotransportern und -bussen, zu den am höchsten gewichteten Positionen im Portfolio.

Ökoworld Klima

Lösungen für den Klimaschutz

Der Energiesektor steht aufgrund seiner hohen CO2-Emissionen im Zentrum von Klimaschutzstrategien, doch auch in anderen Bereichen ist Veränderung nötig, um die Klimaziele zu erreichen. Der Ökoworld Klima setzt auf Unternehmen aus allen Branchen, die passende Lösungen anbieten, auch Tech- Konzerne wie Zoom, Nvidia oder AMD. Die mag nicht jeder Anleger nachhaltig finden, sie sind aber sicher mit ein Grund für die gute Performance. Hohe Gebühren.