Das Ziel ist klar - mit Aktien Geld verdienen. Schon ein kurzer Blick auf den Kurszettel aber zeigt: Es gibt unfassbar viele Aktien. An den großen Handelsplätzen der Welt tickern die Kurse von mehr als 5000 Unternehmen. Allein im regulierten Bereich der Deutschen Börse sind über 300 notiert, darunter bekannte Namen, aber auch Firmen, von denen viele Anleger nie etwas gehört haben.

Was die Sache noch schwieriger macht: Jeden Tag prasseln unzählige Informationen - manche wichtig, die meisten unnütz - auf einen Anleger nieder. Die Kurse springen hektisch, jeder Tag bringt neue Gewinner und Verlierer hervor. Die Aktienmärkte sind also, zumindest auf den ersten Blick, ein großes Durcheinander. Mit einfachen Strategien können Anleger Ordnung in das Chaos bringen - und ihr Depot gezielt nach Risikoneigung und Renditezielen ausrichten. Die Redaktion stellt vier erprobte Strategien vor.

Strategie I: Regelmäßig Bargeld mit Dividenden-Aktien



Die DAX-Konzerne haben im vergangenen Jahr knapp 96 Milliarden Euro Gewinn erwirtschaftet. Wohin mit dem Geld? Viele Unternehmen schütten einen Teil ihres Überschusses an ihre Aktionäre aus. Die DAX-Konzerne verteilten 2018 auf diesem Weg 36 Milliarden Euro. Unternehmen mit einer seriösen Dividende sind für Aktionäre wie ein Geldautomat: Wer große Summen in die richtigen Papiere steckt, kann über die Ausschüttungen seinen Lebensunterhalt finanzieren. Selbst kleinere Summen erleichtern das Leben.

Die Dividende ist auch ein Instrument, um das Management zu disziplinieren: Wer als Konzernchef weiß, dass er viel Geld für seine Aktionäre zur Seite legen muss, kommt nicht so leicht in Versuchung, kostspielige Experimente einzugehen. Insbesondere Übernahmen sind oft ein Wertvernichter und damit eine Gefahr für die Aktionäre.

Bei einer einfachen Dividendenstrategie setzt ein Anleger auf jene Aktien eines Index, die die höchste Dividendenrendite aufweisen. Bei Aktien mit extremer Dividendenrendite sollten Anleger aber genau hinschauen. Als Faustregel gilt: Mehr als sechs Prozent sind verdächtig, mehr als zehn Prozent fast immer eine Falle. Oft stecken Unternehmen mit großen Prozentzahlen in wirtschaftlichen Problemen. Der Aktienkurs ist bereits deutlich gefallen und die Dividendenrendite (die sich aus Aktienkurs und Dividende je Aktie errechnet) aufgebläht. Sind die Probleme des Unternehmens hartnäckig, folgt dem Kursverfall eine Dividendenkürzung.

Eine andere Dividendenstrategie setzt auf Unternehmen, die ihre Ausschüttungen seit vielen Jahren regelmäßig anheben. Die Historie zeigt in diesem Fall, dass ein Unternehmen in der Lage ist, auch in wirtschaftlich schweren Zeiten die Dividende zu steigern. Nach diesem Auswahlkriterium stößt man auf Aktien, deren Dividendenrendite eher im Bereich unter drei Prozent liegt. Die meisten Aktien mit langer Dividendenhistorie stammen aus den USA. Einige Klassiker, die sogenannten Aristokraten, steigern ihre Ausschüttung seit mehr als 20 Jahren.

Auch bei der Dividende gilt, dass die Vergangenheit keine Garantie für die Zukunft liefert. Wer sein Geld aber über mehrere Dividendenwerte verteilt, sollte einzelne Enttäuschungen verkraften können.



Strategie II: Mit Value-Aktien gegen den Trend investieren



Ein Buch veränderte die Investmentwelt: 1934 veröffentlichten Benjamin Graham und David Dodd ihre Abhandlung ("Security Analysis") zur wertorientierten Geldanlage. Der rund 700 Seiten dicke Wälzer inspirierte Generationen von Börsianern, auch Warren Buffett. Eine der wichtigsten Thesen: Anleger sollen solche Aktien kaufen, deren Börsenwert unter dem Substanzwert des Unternehmens liegt. Die Differenz ist eine Sicherheitsmarge, die den Investor vor starken Kursrückschlägen schützt und die Basis für Kursgewinne legt. Irgendwann wird der Markt den wirklichen Wert der Aktie erkennen.

Grahams Philosophie ist in der Praxis sehr anspruchsvoll. Insbesondere in einem bereits lange laufenden Bullenmarkt sind unterbewertete Aktien eine Rarität. Und jene Titel, die auf dem Papier tatsächlich billig sind, haben mit hoher Wahrscheinlichkeit gravierende Probleme. Value-Anleger müssen sich also sehr gut mit Konzernbilanzen auskennen, um die wahren Schnäppchen zu identifizieren und Value-Fallen aus dem Weg zu gehen.

Graham-Jünger brauchen auch Geduld: Eine unterbewertete und von der Masse verschmähte Aktie dümpelt Monate, manchmal Jahre vor sich hin. Für den Value-Investor ist das eine harte Geduldsprobe. Setzt sich der Kurs endlich in Bewegung, geht es dann aber oft sehr schnell nach oben.

Einfache Value-Strategien schauen auf das Verhältnis von Kurs und Buchwert einer Aktie. Liegt der Kurswert deutlich unter dem Buchwert, kann das auf eine unterbewertete Aktie hinweisen. Der Indexanbieter MSCI setzt seinen Value-Index anhand von Kurs-Buchwert, Kurs-Gewinnverhältnis und der Dividendenrendite zusammen. Diese Kennziffern finden Anleger jede Woche aktuell im Kursteil dieser Zeitung.

In Boomzeiten stehen Value-Aktien meist im Schatten wachstumsstarker Unternehmen, die mit der Aussicht auf kräftige Gewinnsteigerungen Anleger anlocken. In stürmischen Zeiten erleben Value-Aktien ein Comeback.

Vergleicht man den MSCI World Value mit dem breiten Aktienindex, erkennt man das Muster: In den Boomphasen der 90er-Jahre und der seit 2009 laufenden Rally liegen Value-Aktie hinter dem Gesamtmarkt zurück. Rechnet man aber die dazwischenliegende Krisenphase hinzu, haben Value-Werte unter dem Strich die Nase knapp vorn. Nebenbei haben die Kurse dieser Aktien nicht so stark ausgeschlagen und damit die Nerven ihrer Besitzer geschont.





Strategie III: Chancen mit Wachstumsriesen



Wer würde nicht gern in die Vergangenheit reisen und frühzeitig Aktien von Apple kaufen? Allein seit dem Jahr 2008 ist der Börsenwert des iPhone-Herstellers um mehr als 700 Prozent gestiegen. Kurstreiber ist die Gewinnentwicklung. Im Geschäftsjahr 2008 erwirtschaftete Apple 6,1 Milliarden Dollar Überschuss - inzwischen ist es fast zehnmal so viel.

Je stärker der Gewinn eines Unternehmens steigt, desto attraktiver wird die Aktie. Darum versuchen Börsianer vorauszusagen, welche Unternehmen im operativen Geschäft die größte Dynamik haben. Ein einfacher Growth-Ansatz wählt jene Unternehmen aus, denen Analysten für das kommende Jahr das größte Gewinnwachstum zutrauen. Der Index-Anbieter MSCI wählt die Mitglieder seines weltweiten Growth-Index anhand einer Mischung aus dem Gewinnwachstum früherer Jahre und den für die Zukunft erwarteten Steigerungsraten aus.

Die Finanzgeschichte zeigt: In wirtschaftlich guten Phasen laufen Growth-Aktien meist besser als der Gesamtmarkt. Denn wenn die Konjunktur brummt, fällt es Unternehmen leichter, ihre Gewinne zu steigern. Im aktuellen Aufschwung haben Techfirmen wie Amazon, Apple, Microsoft oder auch Netflix die außergewöhnliche Kraft der Wachstumsriesen demonstriert.

Wachstumsstarke Aktien sind aber riskant: Börsianer haben die Neigung, mit steigenden Kursen immer mutiger zu werden. Selbst auf dem Gipfel eines Konjunkturzyklus gehen viele Anleger davon aus, dass sich das Kurs- und Gewinnwachstum der Boomjahre fortsetzt. Sie zahlen immer höhere Preise, Kennziffern wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis schnellen in die Höhe. Für die Unternehmen wird es dadurch immer schwieriger, die Erwartungen der Börse zu erfüllen. Wie schnell ein Wachstumsstar in Ungnade fallen kann, sieht man bei Facebook: Ende Juli überraschte der Konzern mit einem vorsichtigen Ausblick. Die Aktie verlor danach in der Spitze ein Drittel an Wert.

Schaut man sich größere Zeiträume an, sind Growth-Aktien der Gegenpol zu Value-Werten. Auf lange Sicht hatte Value die Nase vorn.



Strategie IV: Extraschwung durch das Momentum



Gewinner bleiben Gewinner. Das ist die Grundidee des Momentums. Anleger setzen dabei auf jene Aktien, deren Kurse bereits deutlich gestiegen sind. Der Vermögensverwalter James O’Shaughnessy hat für die Jahre 1927 bis 2009 Depots mit den jeweils besten amerikanischen Aktien der vorangegangenen sechs Monate gebildet. Im Schnitt haben diese Depots den breiten US-Aktienmarkt jährlich um mehr als dreieinhalb Prozentpunkte geschlagen.

Eine Erklärung für den Erfolg des Momentums liefert die Psychologie: Anleger unterschätzen oft die Dimension neuer Informationen. Dadurch steigt der Kurs der Aktie nach einer wichtigen Nachricht nicht mit einem kräftigen Sprung, sondern allmählich über mehrere Wochen. Je stärker der Kurs zulegt, desto mehr Anleger werden angelockt. Die einstmals unterbewertete Aktie wird dadurch weiter in die Höhe getrieben - bis das Momentum schließlich abflacht. Momentum-Aktien sind nur etwas für Anleger mit starken Nerven. Vor allem dann, wenn die Börsen nach unten drehen, können diese Papiere schnell und stark fallen. Die auf lange Sicht hohen Chancen müssen Anleger also mit entsprechendem Risiko zahlen. Momentum-Crashs sind schmerzhaft, aber wohl der Grund, warum die Strategie auch künftig funktionieren dürfte. Denn schwache Jahre führen dazu, dass nur wenige Anleger diese Strategie konsequent umsetzen.

Bei einfachen Modellen kauft ein Anleger jene Aktien eines Index, die über die vorangegangenen sechs oder zwölf Monate am stärksten gestiegen sind. Diese Aktien werden dann sechs bis zwölf Monate gehalten. Eine besondere Variante ist die von Robert Levy in den 60er-Jahren entwickelte Relative Stärke. Dabei wird der aktuelle Wochenschlusskurs einer Aktie mit dem Durchschnitt der Vorwochen verglichen. Je deutlicher der aktuelle Kurs über diesem Durchschnitt liegt, desto größer ist die Aufwärtsdynamik.

Basis ist der Durchschnittskurs der vergangenen 182 Kalendertage, also ziemlich genau sechs Monate. Kaufenswert ist eine Aktie nach diesem System erst dann, wenn der Wert über 100 liegt, ab 120 ist das Momentum hoch. Wichtig: Anleger sollten aufgrund der hohen Risiken nur einen kleinen Teil ihres Geldes in eine Momentum-Strategie stecken.