Es ist eine Schattenseite der beschleunigten Digitalisierung in vielen Bereiche in der Wirtschaft und auch im persönlichen Alltag der Menschen: Lieferengpässe für den Hightech-Rohstoff Chips. Entspannung ist bisher noch nicht in Sicht. Zudem werden die Engpässe nun auch durch das höhere Tempo bei der Elektromobilität durch den größeren Bedarf an Chips und Sensoren für digitale Bordinstrumente und Fahrassistenzsysteme größer. Experten erwarten, dass die Autobranche im laufenden Jahr weltweit über 100 Milliarden Dollar weniger erlösen wird, weil einige Modelle wegen des Chipmangels vorübergehend nicht vom Band laufen.

Zu spüren ist der Mangel längst auch in anderen Industrien, bei Computern, Spielekonsolen und in der Unterhaltungselektronik. Auf elektronische Bausteine, die Ströme in Geräten, Maschinen und Smartphones steuern, sogenannte Leistungshalbleiter, müssen die Besteller laut einer Analyse der US-Investmentbank Susquehanna Financial Group inzwischen knapp fast 26 Wochen warten, zwei Wochen länger als vor einem Monat. Auch die Wartezeit für Chips im Allgemeinen hat mit 18 Wochen den bisherigen Spitzenwert aus dem Jahr 2018 um vier Wochen übertroffen. Der weltweit größte Chipauftragsfertiger Taiwan Semiconductor Manufacturing (TSMC) erwartet Engpässe bis weit ins nächste Jahr hinein.

Milliarden für neue Fabriken

Während der nächsten fünf Jahre investiert der technologisch führende Auftragsfertiger, bei dem buchstäblich die ganze Chipwelt bestellt, deshalb die Rekordsumme von 100 Milliarden Dollar in den Ausbau seiner Fertigung in Asien und Amerika. Auch Koreas Technologieriese Samsung Electronics, als Auftragsfertiger die Nummer 2 hinter TSMC, erweitert seine Kapazitäten deutlich. Ebenso der US-Konzern Global Foundries, der sein Börsendebüt für 2021 plant und hierzulande am Standort Dresden präsent ist. Chef Tom Caulfield erwartet, dass die Chipnachfrage noch eine ganze Weile, sprich für die nächsten "fünf bis acht Jahre", höher sein wird als das Angebot auf dem Markt.

Bis sich die neuen Werke im Markt bemerkbar machen, wird es dauern. Die für die Produktion notwendigen technologisch anspruchsvollen Reinräume filtern kleinste Partikel, sogar Viren, aus der Luft. Entsprechend teuer ist der Bau dieser Fabriken, Fabs genannt. Bis zum Start der Produktion vergehen 18 bis 24 Monate.

Weil Chips der Motor für technologischen Fortschritt sind und Aufsteiger China in der Branche große Ambitionen hat, wird der geplante Neubau von Fabs jeweils vor Ort nun auch von der EU, von der US-Regierung, Südkorea, Singapur und Japan gefördert - zum Teil mit dreistelligen Milliardensummen. Davon profitieren zunächst Ausrüstungsspezialisten, die ihr Segment technologisch dominieren. So sind die wenige Nanometer kleinen Strukturen auf Chips für Computer und Handys nur mit den Lithografieanlagen des niederländischen ASML-Konzerns möglich. Viel Kapazität für Daten auf Flashspeichern in Netzwerkcomputern und Smartphones schaffen nur die dreidimensionalen Strukturen, die die Maschinen des US-Konzerns Lam Research liefern.

Im Chipmarkt haben sich die am stärksten von Lieferengpässen betroffenen Autokonzerne während der Krise selbst ins Abseits gefahren. Ihrer Just-in-time-Logistik mit geringen Lagerbeständen entsprechend wurden Orders bei Chipauftragsfertigern zu Beginn der Pandemie storniert. Als sich Chinas Automarkt im Spätsommer erholte, kam die Branche etwa bei TSMC dann nicht mehr ins Orderbuch. Die Auftragsfertiger waren mit Bestellungen der Hersteller von Computern und Smartphones bereits ausgelastet. Computerkonzerne und Handyhersteller haben im globalen Chipmarkt mit mehr als 400 Milliarden Euro geschätztem Umsatz für 2021 viel mehr Gewicht. Apple allein bestellt so viele Chips wie die gesamte Autobranche. Zwar haben auch die großen Chipzulieferer der Industrie sowie Autokonzerne eigene Fabs. Einige Bausteine, wie die begehrten Mikrocontroller, bestellen sie jedoch bei Auftragsfertigern.

Mehr Kapazitäten für Autochips

Inzwischen ist hier jedoch Besserung in Sicht. Die Fertigungsdienstleister werden ihre Kapazitäten für Autochips bis zum Ende des dritten Quartals gegenüber 2019 um 60 Prozent erhöhen, berichtet die Berenberg Bank. Chipkonzerne wie Infineon und Texas Instruments haben damit mehr Raum für Wachstum. Infineon in München, inzwischen der weltweit größte Hersteller von Autochips, profitiert stark vom Elektromobilitätstrend und Assistenzsystemen. Schätzungen zufolge werden in jedem Hybridauto Chips im Wert von 700 Dollar verbaut, bei Elektroautos sind es 1.000 Dollar, bei einem Verbrenner nur 400 Dollar. Neu in E-Autos sind auch Chips aus Siliziumcarbid. Infineon ist in diesen Markt früh eingestiegen. Die Chips, auch für Industriekunden, sind energieeffizienter. Bis 2025 könnte der Markt bis zu 40 Prozent zulegen.

Konzerne wie Infineon und Texas Instruments (TI), die über besonders effiziente Fertigungstechnologien auf großen Chipscheiben verfügen, können ihre Margen im aktuellen Umfeld mit hoher Nachfrage deutlich erhöhen. TI ist mit Unternehmen aus verschiedenen Industrien besonders gut im Geschäft. Sie liefern rund 37 Prozent von 17,6 Milliarden Dollar Umsatz. Industriekunden benötigen überdurchschnittlich viele analoge Chips, die Ströme und Spannungen regulieren. Dass TI in dem stark zersplitterten Chipsegment mit 23 Prozent des Markts die Nummer 1 ist, zahlt sich nun auch bei der Marge aus.
 


INVESTOR-INFO

Infineon

Starker Auftrieb

Die breit gefächerte Chipnachfrage für Autos, dort vor allem für Assistenzsysteme und Elektroantriebe, für Smartphones und in verschiedenen Industrien dürfte Infineon im Geschäftsjahr bis Ende September elf Milliarden Euro Erlös einspielen, fast 29 Prozent Plus gegenüber dem Vorjahr, schätzen Analysten. Wegen der höheren Auslastung der eigenen Fabs könnte die operative Marge den Rekordwert von 18 Prozent erreichen. Der Nettogewinn könnte um 78 Prozent auf eine Milliarde Euro zulegen.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 45,00 Euro
Stoppkurs: 26,00 Euro

Texas Instruments

Hohe Effizienz

Den größten Anteil, rund 37 Prozent von 17,6 Milliarden Dollar geschätztem Erlös für 2021, liefern Industriekunden. Stark präsent ist TI auch in der Autobranche und in der Unterhaltungselektronik. Die Fabs gehören zu den effizientesten. Für 2021 erwartet Bloomberg Intelligence bei Umsatz und Nettogewinn jeweils mehr als 23 Prozent Zuwachs. Das liegt über den Konsensschätzungen.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 195,00 Euro
Stoppkurs: 128,00 Euro

Dienstleister und Ausrüster

Kursfaktor Kapazitätsausbau

Noch kleiner und noch leistungsfähiger: Im Jahr 2024 will Auftragsfertiger Taiwan Semiconductor Manufacturing (TSMC) mit Chiplithografiespezialist ASML Chips mit Strukturen von zwei Nanometern liefern. Abnehmer wären wie schon jetzt bei Fünf-Nanometer- Chips Technologiekonzerne wie Apple. Speicherdesignspezialist Lam Research wird bis 2024 Gewinnverdopplung zugetraut.