Bisher ging die Mission auf. Mit niedrigen Preisen und einem umfangreichen Inhalt konnte Netflix rund um den Globus punkten. Zum Ende des ersten Halbjahres meldete der Streaminganbieter 151 Millionen zahlende Kunden. Und auch die Aktionäre können sich nicht beklagen. In den vergangenen fünf Jahren hat sich der Wert der Firma fast versechsfacht.

Hinter den Kurssteigerungen liegt die Erwartung, dass der Medienkonzern im Lauf der Zeit seine Monatsgebühren anheben und die Ausgaben für Inhalte senken kann. Nur so lässt sich die abenteuerliche Bewertung mit einem KGV von 112 auf Basis der für das laufende Jahr geschätzten Ergebnisse rechtfertigen. Es sieht auf jeden Fall danach aus, dass die hohen Erwartungen ­zunehmend enttäuscht werden könnten. Den ersten Dämpfer erhielt Netflix mit den Halbjahreszahlen. Das Kundenwachstum lag unter den Prognosen. In den USA ging die Kundenzahl sogar zurück.

Vielleicht noch zu wenig beachtet ist die Tatsache, dass Disney, Warner über AT & T oder Universal über Comcast mit eigenen Angeboten auf den Markt drängen. Das drückt zum einem auf die Preise. Zum ­anderen ziehen die Medienriesen ihre Inhalte von Netflix ab. Dadurch verliert die Plattform attraktive Filme wie "Star Wars" oder Erfolgsserien wie "Friends". Das heißt: Die Möglichkeit zur Preiserhöhung wird so begrenzt, und um dem Schwund an erstklassigen Inhalten zu begegnen, muss Netflix künftig mehr produzieren.

Ob der Kapitalmarkt das weiterhin un­beeindruckt zur Kenntnis nehmen wird? Schon heute reichen die Einnahmen bei Weitem nicht aus, um die Ausgaben für ­Inhalte zu begleichen. Netflix verbrannte im zweiten Quartal 600 Millionen Dollar. 2019 sollen rund 3,5 Milliarden Dollar durch die Bücher gehen, die nicht durch Einnahmen gedeckt sind. Werden es Börsianer honorieren, wenn Netflix vier, fünf oder sechs Milliarden Dollar verbraucht?

Unser Kolumnist Jörg Lang beschäftigt sich seit mehr als 30 Jahren mit Aktien.