Bei Leerverkäufen leiht sich der Investor Aktien und verkauft sie an der Börse. Am Ende müssen die geliehenen Aktien aber wieder zurückgegeben werden. Das ist ein gutes Geschäft, wenn die Aktie billiger zurückgekauft wird, als sie zuvor am Markt verkauft wurde. Die Systematik zeigt, dass man fallende Kurse braucht und dass die Sache riskant ist. Durch das Verbot, neue Positionen einzugehen, hat das Risiko zugenommen. Entsprechend mussten Hedgefonds Deckungskäufe durchführen. Die­se Käufe ließen die Aktie von Wirecard in der vergangenen Woche um 14 Prozent zulegen. Natürlich freuen sich alle, die den Wert noch im Depot haben. Wir anderen sehen die Sache mit gemischteren Gefühlen.

Noch nie wurden bei einem einzelnen Wert in Deutschland Leerverkäufe verboten. Die Bafin begründet den Präzedenzfall damit, dass ungünstige Entwicklungen entstanden seien, die das Marktvertrauen in Deutschland bedrohen könnten. Was soll das sein? Das Fallen des Kurses? Klar ist: Wirecard ist kein systemrelevantes Unternehmen. Die Leistung ist gemessen am Sozialprodukt unbedeutend, die Bilanz­summe der Wirecard-Bank überschaubar. Die Aufgabe der Behörde wäre gewesen, zu untersuchen, ob es zu Marktmanipulationen gekommen sein könnte, weil Falsch­informationen gezielt verbreitet wurden.

Dann ist das ein Fall für den Staatsanwalt. Das Verbot von Leerverkäufen signalisiert hingegen, die Behörde könnte glauben, dass bei Wirecard alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Den Beweis dazu ist das Unternehmen aber noch schuldig geblieben. So muss man sich die Frage stellen: Wie würde es um das Ansehen des Kapitalmarkts und seine Aufsichtsbehörde stehen, wenn an den Vorwürfen zur Bilanzmanipulation bei ­asiatischen Wirecard-Beteiligungen am Ende doch etwas dran wäre?

Unser Kolumnist Jörg Lang beschäftigt sich seit 1988 mit dem Thema Aktien.