Noch läuft die Berichtssaison für das erste Quartal auf Hochtouren. Doch bereits jetzt zeichnet sich ab, dass das Zahlenfeuerwerk in die Annalen eingehen könnte. "Ich würde die kräftigen Gewinnanstiege in den USA quer durch alle Branchen noch nicht als historisch einstufen. Nach Rezessionen hat es immer starke Quartale gegeben", zieht Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer gegenüber €uro am Sonntag eine erste Zwischenbilanz. "Historisch ist aber sehr wohl das Ausmaß an positiven Überraschungen."

Schon die Ausgangskonstellation für das erste Quartal 2021 war außergewöhnlich: Als Folge der Corona-Krise fielen die Ergebnisse des Vorjahreszeitraums ungewöhnlich schlecht aus. Allein wegen des Basiseffekts hatten viele Analysten ihre Erwartungen für 2021 kräftig nach oben geschraubt. So rechneten sie vor dem Start der Berichtssaison für die im US-Leitindex S & P 500 enthaltenen Unternehmen mit einem kräftigen Gewinnanstieg von 25 Prozent.

"Diese bereits hohen Erwartungen haben die Unternehmen weit übertroffen", erläutert Krämer. "Entsprechend rechnen die Analysten für das erste Quartal nun mit einem Gewinnsprung von 45 Prozent." Das ungewöhnliche Plus geht dabei nicht nur auf den Corona-Einbruch des Vorjahres zurück. "Vielmehr haben die US-Unternehmen ihre Gewinne über diesen Basiseffekt hinaus deutlich erhöht", erläutert Krämer.

Besonders positiv stachen die Gewinnmeldungen der Banken, Konsum- und Tech-Unternehmen heraus. JP Morgan, Goldman Sachs und Wells Fargo steigerten ihre Gewinne im ersten Quartal um ein Vielfaches. Die Unternehmen profitieren von den gigantischen Konjunkturhilfen der US-Regierung, der lockeren Geldpolitik der Notenbanken und dem Börsenboom. "Die Wirtschaft hat das Potenzial für extrem robustes Wachstum über mehrere Jahre hinweg", gab sich JP-Morgan-Chef Jamie Dimon optimistisch.

VW verfünffacht Gewinn

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Unternehmen aus dem deutschen Leitindex DAX. Vor allem konjunktursensitive Unternehmen haben sehr gut abgeschnitten. Die größten positiven Überraschungen gab es bei den Autobauern. Volkswagen etwa hat trotz des weltweiten Chipmangels eines der besten Quartale seiner Geschichte eingefahren, das operative Ergebnis im ersten Quartal auf 4,8 Milliarden Euro verfünffacht und den Ausblick angehoben.

Gute Zahlen und höhere Prognosen präsentierten am Donnerstag auch Henkel, Munich Re und Zalando. Etwas aus der Reihe tanzt der Autozulieferer Conti, der mitten im Konzernumbau steckt und stärker unter der Chipkrise leidet. Doch auch Conti will 2021 nach zwei Jahren mit Nettoverlusten unter dem Strich wieder Gewinne einfahren. Zu den Pandemieverlierern zählen dagegen Fresenius und vor allem FMC, die Gewinneinbußen meldeten.

Wegen der insgesamt guten Zahlen vor allem aus der Exportindustrie haben Analysten unterdessen ihre DAX-Gewinnschätzungen für 2020 nach oben revidiert und rechnen nun mit 20 Prozent Gewinnanstieg. Krämer zufolge ist das in den Aktienkursen schon weitgehend enthalten. "Der DAX ist schon teuer, und in der zweiten Jahreshälfte steigen die Risiken", erläutert der Commerzbank-Experte. Wegen der raschen Erholung der Wirtschaft stiegen die Preise vor allem für Rohstoffe. "In diesem Umfeld können Inflationsängste aufkeimen und die Anleger Angst vor Zinserhöhungen durch die Notenbanken bekommen", so Krämer. "Das macht die hoch bewerteten Aktienmärkte noch anfälliger."

Donner & Reuschel-Chefvolkswirt Carsten Mumm richtet den Blick auf die Frage, woher noch positive Effekte kommen könnten, und verweist auf die Corona-Lockerungen. "Das Potenzial positiver Überraschungen ist in Europa höher als in den USA, weil die Unsicherheit hier noch größer ist. Das könnte vor allem europäischen Aktien noch einmal einen zusätzlichen Schub verleihen."