Der Aktienkurs der niederländischen Biotechfirma Argenx hat sich seit Anfang Dezember verdreifacht. Auslöser waren positive Daten für die zwei am weitesten fortgeschrittenen klinischen Kandidaten. Und in der Woche danach sicherte sich die an der Euronext in Brüssel gelistete Gesellschaft 231 Millionen US-Dollar an flüssigen Mitteln über ein Zweitlisting an der Nasdaq.

Die Entwicklung bei Argenx steht stellvertretend für eine wachsende Zahl von europäischen Biotechfirmen, die finanziell gut ausgestattet sind und große Fortschritte bei klinischen Studien erzielt haben. Die Schweizer Actelion - von Umsatz, Profitabilität und Börsenwert her über Jahre der unangefochtene europäische Champion - wurde vom US-Pharmakonzern Johnson & Johnson übernommen, an ihre Stelle getreten sind andere Biotechs wie Genmab aus Dänemark oder Morphosys aus Deutschland. Weitere Schwergewichte wie Qiagen oder Biomérieux entwickeln keine Medikamente, sind dafür aber international top bei Diagnoseverfahren, welche die Grundlage für die biopharmazeutische Forschung bilden.

Die europäische Biotechindustrie ist in den vergangenen Jahren nicht nur reifer geworden, sie zieht auch immer mehr internationale Investoren an. Das gilt vor allem für die Vierländerbörse Euronext, die zum europaweit größten Handelsplatz für Firmen aus dem Gesundheitssektor avancierte. Mit 1,53 Milliarden Euro an eingeworbenem Kapital waren die beiden Börsensegmente der Euronext nach Erhebungen des Branchendienstes Biocom im vergangenen Jahr einsamer Spitzenreiter in Europa vor dem Nasdaq Nordic Market in Stockholm mit fast 600 Millionen Euro.

Wer in europäische Biotechaktien investiert, muss sich darüber im Klaren sein, dass nahezu alle Firmen, die Medikamente entwickeln, noch kein Geld mit zugelassenen Produkten verdienen. Und abgesehen von den deutschen Titeln und wenigen größeren Unternehmen empfiehlt sich wegen der geringen Liquidität der Handel an den Heimatbörsen.

Auf Seite 2: Neue Wege gegen Krankheiten





Neue Wege gegen Krankheiten



So auch bei Argenx. Die auf firmeneigenen Technologieplattformen entwickelten Antikörper reduzieren bestimmte Eiweiße im Blut, die als Auslöser für Autoimmunerkrankungen oder Krebsarten identifiziert wurden. Etwa Myasthenia gravis, eine Autoimmunkrankheit, bei der die Kommunikation zwischen Nerven und Muskeln blockiert wird und die zu Muskelschwäche führen kann. Gegen diese und zwei weitere Störungen sind beim am weitesten fortgeschrittenen klinischen Kandidaten mit dem Projektnamen ARGX-113 Wirksamkeitsstudien am Laufen. Ein anderer Antikörper gegen einzelne Leukämiearten wird klinischen Tests unterzogen.

Galapagos zählt zu den gestandenen Bluechips unter den europäischen Biotechs und gilt als Basisinvestment. Der Aktienkurs hat sich in den vergangenen zwei Jahren verdoppelt.



Die belgische Firma hat zahlreiche Kooperationen mit Pharma- und Biotechfirmen am Laufen, seit Kurzem auch mit Morphosys zur Entwicklung eines Mittels gegen atopische Dermatitis. In den nächsten Wochen wird die Gesellschaft zudem zulassungsrelevante klinische Daten für das Rheumamittel Filgotinib präsentieren. Positive Daten können die Aktie auf ein neues Allzeithoch katapultieren. Die mit der US-Firma Gilead Sciences entwickelte Substanz zielt auf insgesamt drei Krankheitsfelder ab. Im Falle einer Marktzulassung kassiert Galapagos Umsatzbeteiligungen von bis zu 30 Prozent.

Noch einen Tick spekulativer ist Cellectis aus Frankreich. Die Firma ist einer der Pioniere in der Gentherapie für Krebserkrankungen. Dabei werden aus dem Blut entnommene Immunzellen genetisch so verändert, dass sie das Immunsystem der Patienten dazu aktivieren, Tumorzellen zu erkennen und auszuschalten. Im Vergleich zu den meisten Wettbewerbern verfolgt Cellectis hier den allogenen Ansatz, bei dem die veränderten T-Zellen von fremden Spendern stammen.

Dieses Verfahren spart im Vergleich zur Verwendung von körpereigenen Patientenzellen Kosten und Zeit, muss aber Sicherheit und Wirksamkeit erst noch beweisen. Cellectis ist hier noch am Anfang der Wirksamkeitsstudien zu verschiedenen Leukämiearten.

Allergy Therapeutics hat sich dagegen auf injizierbare Antiallergika gegen Pollen, Milben und Insektenstiche spezialisiert. 59 Prozent der Gesamterlöse von umgerechnet 70,8 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2017/18 (zum 30. Juni) erzielte die Gesellschaft in Deutschland.

In den nächsten Wochen erwartet das Unternehmen die zulassungsrelevanten klinischen Daten für den neuen Hoffnungsträger PQ gegen Birkenpollen. Bei einem Erfolg wäre es das erste Produkt in subkutaner Form, das in Deutschland und Europa zur Zulassung eingereicht werden könnte. Daneben plant Allergy Therapeutics den Eintritt in den US-Markt. Allein bei Gräserpollen schätzt das Management das Umsatzpotenzial dort auf bis zu 400 Millionen US-Dollar. Die sehr marktenge Aktie sollte mit Kurslimits an der Börse London geordert werden.

In Deutschland haben sich darüber hinaus Morphosys, Qiagen und Evotec als feste Größen etabliert. Kaufenswert sind auch andere Unternehmen mit neuen Therapieansätzen. Medigene etwa ist mit drei eigenen Plattformen in der Immuntherapie gegen Krebserkrankungen unterwegs. Für das am weitesten fortgeschrittene Präparat sind die Wirksamkeitsstudien zu einer Leukämieform am Laufen. Den Ritterschlag der Finanzwelt hat die Firma durch die 2017 geschlossene Kooperation mit dem US-Unternehmen Bluebird Bio bereits.



Auf Seite 3: Auf einen Blick: Biotechs in Europa





Auf einen Blick: Biotechs in Europa