Bei Zertifikaten bergen Kurseinbrüche oft besonders hohe Risiken. Derivateexperte Matthias Hüppe von HSBC Deutschland über die aktuelle Situation für Anleger.

€uro am Sonntag: Herr Hüppe, das Coronavirus hat die Märkte exorbitant einbrechen lassen. Sollten Anleger nun also ihre Wertpapiere verkaufen?

Matthias Hüppe:

Nach einer Korrektur von 30 Prozent kommt diese Frage zu spät. Anleger sollten sich immer schon in der Hausse fragen, welches Risiko sie eingehen wollen. So können sie ihr Depot mit Stop-Loss-Orders oder Put-Optionsscheinen gegen größere Verluste absichern. Der Corona- Crash kam zudem nicht über Nacht, sondern erfolgte in mehreren Etappen. Jeder hatte die Chance, seine Papiere entsprechend zu verkaufen.

Wie haben jene Anleger, die Derivate von HSBC handeln, während des Crashs agiert?

Unsere Erfahrung ist, dass vor allem Selbstentscheider diszipliniert reagieren. Dies sind zumeist kurzfristig orientierte Trader, die sich ihre eigene Marktmeinung bilden und wissen, wie die einzelnen Papiere funktionieren. So haben sie Positionen verkauft und zugleich Short-Produkte gekauft, die von fallenden Kursen profitieren.

Und Anleger, die klassische Zertifikate kaufen und einen längeren Anlagehorizont haben?

Sowohl Privatanleger als auch Vermögensverwalter bevorzugen in schwankungsintensiven Phasen Zertifikate, die Volatilität verkaufen. Das sind vor allem Discountzertifikate, Aktienanleihen und Bonuszertifikate. Das Prinzip: Je höher die Volatilität, desto größere Renditemöglichkeiten bieten sie.

Warum ist das so?

Nehmen wir ein Discountzertifikat. Das Papier ist so strukturiert, dass am Terminmarkt eine Option auf den Basiswert, etwa eine Aktie oder ein Index, verkauft wird. Je stärker die erwartete Volatilität, desto mehr ist diese Option wert. Folglich ist der Preisabschlag des Zertifikats gegenüber dem Basiswert in unsicheren Börsenzeiten besonders groß. In ruhigeren Märkten steigt der Kurs des Discounters automatisch, selbst wenn sich die entsprechende Aktie oder der Index nur seitwärts entwickelt.

Aber in volatilen Börsenphasen besteht zugleich ein erhöhtes Marktrisiko.

Das stimmt. Wenn Sie sich derzeit jedoch die Konditionen bei Discountern einmal ansehen, stellen Sie fest, dass mit den Papieren ordentliche Renditen zu überschaubarem Risiko möglich sind.

Zum Beispiel?

Jüngst konnten Anleger beim DAX-Stand von 9.650 Punkten ein DAX-Discountzertifikat mit einem Rabatt von 30 Prozent kaufen. Sollte der Index in einem Jahr bei 7.000 Punkten oder darüber notieren, erzielen sie mit dem Zertifikat eine Rendite von knapp fünf Prozent. Erst bei einem Stand unterhalb von 6.700 Punkten rutschen Käufer des Discountzertifikats in die Verlustzone.