Seit 60 Jahren rettet James Bond die Welt. Er gehört zu den stärksten Marken des 20. und 21. Jahrhunderts. Nach Schätzungen hat weltweit jeder zweite Mensch einen Bond-Film gesehen, und bis heute hat diese erfolgreichste Filmserie aller Zeiten inflationsbereinigt über 16 Milliarden Dollar eingespielt.

Der fiktive Agent James Bond war das literarische Alter Ego von Ian Fleming, dem Vater des Spions. Es steckt verblüffend viel Fleming in der Figur: Der Autor führte ein aufregendes Leben, das dem des Romanhelden in nichts nachstand. Ian Fleming kam im Jahr 1908 in London zur Welt. Sein Vater ­Valentine Fleming, ein Rechtsanwalt und konservativer Unterhausabgeordneter, war im Ersten Weltkrieg in Frankreich gefallen - Winston Churchill, ein Freund der Familie, schrieb den Nachruf in der "Times". Ians Großvater Robert war ein Buchhalter aus Dundee, der mit 13 Jahren die Schule verließ, Banker wurde und später als eigentlicher Erfinder des Investment Trusts reich wurde.

Auf Wunsch seiner dominanten Mutter studierte Fleming am elitären Eton College, wo er Französisch, Russisch und Deutsch lernte. Er wurde jedoch wegen ungebührlichen Benehmens - es ging um Frauengeschichten - der Schule verwiesen. Ein ähnlicher Vorfall beendete auch seine Karriere an der königlichen Militärakademie in Sandhurst, einer Kaderschmiede der britischen Elite.

Seine Mutter schickte ihn nach Kitzbühel, wo er eine Privatschule besuchte, die ein ehemaliger Mitarbeiter des britischen Geheimdiensts leitete. Fleming liebte Kitzbühel. Später studierte er in München und Genf Psychologie. Eigentlich wollte er Diplomat werden, bestand aber die Aufnahmeprüfung des Auswärtigen Amtes nicht. Mit 23 fand er eine Anstellung als Korrespondent für die britische Nachrichtenagentur Reuters. Er lernte, im Agenturstil zu schreiben, schnell und detailgenau. Seine Fremdsprachenkenntnisse waren dabei sehr nützlich: Reuters schickte ihn nach Berlin und nach Moskau, wo er über einen Spionageprozess berichtete. 1935 heuerte er in der Londoner City als Börsenhändler bei Cull & Co. und zwei Jahre später bei Rowe & Pitman an. Das Bankhaus wurde später von der Schweizer UBS übernommen.

Kreativer Banker


Fleming trat nun als Banker in die Fußstapfen seines Großvaters. Zwar war er nicht sonderlich erfolgreich, aber der Job in der City verlieh ihm Prestige. Er war nicht mehr länger der gescheiterte Student oder der unterbezahlte Journalist, sondern hatte eine angesehene Stellung in der Gesellschaft. In dieser Zeit begann seine Vorliebe für elegante Kleidung, delikates Essen und Glücksspiel. Er rauchte nur noch Zigaretten, die aus drei verschiedenen türkischen Tabaksorten eigens für ihn produziert wurden. Sein Job war wenig spannend, aber er hatte seine amüsanten Seiten: Fleming pflegte seine Kunden mittags in seinem Club zu bewirten, man trank mehrere Flaschen Wein und besprach mit weltmännischer Attitüde die allgemeine Wirtschaftslage. Anschließend führte er nach zwei Stunden die angeheiterten Kunden zur Bank zurück und nahm ihnen ihr Geld ab. In Form von Investments natürlich.

Der Zweite Weltkrieg erlöste Fleming von seinem öden Job. Wieder war es seine Mutter, die sich für ihn einsetzte. Sie bat Winston Churchill, ihm einen Posten bei der Armee zu beschaffen. Admiral John Henry Godfrey, damals Chef des Nachrichtendienstes der britischen Marine, lud Fleming zum Lunch im vornehmen Londoner Carlton Grill ein. Er mochte Fleming und rekrutierte ihn als persönlichen Assistenten im Range eines Leutnants zur See. Admiral Godfrey wurde später das Vorbild für "M", den Geheimdienstchef von James Bond. Fleming trug nun die Uniform eines Offiziers der Navy. Es war zwar ein Schreibtischjob im Londoner Hauptquartier, aber sein im Eliteinternat Eton geschultes Selbstbewusstsein, das oft an Arroganz grenzte, und sein Charme, gepaart mit Rücksichtslosigkeit, ließen Fleming schnell Karriere machen. Er wurde Verbindungsoffizier zum US-Marinegeheimdienst und kommandierte ab Ende 1943 eine Einheit der Royal Marines, das No. 30 Commando, das hinter den feindlichen Linien operierte und Geheim­aktionen durchführte.

Als Nachrichtenoffizier hatte er oft Station in Portugal gemacht, eines der wenigen europäischen Länder, das im Zweiten Weltkrieg neutral geblieben war. Er spielte abends oft im Casino Estoril, damals die größte Spielbank Europas. Dort verlor er viel Geld, was wohl einem 007 nicht passiert wäre, weshalb ihn Fleming in seinem ersten Buch "Casino Royale" natürlich gewinnen lässt.

Während einer Marinekonferenz 1944 hielt sich Ian Fleming auf Jamaika auf. "Ich war nie zuvor in den Tropen gewesen, und es gefiel mir sofort. Also beschloss ich eines Tages, mir dort ein Haus zu bauen, in dem ich wohnen könnte, wann immer mir danach zumute wäre. Ich fand den richtigen Ort: eine Eselrennbahn am Meer, die nicht mehr in Betrieb war." Seinem Traumhaus gab er den Namen Goldeneye.

Bond-Buchreihe


Nach Ende des Krieges nahm er seine Arbeit als Journalist wieder auf. Sein Vertrag sicherte ihm zu, dass er zwei Monate pro Jahr in seinem Haus in Jamaika leben konnte. Hier begann er im Februar 1952 zu schreiben. Seinen ersten Bond-Roman "Casino Royale" vollendete er nach zwei Monaten. Den Namen seines Helden lieh er sich aus einem Vogelkundebuch seiner Jugend: "Vögel der Westindischen Inseln". Der Autor hieß James Bond …

Die Erstauflage: 4750 Exemplare. Der Roman enthält bereits all jene Elemente, die sämtliche späteren Bond-Thriller auszeichnen: exotische und glamouröse Schauplätze, einen eiskalten Helden, der über Leichen geht, aber stilvoll zu leben weiß, überlebensgroße Bösewichte, die nach der Weltherrschaft streben, und schöne Frauen - Bond-Girls, die sich bereitwillig in die starken Arme von 007 werfen.

"Casino Royale" verkaufte sich anfänglich nicht so gut, wie Fleming sich das erhofft hatte. Erst ab 1959 ging es finanziell aufwärts und Fleming konnte von seinen Büchern leben. 1961 war er der meist verkaufte Thrillerautor in den USA. Ein Jahr später kam "James Bond jagt Dr. No" in die Kinos und die Popularität von 007 erfuhr einen kometenhaften Aufstieg: Das Buch hatte sich anfänglich kaum verkauft, nach dem Filmstart stieg die verkaufte Auflage auf eineinhalb Millionen Stück!

Von 1953 bis 1964 schrieb Ian Fleming 14 Bond-Romane und mehrere Kurzgeschichten. Aber sein schwaches Herz konnte mit seinem Lebensstil nicht mehr Schritt halten. Im August 1964, während eines Familienurlaubs, erlitt er einen Herzanfall, von dem er sich nicht mehr erholte. Er wurde nur 56 Jahre alt. Seine Halbschwester, Amaryllis Fleming, sagte nach seinem Tod in einem BBC-Interview: "Zunächst war James Bond nur ein Spielzeug für ihn, aber dann wurde James Bond zu seinem Herren und er zu dessen Spielzeug. Ich glaube, James Bond hat ihn umgebracht."