Die Deutsche Börse startete eine Umfrage zur Weiterentwicklung des DAX. Im Vordergrund stehen laut den Analysten bei der DZ Bank die Themen: Erweiterung des DAX auf 40 Titel, höhere Qualitätsanforderungen und ein neuer Aufnahmeprozess.

Je nach Ausgang der Befragung könnten verschiedene der bisherigen Kritikpunkte beseitigt werden. Größe, Diversifikation und Qualitätsstandards könnten leicht ansteigen, was positiv sei. Allerdings wäre der Einfluss auf die Kursentwicklung und Sektor-Zusammensetzung des DAX nur beschränkt. Auch könnten subjektive Ausschluss-Kriterien in speziellen ESG-Indizes und eigenen Investmentkriterien besser umgesetzt werden, wie DZ Bank-Analyst Michael Bissinger in einer aktuellen Studie zu dem Thema schreibt.

In dem Bericht hat sich das Institut aber nicht nur mit den Hintergründen zu den geplanten Veränderungen beschäftigt. Vielmehr hat man sich auch Gedanken gemacht zu den damit potenziell einhergehenden Veränderungen auf Sektor-Ebene sowie auf Basis der Einzeltitel. Zudem zeigt die DZ Bank auf, ob und wie sich in der Vergangenheit mit den potenziellen DAX-Aufsteigern Geld verdienen ließ. BÖRSE ONLINE berichtet nachfolgend über die Ergebnisse der Studie.

Was hinter den geplanten Indexveränderungen steckt und davon zu halten ist



Im Rahmen einer Reform der DAX-Auswahlindizes hat die Deutsche Börse eine Marktkonsultation gestartet. Der Indexanbieter reagiert damit auf verschiedene Kritikpunkte. Neben einer möglichen Vergrößerung des DAX werden folgende Ziele angestrebt, wie die DZ Bank in einer Studie zu dem Thema schreibt: die Einführung strikterer Kriterien zur Auswahl der Indexmitglieder, eine Vereinfachung der Indexregeln, Harmonisierung des Regelwerks nach internationalen Standards und die Einführung von Qualitätskriterien.

Die Konsultation steht allen Marktteilnehmern vom 05. Oktober bis zum 04. November 2020 offen. Die Ergebnisse der Befragung sowie eine Ankündigung über mögliche Änderungen an der Index-Methodik sollen bis 23. November veröffentlicht werden. Änderungen der Indexregeln sollen frühestens für die Überprüfung im März 2021 wirksam werden.

Mit einer Erweiterung von 30 auf 40 Indexmitglieder würde dem Kritikpunkt, dass der DAX 30 die Unternehmenslandschaft in Deutschland nicht adäquat wiederspiegelt, zwar optisch Rechnung getragen. Die Anzahl der Unternehmen im DAX würde um 33 Prozent ansteigen, der Anteil der neuen Unternehmen im Index würde jedoch nur acht Prozent betragen, rechnet Analyst und Studieautor Michael Bissinger vor.

Effektiv würde sich aufgrund des hohen Gewichts von wenigen Großkonzernen (u.a. SAP, Linde, Siemens, Allianz) daher nur wenig ändern. Auch würde sich die Sektor-Zusammensetzung nur unwesentlich verschieben. Ein höheres Gewicht von beispielsweise Technologieaktien im DAX könne damit aller Voraussicht nach nicht erreicht werden. Der Anteil von Chemie-, Auto- und Industriekonzernen unter den großen, deutschen, börsennotierten Aktiengesellschaften sei dafür zu hoch.

Insgesamt würde der Anteil von Industrie- aber auch von Gesundheitsaktien ansteigen. Gleichzeitig würde sich die Anzahl der Unternehmen im MDAX von 60 auf 50 Unternehmen verringern. Diese 10 Unternehmen stünden allerdings im MDAX für ein Indexgewicht von über 30 Prozent. Der Einfluss auf den MDAX wäre somit höher als auf den DAX. Wie ein Backtest der Deutschen Börse ab 2015 zeigte, wären die Auswirkungen auf die Kursentwicklung von DAX und MDAX hingegen gering.

Generell wären das größere Volumen, die leicht höhere Diversifikation und der leicht steigende Anteil dynamisch wachsender Unternehmen für den DAX positiv und sollten den deutschen Leitindex leicht aufwerten, so Bissingerr. Die größeren Werte aus der zweiten Reihe könnten mehr Aufmerksamkeit erhalten. Für den MDAX bestehe allerdings das Risiko, dass er an Relevanz für Generalisten verliere, für Spezialisten sollte sich wenig ändern.

Zum anderen hätten sich im Zuge der Wirecard-Insolvenz verschiedene Schwachstellen des Index gezeigt. Diese sollten unter anderem durch eine Anpassung der Anforderungen bezüglich der Vorlage testierter Geschäfts- und Zwischenberichte sowie höherer Compliance-Standards (Prüfungsausschuss) verbessert werden. Insgesamt sollten die neuen Regeln mehr Möglichkeiten schaffen, schneller auf mögliche Missstände zu reagieren, um zweifelhafte Aktien schneller aus dem Index entfernen zu können. Auch eine Frequenzerhöhung des Überprüfungszyklus könnte hilfreich sein. Dies sei positiv zu werten, führe allerdings auch zu mehr Veränderungen im Index.

Daneben würden im Rahmen der Konsultation verschiedene weitere Punkte abgefragt. Dazu zähle der Wegfall des Aufnahmekriteriums Börsenumsatz. Dieses solle durch eine Mindestliquidität ersetzt werden, welche die meisten der großen Werte erfüllen sollten. Auch solle das Qualitätskriterium der Profitabilität, auf Ebene des EBITDA, im DAX eingeführt werden. Diese Kriterien würden den Index stärker an internationale Standards angleichen. Eine potenzielle Benachteiligung von neuen, innovativen und noch nicht Gewinn erzielenden Unternehmen sei dadurch jedoch möglich. Allerdings werde mit der EBITDA-Ebene sehr weit oben in der Gewinn- und Verlustrechnung angesetzt - das Kriterium könne als Qualitätskriterium daher begrüßt werden.

Zusätzlich werde abgefragt, ob Unternehmen ausgeschlossen werden sollten, die an "umstrittenen Waffen" beteiligt sind. Die Börse greife damit ein sehr aktuelles Thema auf. Hier sieht die DZ Bank allerdings Abgrenzungsprobleme, da die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der subjektiven Kriterien und Grenzwerte eine hohe Unsicherheit mit sich bringen dürfte. ESG-Kriterien könnten aufgrund der hohen Heterogenität besser in speziellen ESG-Indizes oder den eigenen Investitionsleitlinien der Investoren umgesetzt werden. Zudem, während an anderen Punkten versucht werde das Regelwerk nach internationalen Standards zu harmonisieren, würde die Deutsche Börse mit diesem Punkt im Leitindex einen eigenen Weg beschreiten.

Mögliche Veränderungen im DAX



Bis es zu Veränderungen im Index komme, werde noch einige Zeit vergehen - die Börse gehe frühestens im März 2021 von Neuerungen aus. Die DZ Bank hat basierend auf der DAX-Rangliste der Deutschen Börse vom 1. Oktober in Verbindung mit Free-float-Daten von Bloomberg eine Näherungsrechnung durchgeführt.

Berücksichtigt hat man dabei die Ausweitung des DAX von 30 auf 40 Werte und die Abschaffung des Börsenumsatz-Kriteriums. ESG-Regeln hat man dagegen nicht berücksichtigt. Zudem hat man alle Unternehmen der Rangliste berücksichtigt, die nicht mit einem "Kommentar", der eine Nichtberücksichtigung rechtfertigen würde, versehen waren.

Außerdem hat sich die DZ Bank mögliche Veränderungen der Sektorgewichte angesehen. Während IT (-1,9 Prozent) und Finanzen (-1,0 Prozent) an Gewicht verlieren sollten, würde das Gewicht der Sektoren Industrie (+3,2 Prozent) und Gesundheit (+1,6 Prozent) ansteigen. Damit wäre der Index weiterhin zu fast 50 Prozent durch die Sektoren Industrie, Nicht-Basiskonsumgüter (Auto) sowie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe (Chemie) dominiert.



Historische Wirkung von erwarteten Indexveränderungen



Regelmäßig im Vorfeld zur Bekanntgabe der Indexveränderungen kommt es laut Bissinger zu Spekulationen, wer in einen höheren Index aufsteigt bzw. wer absteigen muss. Generell werde mit der Aufnahme in einen höheren Index mehr Aufmerksamkeit und somit mehr Börsenumsatz erwartet. Zudem seien die Aktien dann für Indexfonds und ETFs von Bedeutung.

Die Frage sei, ob bei Indexveränderungen auch Outperformanceeffekte erzielt werden können, wenn in potenzielle Aufsteiger bzw. Absteiger investiert / deinvestiert werde. Um die Frage zu beantworten, hat die DZ Bank über 500 historische Indexwechsel in den DAX-Indizes analysiert. Dafür hat man sowohl die tatsächlichen Auswirkungen eines Aufstiegs als auch eines Abstiegs auf die jeweiligen Aktien, sowie relativ zum jeweils relevanten Index untersucht.

In allen der vier betrachteten Indizes seien vor Bekanntgabe im Durchschnitt eine Outperformance der Aufsteiger sowie eine Underperformance der Absteiger, gegenüber dem relevanten Index messbar gewesen (siehe Performance-Tabelle). Dies sei rein rechnerisch auch notwendig, damit es zu Rangverschiebungen und somit zu Indexveränderungen komme.

Dieser Effekt habe sich jedoch nach Bekanntgabe bis zur Umsetzung im DAX und MDAX leicht ins Negative gedreht. In TecDAX und SDAX sei hingegen auch nach der Bekanntgabe eine leichte Outperformance zu erzielen gewesen. Auch nach der Umsetzung, am 3. Freitag des Monats, habe sich innerhalb von 30 Tagen danach in MDAX, TecDAX und SDAX ein leicht positiver Effekt auf die Aufsteiger gezeigt, wohingegen der Effekt beim DAX im Durchschnitt negativ ausgefallen sei.

Historisch sei ein gewisser Mehrertrag erzielbar gewesen, wenn man im Vorfeld von Indexveränderungen auf potenzielle Aufnahmekandidaten gesetzt hätte. Da aber die Ergebnisse der Marktkonsultation erst in eineinhalb Monaten bekannt gegeben würden und die früheste Umsetzung Mitte März 2021 stattfinden werde, geht die DZ Bank davon aus, dass es für eine Positionierung heute noch zu früh ist.

Zudem müsse berücksichtigt werden, dass die Tatsache, dass die Aufnahme alleine aufgrund einer Anhebung der Anzahl der Indexmitglieder stattfinde, nicht untersucht werden konnte. Bisher hätten die Aufsteiger immer besser laufen müssen als der Markt, um aufzusteigen. Bei einer Ausweitung auf 40 DAX-Aktien müsse das nicht der Fall sein.

Zwar sollten die Aufmerksamkeit und das Interesse von ETFs für die neuen DAX-Kandidaten steigen. Die möglichen positiven Effekte durch eine Aufnahme in den DAX sollten aber durch Unsicherheiten, die sowohl von der Marktkonsultation, der gesamtwirtschaftlichen Lage, als auch den firmenspezifischen Entwicklungen innerhalb der nächsten sechs Monate ausgehen, überlagert werden. Passend dazu fielen auch die Anlageempfehlungen der DZ BANK-Aktienanalysten für die möglichen neuen Kandidaten im Index sehr heterogen aus.