Sen und Technologie-Vorstand Roland Busch galten bisher auch als aussichtsreichste Kandidaten für die Nachfolge von Siemens-Chef Joe Kaeser, dessen Vertrag Anfang 2021 ausläuft. Der 54-jährige Busch war vor einem Jahr bereits zum Chief Operating Officer (COO) ernannt worden und ist damit für das Tagesgeschäft zuständig.

Eine Entscheidung über Kaesers Nachfolger wird erst später erwartet, zumal der 62-Jährige sich bisher bedeckt hält, ob er noch einmal verlängern würde. Siemens wollte sich nicht zu der Sitzung und deren Inhalten äußern. In Aufsichtsratskreisen wird allerdings der Ruf lauter, dass Kaeser seinen Platz im Laufe des nächsten Jahres räumen sollte.

"Die neue, verkleinerte Siemens AG braucht einen Techniker an der Spitze, der der Belegschaft und den Aktionären wieder eine Vision vermitteln kann", sagte einer der Insider. Nach der Abspaltung der Energie-Sparte, die für September 2020 geplant ist, befasst sich der Konzern noch mit Industrieautomatisierung und Infrastruktur-Technik; dazu kommt die Verkehrstechnik-Sparte Mobility. Kaesers Stärken, etwa auf dem internationalen Parkett über große Kraftwerks- und Infrastruktur-Aufträge zu verhandeln, kämen in der neuen Struktur nicht mehr so stark zum Tragen. "Da sind andere Führungsfähigkeiten gefragt", sagte ein anderer Insider.

Für den Chefposten in der Energie-Sparte bringt der 50-jährige Sen als ehemaliger Finanzvorstand von E.ON auch Erfahrung in der Branche mit. Im Siemens-Vorstand ist er auch für die Windkraft-Tochter Gamesa zuständig, die ebenfalls der Energie-Sparte zugeordnet werden soll. "Er würde perfekt passen. Wenn er den Posten will, bekommt er ihn", sagte einer der Insider.

LISA DAVIS IST AUS DEM RENNEN


Lisa Davis, die die Kraftwerkssparte Gas & Power - den Kern des künftig selbstständigen Energiekonzerns - führt, sei aus dem Rennen, hieß es in Aufsichtsratskreisen. Die Amerikanerin hatte lange vor der Entscheidung über die Abspaltung aus privaten Gründen entschieden, ihren bis Oktober 2020 laufenden Vertrag um maximal noch ein Jahr zu verlängern. Siemens hatte ihr über den Sommer Zeit gegeben, ihre Lebensplanung nochmals zu überdenken. Vorstandschef Joe Kaeser hatte aber bereits angedeutet, dass sie eher nicht mehr für den Posten an der Spitze der börsennotierten Tochter infrage käme.

Siemens hatte im Mai beschlossen, die Mehrheit an der Sparte gim September 2020 an die eigenen Aktionäre abzugeben und Siemens Power eigenständig an die Börse zu bringen. Sie dürfte schnell in den Leitindex Dax einziehen. Die Ausgliederung soll formal um den Jahreswechsel vonstattengehen. Vor allem die betroffenen Mitarbeiter sollen vorher Klarheit haben, wer das Energietechnik-Unternehmen künftig führt. Als Finanzvorstand steht bereits Klaus Patzak fest.

Die Abspaltung ist der Schlusspunkt des grundlegenden Umbaus von Siemens, den Kaeser in den vergangenen Jahren in Angriff genommen hat. Die Windkraft-Sparte wurde mit der spanischen Gamesa fusioniert, die Medizintechnik unter den Namen Siemens Healthineers an die Börse gebracht. Siemens trennt sich mit der Energie-Sparte von knapp einem Viertel der rund 380.000 Mitarbeiter und einem Drittel des Umsatzes.

Das Geschäft mit Kohle- und Gas-Kraftwerken, aber auch mit Windrädern verschlingt viel Kapital, hält mit den Margen der meisten anderen Bereiche aber nicht mit. Siemens setzt darauf, dass die Energie-Sparte zum Vorreiter bei der Energiewende wird. Nach dem Börsengang will die Siemens AG knapp 50 Prozent an der bisherigen Tochter behalten. Die übrigen Aktien werden an die Anteilseigner verteilt.

rtr