Als die Lernplattform Sofatutor vor zwölf Jahren online ging, sprach kaum jemand über digitale Bildung. Das war, bevor das Coronavirus alles veränderte. Seit die Schulen in Deutschland auf dem bisherigen Höhepunkt der Pandemie schließen mussten, besuchen die Plattform wöchentlich 1,5 Millionen Nutzer - mehr als zuvor in einem Monat. Rund 5.000 Schulen nutzen die Lernvideos, interaktiven Übungen und Arbeitsblätter von Sofatutor für ihren digitalen Unterricht.

Das Berliner Unternehmen ist nicht der einzige Anbieter von Bildungssoftware, der in den vergangenen Monaten stark steigende Nutzerzahlen registrierte: In Corona-Zeiten griffen Schüler und Studierende vermehrt auch auf die Angebote anderer digitaler Lernplattformen zurück. "Die öffentliche Aufmerksamkeit fokussiert sich momentan sehr stark auf den Ausbau digitaler Bildung. Gerade im schulischen Bereich sind die Angebote solcher Unternehmen gefragt", sagt Tobias Himmerich. Er ist Geschäftsführer des Business Angels Eduvation, der Start-ups im Bildungssektor unterstützt. Mehr als ein Viertel der Anbieter sogenannter Educational Technology, kurz EdTech, konnte den Umsatz in Corona-Zeiten steigern, ergab eine Blitzumfrage des Forschungsinstituts mmb. Und das, obwohl laut Himmerich fast alle EdTech-Start-ups ihre Dienstleistungen bis zu den Sommerferien kostenlos angeboten haben. Bei aller Euphorie sei jedoch unklar, ob die neu gewonnenen Kunden auch nach der Krise bleiben, warnt der Investor. "Für EdTech-Unternehmen geht es jetzt darum, ihre Angebote rentabel zu machen. Und dann wird sich zeigen, wie gefragt sie noch sind."

Noch in der Nische

Das Problem: In Deutschland führt die EdTech-Branche noch ein Nischendasein. Zwar ist die Zahl der Unternehmen im Jahr 2018 mit 13,8 Prozent erstmals wieder zweistellig gewachsen. 2019 kamen in Deutschland aber gerade einmal 4,1 Prozent der Start-ups aus dem Bildungssektor, zeigen Zahlen des Deutschen Startup Monitors. Das liegt auch an der Politik, die feste Budgets für Schulen und Universitäten vergibt und nur wenig Spielraum für Investitionen in digitale Bildungsangebote lässt. "In Deutschland ist der staatliche Bildungssektor vorherrschend. Der Markt ist also hoch reguliert, was für Investoren nicht attraktiv ist", erklärt Ulrich Schmid, Geschäftsführer des mmb-Instituts.

Die USA bieten EdTech-Unternehmen und damit auch Anlegern deutlich bessere Chancen. Dort ist E-Learning schon seit Jahren ein großes Thema und in vielen Schulen und Universitäten längst etabliert. Das lässt sich ebenfalls mit dem Bildungssystem erklären, denn anders als in Deutschland ist die akademische Ausbildung in den USA kostenpflichtig. Schulen und Unis sind also nicht von der Staatskasse abhängig und können dadurch freier über ihr Budget verfügen. Zudem ist der Wettbewerb zwischen den einzelnen Bildungsinstitutionen größer. Das macht Kooperationen mit Start-ups attraktiv.

Erfolg an der Wall Street

Mittlerweile haben es einige EdTech-Firmen aus den USA auch an die Börse geschafft. Beispiel Chegg: Die Amerikaner verkaufen und verleihen digitale Lehrbücher und bieten Online- Nachhilfe für Studenten an. Die Aktie kam im Herbst 2017 an die Börse und kletterte zunächst unspektakulär. Seit Beginn der Corona-Krise aber ist der Kurs deutlich in die Höhe geschnellt.

Das US-Start-up 2U wiederum arbeitet mit Hochschulen im angelsächsischen Raum zusammen und verhilft Nutzern per Onlinekursen zu vollwertigen Uni-Abschlüssen. Die Aktie hat sich seit Mitte März in etwa verdreifacht.

2U ist auch die Hauptposition in einem der wenigen Fonds, die sich auf die EdTech-Branche spezialisiert haben, dem CS Edutainment Equity Fund. Fondsmanager Kirill Pyshkin konzentriert sich auf Unternehmen, die "mit dem traditionellen Bildungsansatz brechen". Sprich: Er setzt auf sogenannte Edutainment-Firmen, die Bildung mit Spaß vereinen und Lerninhalte spielerisch aufbereiten. Unter den Positionen findet sich zum Beispiel Youdao, ein Tochterunternehmen des chinesischen Tech-Riesen NetEase, das unter anderem Onlinekurse für Schüler anbietet. Daneben taucht auch die brasilianische Firma Afya Limited auf, die interaktive Lerninhalte für Medizinstudenten bereitstellt.

Neben den USA zählen Asien, Lateinamerika und Afrika zu den wichtigsten Regionen für EdTech-Investoren, weiß mmb-Chef Schmid. In Europa sieht er vor allem in Großbritannien Potenzial, auch wegen des guten internationalen Netzwerks, das strategische Partnerschaften ermöglicht: Erst kürzlich kündigte der börsennotierte britische Bildungskonzern Pearson Group eine Zusammenarbeit mit der koreanischen EdTech-Firma Calm Island an. Konkret integriert Pearson nun die interaktive Früherziehungsplattform KidsLoop in sein Angebot.

Spannende Weiterbildung

Bei deutschen EdTech-Unternehmen sei das Wachstumspotenzial dagegen begrenzt, sagt Schmid. Daran werde auch die Corona-Krise wenig ändern. Business Angel Himmerich sieht das ähnlich - mit einer Ausnahme: Firmen, die sich auf Weiterbildungsangebote im B2B-Bereich spezialisiert haben. "Viele Unternehmen haben während der Pandemie erkannt, wie wichtig digitale Fortbildungsprogramme für ihre Mitarbeiter sind. Deshalb sind sie eher bereit, Geld für EdTech-Angebote auszugeben, nicht zuletzt, weil dadurch Reisekosten wegfallen", sagt der Investor. Zudem könnten Unternehmen, anders als staatliche Einrichtungen, frei über ihr Budget verfügen und damit schneller auf digitale Angebote umsatteln.

Klar ist: Nicht alle EdTech-Firmen profitieren von der Krise. Unternehmen, die auf Präsenzveranstaltungen angewiesen waren - etwa weil nach einem Onlineseminar die Abschlussprüfung vor Ort stattfand -, dürften es auf lange Sicht schwerer haben. Sie konnten ihr Angebot womöglich nicht schnell genug umstellen und haben dadurch im schlimmsten Fall mehr Nutzer verschreckt als gewonnen.

Für viele Unternehmen aus der Ed-Tech-Branche aber dürfte Corona wie ein großer Katalysator wirken - wenn das Geschäftsmodell stimmt. "Jene EdTech-Firmen, die ihre Dienstleistungen schon vor Corona komplett digitalisiert hatten, werden auch nach der Krise profitieren", sagt mmd-Chef Schmid.
 


INVESTOR-INFO

CHEGG

Hohes Wachstum

Der US-EdTech-Spezialist überzeugte im jüngsten Quartal, trotz bereits hoher Erwartungen. Analysten rechnen im laufenden Jahr mit einem Umsatzplus von beinahe 50 Prozent auf über 600 Millionen Dollar, beim Gewinn soll es um ein gutes Drittel nach oben gehen. Investitionen belasten die Margen im laufenden Jahr, doch dies sollte sich künftig auszahlen. Die Aktie ist angesichts der hohen Wachstumsraten nicht überteuert. Anleger nutzen sie als spekulative Beimischung.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 80,00 Euro
Stoppkurs: 48,00 Euro

2U

Noch Minusjahre

Das US-Unternehmen bietet mit seinen Kursen auch vollwertige Universitätsabschlüsse im angelsächsischen Raum an. Der Umsatz wächst stark, für das laufende Jahr werden rund 30 Prozent Plus erwartet. 2U ist aber noch defizitär und wird laut Schätzungen noch bis einschließlich 2022 Verluste schreiben. Nach einer Hochstufung durch die Analysten der Credit Suisse zog die Aktie stark an, gab anschließend aber nach. Halten.

Empfehlung: Beobachten
Kursziel: 35,00 Euro
Stoppkurs: 27,00 Euro

CS EDUTAINMENT EQUITY FUND

Bildung im Paket

Den EdTech-Fonds der Credit Suisse gibt es seit September vergangenen Jahres. Firmen aus den USA sind mit rund 30 Prozent am stärksten vertreten. Allein vier Prozent hat Fondsmanager Kirill Pyshkin in 2U investiert. Zu den Top-Positionen zählen auch Chegg sowie Youdao, eine Tochter des chinesischen Tech-Riesen NetEase. Wegen der noch kurzen Laufzeit gibt es nur eingeschränkt Daten zur Performance, diese sind aber solide.