Politischer Umbruch in Irland: Nach dem überraschenden Wahlerfolg der linksgerichteten Partei Sinn Féin ist es in Dublin zu einer Pattsituation gekommen. Sowohl Sinn Féin als auch die etablierten, bürgerlichen Parteien Fine Gael und Fianna Fáil kommen auf etwa die gleiche Anzahl an Sitzen im Parlament. Keine politische Kraft kann somit allein regieren, es stehen schwere Koalitionsverhandlungen an. Der amtierende Regierungschef Leo Varadkar warnte bereits, dass es "mehrere Wochen, mehrere Monate" dauern könne, bis eine Regierung gebildet wird.

"Das alte Zweiparteiensystem gehört der Vergangenheit an", so Sinn-Féin-Präsidentin Mary Lou McDonald. Das Pikante daran: Die Partei galt früher als politischer Arm der Untergrundorganisation IRA und setzt sich für eine Wiedervereinigung Irlands ein. Lange Zeit wurde die Partei geächtet, an ihr klebe Blut, monierten die Gegner.

Geschickte Wahlkampagne

Den Erfolg hat man vor allem jungen Wählern zu verdanken. Und einer geschickten Kampagne: McDonald fordert ein Ende der Sparpolitik und will die Staatsausgaben drastisch erhöhen. So soll es Steuersenkungen für Geringverdiener geben. Außerdem möchte man die Mieten für mindestens drei Jahre einfrieren und 100 000 neue Wohnungen in den kommenden fünf Jahren bauen.

An der zur Euronext gehörenden Börse Dublin wurde das Wahlergebnis indes gelassen aufgenommen: Es gab keine größeren Ausschläge. Ohnehin hat der Leitindex ISEQ Overall eine positive Entwicklung genommen. Als im Oktober die Wahrscheinlichkeit für eine Brexit-Einigung zwischen Großbritannien und Brüssel immer sicherer wurde, startete der ISEQ eine fulminante Rally.

Auch mittelfristig ist Irland eine Erfolgsstory. Nach der Finanzkrise 2009 betrug das Haushaltsdefizit im Jahr 2010 mehr als 30 Prozent der Wirtschaftsleistung und die Staatsschuldenquote lag in Relation zum Bruttoinlandsprodukt bei 120 Prozent. 2020 sollen es nur noch 56 Prozent sein! Dass Irland einst als erstes Euroland den Euro-Rettungsschirm in Anspruch nehmen musste, verwundert da nur noch.

Mit dem Brexit sind jedoch neue Sorgen aufgekommen, schließlich ist das Königreich wichtigster Handelspartner. Einfach ausgedrückt: Je ungeregelter der Austritt Großbritanniens, desto härter trifft es Irland. Und tatsächlich sind nach dem offiziellen Abschied am 31. Januar noch viele Szenarien möglich. Den Wohlfahrtseffekt verschiedener Brexit-Varianten hat das Kieler Institut für Weltwirtschaft berechnet. Bei einem harten Brexit, bei dem nur die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) gelten, wäre der Effekt auf den Konsum in Irland mit mehr als minus acht Prozent zehnmal so schlimm wie für die EU insgesamt. Und die irische Zentralbank geht von einem eklatant niedrigeren Wachstum aus.

Umweltbewusster Marktführer

Wer auf Aktien aus Irland setzt, sollte daher darauf achten, dass das jeweilige Geschäftsmodell nicht zu stark von Großbritannien abhängt. Ein Beispiel dafür ist der Bauzulieferer Kingspan. Mit Gebäudeverkleidungen und Isolierungen als Hauptumsatzträger hat das Unternehmen gute Chancen, weiterhin von den zunehmenden Energiespar- und Klimaschutzinvestitionen im Immobiliensektor zu profitieren. Innerhalb der zurückliegenden vier Jahre haben sich Umsatz und Ertragskraft des nahe der Grenze zu Nordirland beheimateten Unternehmens verdoppelt. Das unabhängige Research-Unternehmen Goodbody geht davon aus, dass bis 2024 eine weitere Verdopplung möglich ist. Derzeit ist man noch auf Europa ausgerichtet, es gibt aber weitreichende Expansionspläne Richtung USA und Asien, wo der Markt für Gebäudeisolierungen im Vergleich zu Europa noch in den Kinderschuhen steckt.

Weil sich Kingspan selbst eine klare Nachhaltigkeitsstrategie verordnet hat - so will man schon in diesem Jahr CO2-neutral produzieren -, ist die Aktie in vielen Ökologiefonds enthalten. Kingspan ist das einzige irische Unternehmen mit der Topnote "A" in einer neuen Rangliste der umweltfreundlichsten Unternehmen der Welt. Das Ranking, zusammengestellt vom Carbon Disclosure Project, soll institutionellen Anlegern helfen, nachhaltige Unternehmen zu identifizieren.

Ein weiteres global agierendes Unternehmen ist Accenture . Der Managementberatungs-, Technologie- und Outsourcingdienstleister hat seinen Firmensitz zwar in Irland, betreut seine Kunden aber hauptsächlich von den USA aus (und ist auch deswegen nicht im Leitindex ISEQ enthalten). Accenture ist inzwischen längst mehr als "nur" Consultant. Der Berater sieht sich vielmehr als Teil der Produktentwicklung seiner Klienten. Die kommen dabei aus den unterschiedlichsten Branchen, von Konsum bis Chemie, und sollen mit Accenture ihre Geschäfte in plattformbasierte Modelle und Technologien umwandeln. Die Analysten von Morningstar erwarten auf lange Sicht ein jährliches Umsatzwachstum im hohen einstelligen Prozentbereich.