Die Ankündigung hatte für ordentlich Aufregung gesorgt: Insgesamt 2,4 Milliarden Euro investiert die Regierung in Tokio, um 87 japanische Unternehmen mit Produktionsstätten in der Volksrepublik China in die Heimat zurückzulotsen oder ihnen bei der Verlagerung der Produktion in die ASEAN-Staaten Myanmar, Vietnam und Thailand zu helfen.

Ein Affront gegenüber China, fanden manche Beobachter. Doch das wäre zu hoch gegriffen. Zum einen ist die Summe zu gering, und zum andern ist die gegenseitige Abhängigkeit der beiden großen Wirtschaftsnationen viel zu groß, als dass durch derlei Aktionen nachhaltiger Schaden angerichtet würde. Mit einem Handelsvolumen von umgerechnet gut 350 Milliarden Euro pro Jahr ist China ein ebenso wichtiger Handelspartner wie die Schutzmacht USA. Außerdem haben Japans Großkonzerne gerade über 150 Milliarden Dollar in neue Projekte in China investiert.

Die Rückholaktion der Regierung um Premier Shinzo Abe ist schlicht Teil eines massiven Konjunkturpakets in Höhe von gut einer Billion Euro, um die rezessiven Auswirkungen der Pandemie zu bekämpfen. Kein anderes Land investiert gemessen an der Wirtschaftsleistung so viel in die Wiederbelebung der Konjunktur

Klotzen - nicht kleckern

Es handle sich um die "größte Finanzspritze der Welt", um die "schlimmste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg" zu bewältigen, betont Premier Abe. Eine Welle von Konkursen soll dadurch vermieden werden. Wichtig zu wissen ist aber auch, dass das Geld wie schon bereits bei früheren Stimuluspaketen in der an Konjunkturprogrammen reichen Historie des Landes nicht auf einmal ausgegeben wird. Es geht vielmehr um die langfristige Stützung der japanischen Wirtschaft. Ein großer Teil des Billionenprogramms ist für die Konjunkturförderung im Anschluss an die Krise vorgesehen sowie als zusätzliche Unterstützung für die einzelnen Provinzen im Land.

Ähnlich unterstützend agiert die Notenbank, die Bank of Japan. So hält sie nicht nur den Leitzins knapp im negativen Bereich, sondern drückt auch den Marktzins zehnjähriger Staatsanleihen auf fast null Prozent, indem sie am Anleihemarkt massiv als Käufer auftritt und die Kurse pflegt.

Positiv auf die Konjunktur auswirken dürfte sich auch, dass sich die Großunternehmen in den diesjährigen Verhandlungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern auf eine Erhöhung des Gehalts um durchschnittlich 2,1 Prozent geeinigt haben. Damit steigen die Löhne das siebte Jahr in Folge, seit die Regierung die Unternehmen zu derlei Maßnahmen drängt. Trotzdem wird das Land wegen der Pandemie in diesem Jahr ein Minus beim Wachstum aushalten müssen. Der Internationale Währungsfonds IWF geht von einem Abschwung von mindestens 5,2 Prozent aus.

Schnell runter, schnell rauf

An der Börse in Tokio hat sich das ähnlich ausgewirkt wie an den anderen wichtigen Weltbörsen: Auf den Crash im März folgte ein schneller Aufschwung, der den Leitindex Nikkei 225 wieder in die Nähe der Höchststände vom Jahresanfang geführt hat.

Gut gelaufen ist beispielsweise Shin-Etsu Chemical. Das Unternehmen ist weltweit führend bei der Produktion von PVC für die Herstellung von Rohren, Fensterrahmen und Bodenbelägen. Außerdem produziert Shin-Etsu Chemical Wafer für die Halbleiterbranche - und ist auch in diesem Bereich weltweit an der Spitze. Zudem stellt das Unternehmen Silikone her, die beispielsweise für Kontaktlinsen genutzt werden. Shin-Etsu Chemical verfügt über Produktionsanlagen in 17 Ländern und besteht weltweit aus 113 Firmen. Der innovative Konzern investiert 3,5 Prozent seines Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Dank hoher Profitabilität und der soliden Eigenkapitalquote von mehr als 82 Prozent ist Shin-Etsu von internationalen Ratingagenturen top bewertet.

Spannend bleibt auch Hoya, Hersteller von Brillen, Linsen und optoelektrischen Geräten. Hoya ist im Augenoptikbereich der einzige verbliebene ernsthafte Konkurrent von Marktführer EssilorLuxottica. Nach Bewältigung der Corona-Pandemie dürfte das Unternehmen wieder an die historisch üblichen zweistelligen Gewinnwachstumsraten anknüpfen können. Zudem könnte es in Teilbereichen auch von der Pandemie profitieren, beispielsweise bei der Linsenherstellung für neuartige Wärmebildkameras zur Infektionsdiagnostik oder bei Lungenendoskopen.