von Peter Balsiger, Euro am Sonntag

Yusaku Maezawa hat es wieder einmal geschafft und einen ­Rekord gebrochen. Nach eigenen Angaben hat er vor knapp zwei Wochen den am meisten geteilten Twitter-Tweet aller Zeiten geschrieben. Mehr als fünf Millionen Mal wurde eine Botschaft Maezawas auf dem Kurznachrichtendienst geteilt. Ein so einfacher wie teurer Trick half dabei: In einer ­Verlosung hatte der 43-jährige Japa­ner 100 Twitter-Nutzern umgerechnet 8.100 Euro in bar versprochen, wenn sie seine Nachricht weiterverbreiten und ihm auf Twitter folgen.

Maezawa mag dabei umgerechnet 810.000 Euro verlieren, für ihn zahlt sich die Aktion dennoch aus. Denn das Buhlen um Aufmerksamkeit gehört zu seinem Geschäftsmodell. Er meldete sich auch im vergangenen September sofort, als sein US-Milliardärskollege Elon Musk die ersten Flugscheine zum Mond anbot. 2023 will er an Bord eines Raumschiffs des Tesla-Gründers um den Mond fliegen.

Der Rockstar will ins All

Das SpaceX-Raumschiff soll sich dabei dem Mond bis auf 200 Kilometer nähern. Für Elon Musk ist Maezawa unglaublich mutig. "Das wird gefährlich werden. Das ist kein Spaziergang im Park." Aber der Selfmademan ohne höhere Schulbildung, der als Schlagzeuger in einer Hardcore-Punkband begann und später die größte japanische Einzelhandels-Website gründete, sagt: "Das ist mein Lebens­traum. Seit ich ein Kind war, liebe ich den Mond."

Damit ist er nicht allein. Der US-­Astronaut Frank Borman, der 1968 als Chef der "Apollo 8"-Mission den ersten bemannten Flug um den Erdtrabanten erlebt hatte, sagte später: "Sie hätten ­Poeten mitschicken sollen. Ich glaube nicht, dass wir die unglaubliche Er­habenheit dessen, was wir dort oben ­gesehen haben, wirklich verstanden haben." Deshalb will Maezawa, der als einer der größten Kunstsammler Japans gilt, eine Gruppe von Künstlern einladen, ihn auf dem sechstägigen Flug ins All zu begleiten.

Er denkt an sechs bis acht Personen aus verschiedenen Ländern, die nach der Rückkehr zur Erde Meisterwerke schaffen sollen: "Ich wünsche mir die Kreation fantastischer Werke für die Menschheit." Die Gästeliste steht noch nicht fest, Maezawa denkt an Maler, Tänzer, Schriftsteller, Musiker, Modedesigner, Bildhauer, Architekten, Filmemacher oder Fotografen. Das Projekt nennt er #dearMoon. Den Preis für diese touristische Gruppenreise wollte Elon Musk nicht ver­raten. Nur so viel: "Yusaku bezahlt eine Menge Geld."

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Vom Schlagzeug ins Business

Maezawa ist der "Rockstar der japanischen Wirtschaft", das Enfant terrible der erzkonservativen Businesswelt in Nippon. "Die Japaner halten mich für einen Spinner", gibt er zu. Die Klatschpresse berichtet emsig über seinen ex­travaganten Lifestyle. Maezawa ist geschieden und Vater von drei Kindern von zwei Frauen. Er lebt heute mit der prominenten Schauspielerin und Sängerin Ayame Goriki zusammen.

Er besitzt einen Bombardier-Business­jet, dessen Interieur von Hermès gestylt wurde, und hat einen Weinkeller mit Tausenden von Flaschen, außerdem eine Flotte von teuren Autos, darunter ein Bugatti Chiron und ein Mercedes Maybach. Er ist befreundet mit dem Schauspieler Leonardo DiCaprio. Und er plant - wie andere japanische Tycoons - ein eigenes Baseballteam zu kaufen.

Der Multimilliardär tritt gern öffentlich für den Weltfrieden ein. 2003 verkaufte er in seinen Läden ein Anti­kriegs-Shirt, mit dem er gegen die militärische Intervention des Westens gegen Saddam Hussein protestierte. Den Erlös stiftete er wohltätigen Organisationen. Und er wirbt für ein universales Grundeinkommen, träumt von einer Welt ohne Geld, ein Schritt, der seiner Meinung nach das Verhältnis der Menschen zu Arbeit und Beziehungen radikal verändern würde. Seine Angestellten arbeiten nur sechs Stunden pro Tag. Sie sollen mehr Zeit für ihre Hobbys und für ihre Familien haben.

Yusako Maezawa stammt aus ein­fachen Verhältnissen. Er kam 1975 als Sohn eines Buchhalters und einer Hausfrau in Chiba, einer Stadt unweit von ­Tokio, zur Welt. Er war ein begeisterter Skateboarder, begann in der Highschool Gitarre zu spielen und wurde schließlich Schlagzeuger in der Punkband Switch Style, die schnell Erfolg hatte: 1995 kam die erste CD auf den Markt.

Nach dem Highschool-Abschluss zog er mit seiner Freundin nach Santa Monica in Kalifornien. Er hatte keine Lust aufs College, kein Interesse an einer bürgerlichen Karriere, "nachdem ich jeden Morgen all diese müden Gesichter in den Pendlerzügen gesehen hatte". Als Schlagzeuger fand er in den USA zwar kein Auskommen, aber er hatte eine ­Businessidee, die ihn schließlich reich machen sollte: Er kaufte CDs, T-Shirts sowie weitere Souvenirs seiner Lieblingsbands aus der Punk- und Hardrock­szene, verschiffte sie nach Japan und verkaufte sie dort über einen Mailorder- Katalog.

Dann brachte er sich selbst das Programmieren bei, baute eine Website, heuerte Mitarbeiter an und beschloss, neben Musik nun auch Modeartikel online anzubieten. Das Versandmaterial stapelte er in seiner Küche, die auch als Büro diente.

1998 bündelte er seine unternehmerischen Aktivitäten und gründete die Firma Start Today (benannt nach einem Album der New Yorker Punkband Gorilla Biscuits), spielte aber gleichzeitig noch immer als Schlagzeuger in seiner Band. Diese hatte inzwischen von einem großen japanischen Label ein attraktives Angebot erhalten. Der 25-jährige Maezawa musste sich entscheiden: Schlagzeug oder Business. "Ich war damals Präsident meines Unternehmens und tourte gleichzeitig mit meiner Band durch Japan", sagte er später. "Irgendwann war es schlicht nicht mehr möglich, beides zu tun. Also entschied ich mich für meine Firma."

Milliarden mit Shopping-Website

Die Geschäfte liefen gut. 2004 gründete Maezawa mit drei Mitarbeitern die Shopping-Website Zozotown, die anfänglich kaum bekannte japanische Modelabels anbot. Mit 35 war er bereits ­Milliardär. Zozotown ist heute die größte japanische Einzelhandels-Website, hat 1.000 Mitarbeiter, verkauft rund 6.800 Marken mit über 650.000 Artikeln. Maezawas Ziel ist es, sein Business zu globalisieren und die Nummer 1 in der Welt zu werden.

Er unterhält bereits Büros in Berlin und Los Angeles. Ihm gehören 39 Prozent der an der Börse Tokio notierten Firma. Das Magazin "Forbes" schätzt Maezawas Vermögen auf 2,9 Milliarden Dollar, er ist damit die Nummer 18 im Reichstenranking Japans.

Sein Unternehmen machte Schlagzeilen mit der Einführung eines Bodysuits, mit dem Kunden ihre genauen Körpermaße vermessen und so Kleider in einer genau auf die Figur zugeschnittenen Passform ordern können. Der Bodysuit erfasst 15.000 Punkte auf dem Körper, die sich via Bluetooth auf eine App laden lassen. Innerhalb der ersten zehn Stunden wollten 230.000 Kunden das Stück haben. Eine einträgliche, aber wohl nicht ganz uneigennützige Erfindung: Maezawa, der klein gewachsen ist und kurze Beine hat, wollte endlich mal Hosen kaufen können, die nicht abgeändert werden mussten.

Seine eigentliche Leidenschaft ist die Kunst. Bereits 2012 gründete er in Tokio eine Stiftung für zeitgenössische Kunst, die junge Künstler mit Stipendien fördert und Ausstellungen veranstaltet. Heute gehört er zu den prominentesten Sammlern Japans. Berühmt in der Szene ist sein spektakulärer Kaufrausch im Jahr 2016: Im Mai erstand er an einem Dienstagabend im Auktionshaus Christie’s ein Bild des von ihm verehrten ­amerikanischen Malers Jean-Michel Basquiat sowie Werke von Richard Prince, Jeff Koons, Alexander Calder und Bruce Nauman. Am nächsten Tag tauchte er bei Sotheby’s auf und kaufte weitere Bilder - am Ende hatte er innerhalb von zwei Tagen 89 Millionen Dollar ausgegeben.

Überboten wurde dieser Coup noch vom Kauf des "Untitled" benannten Gemäldes von Jean-Michel Basquiat am 18. Mai 2017 in New York. "Als ich dieses Gemälde zum ersten Mal sah", schrieb der Japaner auf Instagram, "packte mich so viel Erregung und Dankbarkeit für meine Liebe zur Kunst" - er wollte das Bild unbedingt haben.

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Für Kunst sprudeln die Millionen

Das Auktionshaus Sotheby’s hatte das Werk eigentlich auf 60 Millionen Dollar geschätzt. Aber dann kam Yusaku Maezawa, lieferte sich einen Bieterwettbewerb mit einem anderen Interessenten und bezahlte schließlich 110,5 Millionen Dollar. Das Gemälde wurde damit zum teuersten Werk eines Künstlers aus den Vereinigten Staaten.

Zum Werk Basquiats hat Maezawa ein besonderes Verhältnis. Der Maler, ein Kind karibischer Einwanderer, hat seine Karriere als Graffiti-Künstler in New York begonnen und auf der Straße T-Shirts bemalt. Er war der erste schwarze Künstler, der in der hauptsächlich weißen Kunstwelt den Durchbruch schaffte. Auch er sei ein "Kind der Straße" gewesen, so Maezawa, die Straßenkultur hätte sie beide entscheidend geprägt. Jean-Michel Basquiat war erst 27 Jahre alt, als er 1988 an einer Über­dosis Heroin starb.

Maezawa besitzt auch Werke von Picasso ("Buste de femme", 22,3 Millionen Dollar), Andy Warhol, Cy Twombly, Roy Lichtenstein oder Yayoi Kusama, eine der bedeutendsten japanischen Künstlerinnen der Nachkriegszeit. Aber er sammelt auch antike japanische Teetassen, Buddha-Statuen oder Luxusuhren. "Ich bin wie ein Kind, das von Spielzeug umgeben ist", erklärt der Milliardär. "Es ist, als ob ich in einem Schatzkästchen leben würde. Aber ich liebe es, diese Kunstwerke zu berühren."

Er selbst sieht sich nicht als Kunst­investor, er will auch nicht sein Haus mit den teuren Gemälden schmücken, ­sondern sie werden regelmäßig dem ­Publikum in Ausstellungen zugänglich gemacht. Dem britischen "Observer" verriet er: "Ich würde meine Kunst gern mit so vielen Menschen wie möglich teilen, um die Wertschätzung von Kunst zu steigern." Gerade in Japan sei das Inte­resse für Kunst im Vergleich zum Westen nicht besonders hoch. Er plant deshalb in seiner Heimatstadt Chiba ein eigenes Museum.

Im Gegensatz zu anderen erfolgreichen japanischen Unternehmen hat er den Sitz seiner Firma nicht nach Tokio verlegt. Er will in Chiba bleiben, seit Jahren plant er ein eigenes Haus in der Provinzstadt, innerhalb der nächsten zwei Jahre soll es fertiggestellt werden. "Ich fühle mich wohl in Chiba. Die Luft hier ist besser als anderswo und man kann das Meer sehen."

Vita:
Business-Punk
Yusaku Maezawa kam am 22. November 1975 nahe Tokio zur Welt. Nach ­seiner Karriere als Schlagzeuger in einer Punkband und seinem Highschool-­Abschluss gründete er 1998 mit Start Today sein erstes Unternehmen. 2004 folgte der Start des Onlineversand­händlers Zozotown, heute die Nummer 1 in Japan. Laut ­"Forbes" besitzt Maezawa ein ­Vermögen von 2,9 Milliarden US-Dollar.