Ein Kurssturz an den chinesischen Börsen ist den europäischen Anlegern zum Wochenschluss auf die Stimmung geschlagen. Mit Aktienkäufen hielten sich die Investoren zurück - Dax und EuroStoxx50 notierten kaum verändert bei 11.319 und 3505 Punkten. Gestützt wurden die Märkte von der Hoffnung auf weitere EZB-Geldspritzen. Die Flut billigen Geldes dürfte angesichts mangelnder renditeträchtiger Anlagealternativen ihren Weg an die Aktienmärkte finden, prognostizierte Gregor Kuhn vom Brokerhaus IG.

Die Leitindizes der Börsen Shanghai und Shenzhen brachen um jeweils etwa 5,5 Prozent ein. Das war der größte Tagesverlust seit dem Crash im Sommer. Ein Grund für den Kursrutsch waren die neuen Schritte der chinesischen Börsenaufsicht im Kampf gegen Spekulationen auf Pump. Insidern zufolge drängen die Behörden Brokerhäuser dazu, auf bestimmte Derivategeschäfte zur Finanzierung von Aktien-Deals zu verzichten. Außerdem verhagelte der deutliche Rückgang der chinesischen Unternehmensgewinne die Kauflaune - das fünfte Minus in Folge.

"Diese Nachrichten sind zwar nicht gerade positiv, zeichnen aber auch kein komplett neues Bild", betonte Aktienhändler Markus Huber vom Brokerhaus Peregrine & Black. "Es ist allgemein bekannt, dass die chinesischen Firmen unter der schwächelnden Konjunktur leiden." An der Wall Street, die nach dem Thanksgiving-Feiertag zum Wochenschluss nur für wenige Stunden öffnen wird, zeichnete sich eine kaum veränderte Eröffnung ab.

EZB-SITZUNG WIRFT SCHATTEN VORAUS



Hauptgesprächsthema auf dem Börsenparkett war die Ratssitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) in der kommenden Woche. Am Donnerstag werden die Währungshüter voraussichtlich eine weitere Öffnung der Geldschleusen beschließen. Damit wollen sie die drohende Deflation, eine Spirale fallender Preise und rückläufiger Investitionen, verhindern und die heimische Konjunktur ankurbeln. "Die Bullen scharren schon mit den Hufen beim Gedanken an das erwartete zusätzliche Liquiditäts-Doping", sagte Andreas Paciorek, Analyst des Online-Brokers CMC Markets. Im Börsenjargon werden Optimisten als Bullen bezeichnet.

Die Aussicht auf eine weitere Lockerung der Geldpolitik drückte den Euro bis auf 1,0573 Dollar. Im Schlussgeschäft vom Donnerstag hatte er zeitweise knapp über der Marke von 1,06 Dollar notiert. Für die Renditen der zehnjährigen Bundesanleihen ging es weiter bergab: Sie markierten mit 0,439 Prozent den niedrigsten Stand seit mehr als vier Wochen.

INFINEON ARBEITEN SICH WEITER NACH OBEN



Unter den deutschen Aktienwerten setzten Infineon ihren Aufwärtstrend fort. Nach den starken Zahlen vom Donnerstag erhöhten zahlreiche Analysten ihr Kursziel für die Titel. Infineon legten in der Spitze um 3,4 Prozent auf 13,57 Euro zu und markierten damit den höchsten Stand seit mehr als 13 Jahren. Sie waren stärkster Dax-Wert.

Im MDax hatten die Titel der Aareal Bank nach einer Verkaufsempfehlung der Berenberg-Analysten das Nachsehen. Die Titel rutschten um bis zu 8,5 Prozent auf 30,07 Euro ab und waren so billig wie seit mehr als einem Jahr nicht mehr. Den Experten zufolge sind die Titel überbewertet. Sie gehen unter anderem davon aus, dass die Nettozinserträge 2016 unter Druck geraten könnten und die Verluste aus dem Kreditgeschäft möglicherweise nicht so schnell zurückgehen wie gedacht.

In London warfen Anleger Anglo American gleich reihenweise aus ihren Depots. Der Bergbau-Konzern will eine australische Kohlemine dichtmachen, nachdem sich eine Kommission aus Umweltschutzgründen gegen eine Erweiterung ausgesprochen hatte. Die Aktien rutschten um bis zu 6,9 Prozent auf ein Rekordtief von 405,90 Pence.

Reuters